Architekturpreis DAM 2025
Deutschlands bestes Haus steht in Berlin-Neukölln
Warum ein Backsteinbau in Berlin die Jury des renommierten Architekturpreises DAM 2025 begeistert und was Stuttgart davon lernen kann.
Von Nicole Golombek
Ein Umbau – und der anhaltenden Wohnungsnot wegen vielleicht sogar ein Wohnhaus: dafür standen die Chancen gut im Rennen um einen der wichtigsten deutschen Architekturauszeichnungen, den DAM Preis 2025, ausgelobt vom Deutschen Architekturmuseum Frankfurt am Main. Klug, wer nicht darauf gewettet hat.
Die Jury hat sich für ein qualitativ hochwertiges Projekt der Stadtreparatur entschieden. Zwei Wohnbauprojekte in München, ein Umbau eines Studentenwohnheims und ein innovatives Wabenwohnhaus schafften es zwar unter die Finalisten, doch der Preis geht an einen Neubau, das Spore Haus, ein Kultur- und Begegnungsort in Berlin-Neukölln. Die Korken knallen im Büro von AFF Architekten, die mit der Planung beauftragt waren.
Prämiert wird mit dem Backsteinbau an der „urban-ruppigen Hermannstraße“, wie es in der Preisbegründung heißt, auch das soziale wie gestalterische Engagement einer privaten Bauherrin, der im Bildungs- und Kultursektor operierenden Schöpflin Stiftung, sie schafft einen niederschwellig erreich- und nutzbaren öffentlichen Kulturort.
„Es ist ein archaisches und kraftvoll schönes Haus, das sich in einem Kontext behaupten kann, wo Chancen und Chancenlosigkeit nahe beieinanderliegen“, schwärmt die Juryvorsitzende und Architektin Regula Lüscher.
Preisrichter und DAM-Direktor Peter Cachola Schmal: „Das Spore Haus ist ein gelungenes Beispiel für städtebauliche Integration. Dem Architektenteam gelang eine markante Setzung: Zusammen mit dem Zwillingsbau ‚Publix’ desselben Büros fasst der Neubau ein altes Friedhofsportal und schafft durch Rücksprünge kleine Plätze und damit eine neue Aufenthaltsqualität.“
Wiederverwendete Materialien, unbeschichtete Oberflächen
Sicher nicht ausschlaggebend, doch charmant: Die Architekten planten so, dass Stadtgeschichte erhalten blieb – ein Lichtfeuermast aus der Zeit der Rosinenbomber. Vor allem auch die qualitativ hochwertige Gestaltung beeindruckte die Jury. Teils aus rot gefärbtem Beton, teils verklinkert, füge sich der Bau „harmonisch in den historischen Kontext ein.“
Verwendet wurden robuste, unbeschichtete Oberflächen, die im Fall des Rückbaus weiterverwendet werden können, sowie schon recyceltes Material, etwa wiederverwendete Ziegel. Peter Cachola Schmal: „Es ist eine belastbare Architektur entstanden, die be- und genutzt werden darf und Gebrauchsspuren verzeiht.“
Im Spore Haus untergebracht sind Seminar- und Workshopräume sowie Ausstellungsflächen. Das Erdgeschoss dient als vielseitiger Ort mit Foyer, Café und Vortragssaal. Das Gebäude bietet zudem eine Bibliothek, Büros, Ateliers, Gastzimmer und eine Dachterrasse.
Ein Haus, gekommen, um zu bleiben, wie der Popmusiktitel zitierende Peter Cachola Schmal bemerkt. Und was wäre nachhaltiger als das, dass ein Gebäude die Umgebung aufwertet, einladend ist und möglichst lange genutzt wird. Und eines, das mit gestalterisch hoher Qualität aufwartet: „Endlich wieder ein Gesamtkunstwerk!” schwärmt Jurymitglied Oliver Elser.
Der Preis spiegelt die Liste der nominierten Bauten, von denen rund die Hälfte aus den Bereichen Soziales und Bildung stammten. Auch aus Baden-Württemberg sind Projekte darunter, die es auf die Shortlist von 23 Projekten schafften: Thomas Kröger Architekten aus Berlin etwa haben eine Heimschule und Therapiezentrum in Baiersbronn im Schwarzwald entworfen.
Sechs Bauten aus dem Land hatten es auf die Shortlist geschafft, darunter ein Stuttgarter Büro. Das in Stuttgart und Leipzig ansässige Architekturbüro KO/OK zeigt beispielhaft, wie in Connewitz im Leipziger Süden ein denkmalgeschütztes, ehemaliges Akkumulatorenhaus mit rückseitig angrenzender Maschinenhalle saniert werden konnte.
Ein Viertel der Wohnhäuser und Bauten, die insgesamt für den Architekturpreis DAM 2025 nominiert waren, finden sich in Baden-Württemberg – elf Projekte stammten aus der gestalterischen Feder von Stuttgarter Architekturbüros, etwa das Texoversum (ein innovatives Lehr-, Forschungs- und Innovationszentrum der Querschnittstechnologie Textil) in Reutlingen von Büro allmannwappner aus München in Kooperation mit Menges Scheffler Architekten und Jan Knippers Ingenieure aus Stuttgart.
Garagenaufstockungen, innovative Wohnhäuser, viele Holzbauten sind mit baden-württembergischer Beteiligung entstanden, die durchaus preiswürdig sind und bereits Auszeichnungen etwa des Bundes deutscher Architektinnen und Architekten oder von der Architektenkammer Baden-Württemberg erhalten haben.
Dass lediglich ein Projekt – das Kölner Büro Prinzmetal hat die Evangelische Martinskirche im Stuttgarter Nordbahnhofsviertel zum erweiterten Gemeindezentrum umgebaut – in der Landeshauptstadt selbst zu finden war, das mag auch zu denken geben. Architekten können nur qualitätvoll entwerfen, wenn Bauherren die Offenheit für gestalterischen Mut und die finanziell nötige Bereitschaft dazu aufbringen. Das Gewinner-Projekt in Berlin-Neukölln hat es vorgemacht.
Info zum Preis
PreisSeit 2007 werden mit dem DAM Preis jährlich herausragende Bauten in Deutschland ausgezeichnet. Für die Longlist des DAM Preis nominiert wurden 100 Bauwerke aus Deutschland und – auf einer separaten Liste – zwölf Projekte deutscher Architekten in anderen Ländern. Die Auswahl ist das Ergebnis
BücherAlle Bauten dieser Nominierungsliste sind geographisch sortiert, sie werden im „Architekturführer Deutschland“ (hg. von Yorck Förster, Christina Gräwe, Peter Cachola Schmal) vorgestellt. Die Ausgabe 2025, von DOM publishers verlegt, ist bereits im Handel (28 Euro). Ebenfalls erschienen ist das Buch „Deutsches Architektur Jahrbuch 2025“ von Yorck Förster, Christina Gräwe, Peter Cachola Schmal (Hg.), erschienen bei DOM publishers, 248 Seiten, 38 Euro.
AusstellungVon 1. Februar bis 27. April findet eine Ausstellung zum Preis des Deutschen Architekturmuseums (DAM) statt: im Deutschen Architekturmuseum im DAM OSTEND, Henschelstraße 18, in Frankfurt am Main. Ausstellungsführungen mit Yorck Förster finden samstags und sonntags um 15 Uhr statt. Öffnungszeiten sind Di, Do, Fr 12 bis 18 Uhr, Mi 12 bis 20 Uhr, Sa, So 11 bis 18. Weitere Informationen zum Preis: www.dam-preis.de