David Baileys „Eighties“

Die lustvolle Dekadenz der 80er

Modisch waren die 80er eine Zeit der Extreme. Es herrschte eine Lebenslust als Kampfansage, die an heute erinnert. In einem neuen Bildband blickt der Fotograf David Bailey auf ein glamouröses Jahrzehnt.

Stilvoller Eisgenuss, fotografiert für die „Vogue Italia“ im Jahr 1981

© Taschen/David Bailey

Stilvoller Eisgenuss, fotografiert für die „Vogue Italia“ im Jahr 1981

Von Eva-Maria Manz

Wer kürzlich bei Melania Trumps Hut mit der breiten Krempe an die 80er denken musste, lag schon richtig: So erinnerte die amerikanische First Lady auch an dieses Jahrzehnt, in dem sie selbst als Model stilistisch geprägt wurde. Ein Modejahrzehnt, auf das man heute oft spöttisch herabblickt. War das nicht viel zu schrill, geradezu geschmacklos – die gigantischen Schulterpolster, die Aerobic-Outfits und toupierten Dauerwellen?

In einem neuen im Taschenverlag erschienenen Bildband zeigen Modeaufnahmen des bekannten britischen Fotografen David Bailey eine andere Seite der 80er Jahre, die man beinahe als sophisticated bezeichnen könnte. Kaum ein Fotograf hat die Modefotografie dieser Zeit so geprägt wie Bailey, der schon in den 60ern berühmt und Vorbild für Antonionis Film „Blow-up“ wurde. Baileys Fotos von Designern wie Yves Saint Laurent oder Models wie Jerry Hall erschienen in Modezeitschriften weltweit.

In den Aufnahmen zeigt sich, interessant an der Mode dieser Zeit ist ihre Vielfalt, die Gleichzeitigkeit verschiedener Strömungen. Nicht nur in den Jugendkulturen existiert damals schon alles zugleich: Popper, Punks, Alternative, Gothics. Auch weiß man beispielsweise kaum, ob das Yuppies sind auf einem der Bilder Baileys, in Abendgarderobe auf einem Wochenendtrip in den Straßen Roms Eis schlürfend. Oder ist das altes Geld, wie offenbar bei Christy Turlington im karierten Oversize-Blazer? Die 80er sind der Beginn einer selbstbewussten Individualität bis hin zum Egozentrismus. Die im Band gezeigten Frauen sind weltberühmt und selbstbewusst. Manch eine braucht nicht einmal mehr ein Gegenüber, begnügt sich mit einer Gliederpuppe oder schaut in die Ferne, als gehöre ihr nicht weniger als die Welt.

Die Mode der 80er ist nicht schick im klassischen Sinne

Das ist damals neu: Frauen tragen breite gepolsterte Schultern und Männeranzüge, nur in Details wie Haarspangen blitzen barock-romantische Noten auf. „Dress for success“ oder „Power Dressing“ nennt man den Auftritt. Er ist extrem und dekadent, nicht gerade schick im klassischen Sinne, und verbreitet sich weit jenseits der Laufstege.

Damit erinnert diese Mode an heute – eine Zeit, in der die Kleidung extrem groß und weit geworden ist, oft ironisch oder dekonstruiert wirkt. Seit einigen Jahren beginnt sie sogar, sich von der Sneakerkultur der 10er Jahre zu emanzipieren. Mit dick besohlten Stiefeln, spitzen High Heels und dramatischer, oft asymmetrischer Glitzersilhouette stolpert die Frau der 2020er Jahre einer ungewissen Zukunft entgegen, der sie sich nicht kampflos hingeben will. Ein bisschen wie damals: im furchteinflößend-extremen Auftritt der Frauen in den 80ern.

Angaben zum Buch

David Bailey: Eighties. Taschen, Köln 2025, 296 Seiten, 100 Euro, www.taschen.com

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Erstellt:
30. Januar 2025, 11:34 Uhr
Aktualisiert:
30. Januar 2025, 15:58 Uhr

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