Kunst gegen das Vergessen
Erinnerung an die Kämpferinnen
Die Künstlergruppe Blomst! fragt vor dem Landgericht nach dem Schicksal von Maria Kalesnikava und erzählt von Frauen im Widerstand.
Von Thomas Morawitzky
Das Landgericht Stuttgart ist ein geschichtsträchtiger Ort – im schlimmsten Sinne: Dort erinnern drei Stelen mit vielen Namen an Menschen, die zur Zeit des Nationalsozialismus zum Tode verurteilt wurden. Dort zeigt seit Samstag die freie Künstlergruppe Blomst! eine audio-visuelle Installation, die an Frauen erinnert, die Widerstand leisteten gegen Unrechtssysteme.
Im Mittelpunkt steht ein bedrückender, aktueller Fall: Maria Kalesnikava lebte in Stuttgart, arbeitete an der Oper. Sie war aktiv als eine der führenden Figuren der Opposition in Belarus. Im September 2020 wurde sie verschleppt. Im November 2020 musste sie sich einer Operation am Magen unterziehen, entsprechende Diätnahrung erhält sie im Gefängnis nicht. Seit Februar 2023 ist ihre Familie ohne Nachricht von ihr. Ihre Schwester Tatsiana Khomich sendete einen Brief: „Ich weiß nicht, wann Maria wieder in der Lage sein wird, Stuttgart zu besuchen, das sie so sehr liebt, aber ich bin mir sicher, dass dieser Tag bald kommen wird.“
Kalesnikavas Schicksal steht auch für das anderer Frauen
Maria Kalesnikavas Schicksal steht auch für das anderer Frauen, die kämpften, verfolgt wurden. Am Samstag singt die Sopranistin Viktoriia Vitrenko vor dem Landgericht ein Stück, das Luigi Nono in den 1960er Jahren für die algerische Widerstandskämpferin Djamila Boupacha schrieb. Und Nina Kurzeja, die Initiatorin des Projektes, verkörpert Lilo Herrmann, die als Kämpferin gegen das NS-Regime 1937 am Landgericht Stuttgart zum Tode verurteilt wurde. Veronika Kienzle, Bezirksvorsteherin in Stuttgart-Mitte, denkt noch an viele weitere Frauen: „Stuttgart ist kein schlechter Boden für mutige und widerständige Frauen und die Erinnerung an sie.“
Vor dem Landgericht finden sich acht Bildschirme, die der Künstler Alexander Schmidt zu Gedenktafeln gestaltete, mit Bildern, die den Tanz, die Gemeinschaft der Frauen zeigen. Der Besucher kann über sein Smartphone Klangcollagen hören: das Protokoll eines Verhörs, die Stimmen iranischer Frauen, das ukrainische Wiegenlied, zu dem Pilar Murube tanzt, mit verbundenen Augen um die Freiheit ringt und später, verschleiert, schweigend, mit gesenktem Kopf, vor einer Wand sitzt, in der sich die Welt, die Passanten als Zerrbild spiegeln.
„Gegen das Vergessen“ wird bis Montag, 4. September, zwischen 11 und 16 Uhr in stündlichem Rhythmus vor dem Landgericht Stuttgart, Urbanstraße 20, aufgeführt.