Bläserphilharmonie Rems-Murr spielt im Backnanger Bürgerhaus

Beim Konzert zu ihrem 35. Geburtstag begeistert die Bläserphilharmonie Rems-Murr das Publikum im Backnanger Bürgerhaus. Vom ersten Ton an zelebriert Dirigentin Heidi Maier mit ihrem Orchester ein Fest für Freunde der sinfonischen Blasmusik.

Mit einer Suite des deutschen Komponisten Thomas Krause schickt das Orchester auch eine Solidaritätsbekundung in Richtung Ukraine. Darin sind Melodien und Arien aus der Oper „Ein Saporoger Kosake jenseits der Donau“ des ukrainischen Opernsängers und Komponisten Semen Hulak-Artemowovsky verarbeitet worden. Foto: Tobias Sellmaier

© Tobias Sellmaier

Mit einer Suite des deutschen Komponisten Thomas Krause schickt das Orchester auch eine Solidaritätsbekundung in Richtung Ukraine. Darin sind Melodien und Arien aus der Oper „Ein Saporoger Kosake jenseits der Donau“ des ukrainischen Opernsängers und Komponisten Semen Hulak-Artemowovsky verarbeitet worden. Foto: Tobias Sellmaier

Von Thomas Roth

Backnang. Selbst mit der Vorbühne reicht der Platz für die etwa 50 Musikerinnen und Musiker der Bläserphilharmonie Rems-Murr trotz optimaler Platznutzung kaum aus. Das liegt vor allem an den diversen Trommeln inklusive der großen Trommel, den Pauken, dem Schlagzeug, dem Marimbafon, dem Vibrafon und diversen Glockenspielen. Dazu beispielsweise noch lateinamerikanische Perkussionsinstrumente wie Congas und Bongos, zudem der Kontrabass. Die eigentlichen Protagonisten, die Bläser, die unter all den unverzichtbaren Akteuren den Ton angeben, sind mit starken Instrumentengruppen vertreten.

Orchesterleiterin Heidi Maier hat das Programm chronologisch konzipiert. Es sind klassische Töne, mit denen die Bläserphilharmonie das Konzert beginnt. „Ouverture avec ensemble d’harmonie en fa majeur“ heißt das Eröffnungsstück des französischen Komponisten François Devienne aus der Zeit der Französischen Revolution. Die Musik hat etwas Feierliches, was ja gut passt. Auf sanfte, schwebend elegische Klänge folgt voller Tuttisound und gleich hier wird die Qualität dieses Klangkörpers hörbar. Wie dynamisch dieses Stück dargeboten wird, mit welch feinem Gespür Crescendi gestaltet werden, beeindruckt ebenso wie die Klangschönheit.

Auch für ein sinfonisches Blasorchester ist es nicht selbstverständlich, vier Klarinettisten mit potenzieller Solistenqualifikation in seinen Reihen zu haben. Wenn dem aber so ist, sollte man es nutzen. So in etwa mag Heidi Maier gedacht haben, als sie Louis Schindelmeissers nur ganz selten zu hörendes Werk „Sinfonia concertante op. 2 für vier Klarinetten“ auf ihren Programmzettel schrieb. Und so zeigen Volkmar Schwozer, Thilo Herderich, Felix Ederle und Uwe Traub hier zum einen ihr individuelles Können, zum anderen ihre Fähigkeit zum harmonischen Zusammenspiel. Neben den virtuosen Passagen sind vor allem die Accelerandi und Ritartandi in diesen Soloteilen herausfordernd. Die vier Herren meistern diese gefühlvoll und mit beeindruckender Synchronität – ein absoluter Höhepunkt dieses Konzertabends.

Eine Solidaritätsbekundung in Richtung Ukraine

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So recht ins Herz geht die Suite des deutschen Komponisten und Arrangeurs Thomas Krause, in der er Melodien und Arien im romantisch-italienischen Stil aus der Oper „Zaporozhets za Dunayem – ein Saporoger Kosake jenseits der Donau“ von Semen Hulak-Artemowovsky verarbeitet hat – eine deutsche Erstaufführung. Heidi Maier schickt hier mit ihren Musikerinnen und Musikern eine Solidaritätsbekundung in Richtung Ukraine, mit vielen volksmusikalischen, ruhigen und dann wieder fetzig-lauten Melodien. Am Schluss steht ein mitreißender Kosakentanz. Und wenn man denkt, das Stück sei vorbei, geht es doch erst nach einer Generalpause mit einem überraschenden musikalischen Spaß zu Ende.

Die Ouvertüre „Dynamica“ des 1956 geborenen Belgiers Jan van der Roost steckt rhythmisch und harmonisch voller überraschender Wendungen. Soloklarinette, Blechbläser und Percussion sind in dieser zeitgenössischen Komposition prominent vertreten. Das Stück erinnert tatsächlich an Filmmusik. Sehr gut könnte man sie sich in Zeichentrickfilmen, gern bei Verfolgungsjagden, vorstellen. Von den Musikern ist voller Einsatz und Konzentration gefordert, ebenso wie bei Alfred Reeds „El Camino Real“. Heidi Maier bezeichnet Alfred Reed, der mehr als 200 Werke geschrieben hat, als den „Beethoven für Blasorchester“. Der „königliche Weg“ befindet sich unüberhörbar in Südamerika. Typische Rhythmen bilden das Fundament, auf das Reed neben einer ganz wunderbaren Oboenkantilene, sparsam begleitet von Holzbläsern inklusive Flöten, dann Klarinetten, die die melancholische Melodie fortführen, gesetzt hat. Weiche Hornklänge sind zu genießen, ebenso wie temperamentvolle, rasante Percussion.

Mit „Charles Chaplin Selection“ des Niederländers Marcel Peters endet das offizielle Programm – vor den Zugaben. „Ja, damit müssen Sie rechnen“, so Georg Götzel-mann, der mit launig-informativen Worten durch das Programm führt. Melodien aus Charlie-Chaplin-Filmen wie „Limelight“, „Modern Times“ oder „The Great Dictator“ und anderen sind verklungen und Beifall brandet auf. Die Bläserphilharmonie verabschiedet sich mit dem temperamentvollen Kosakentanz aus der Suite aus „Zaporoz-hets za Dunayem“ und mit dem ganz ruhigen zweiten Satz aus dem von Robert Reynolds für Blasorchester arrangierten Chorzyklus „Les Chansons des Roses“ von Morten Lauridsen. Ein Konzert voller Energie, auch in den leisen, zarten Passagen, geht ganz still zu Ende, bis sich die Dirigentin Heidi Maier nach einem langen Moment des Verharrens umdreht und mit ihren Musikern den langen Applaus entgegennimmt. Auch hier wie in der musikalischen Performance: Stil und Kultiviertheit.

Weiche Hornklänge sind zu
genießen ebenso wie temperamentvolle, rasante Percussion.

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Erstellt:
26. März 2024, 16:00 Uhr

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