Daydreamtones-Album
Es könnten alle so entspannt sein
Der zurückgelehnte Folk-Pop von Daydreamtones ist die Entdeckung des Herbsts. Beim Release-Konzert wagt die Band den Handschlag mit der jungen Generation von Stuttgarts Pop-Subkultur.
Von Jan Georg Plavec
Es gibt Menschen, die nehmen die Dinge schrecklich ernst: Perfektionisten, High Performer, Donald Trump. Daydreamtones sind all das nicht. „She comes late, she’s in time”, heißt es gleich im ersten Song ihres Albums „Avec Ina“, benannt nach zur Band gestoßenen Sängerin. Das Schlagzeug nimmt sich den Songtitel direkt zu Herzen, darüber legen sich herrlich zurückgelehnt Bass, Gitarre, Harmoniegesang. Unbedarfte Hörer wähnen sich direkt im Kalifornien ungefähr des Jahres 1967. Die im Detail wesentlich sprechfähigeren Musiker nennen Referenzen wie Felt, The Relict oder die Twee-Pop-Band The Field Mice.
Ihr Traum wäre jedoch ein Gig gemeinsam mit ihren schottischen Jugendhelden The Pastels, verrät der Gitarrist Beni Beni – kein Künstlername, er heißt wirklich so.
Anlass des Gesprächs ist zunächst die Album-Release-Show am 8. November im Komma in Esslingen. Aber The Pastels sind weiterhin aktiv, das kann also noch werden. Warum sich das Anhören und Konzertbesuchen schon jetzt lohnt, wird beim Gespräch im sonnendurchfluteten Garten nahe Heilbronn deutlich. Und natürlich beim Hören der Platte.
Pure Musik
Kalifornien 1967 stecke schon in der Platte, findet der zweite Gitarrist Jonas Ullmann. „Aber eben auch Südfrankreich und englische Indiebands der frühen 1990er.“ Bei Beni könnte beispielsweise noch die Liebe zur barocken Lautenmusik dazukommen oder zum Bossa Nova der 1960er Jahre.
Wie entsteht daraus ein gemeinsamer Sound? Zunächst durch jahrzehntelanges gemeinsames Musizieren. Und durch viel Zeit daheim, mit akustischen Instrumenten. Beni Beni hat daraus Songs gemacht und sie mit Jonas Ullmann „zum Leben erweckt“, wie er es sagt. Hinzu kamen Effekte, Geige und Gesang, dazu „Bass-Ornamente“ – die Worte der Daydreamtones sind so lyrisch wie ihre musikalische Sprache.
Den Sound des soften, wohnzimmertauglichen ersten Albums haben sie behutsam weiterentwickelt. Der Gesang tut gut, das etwas präsentere Schlagzeug auch. „Avec Ina“ sei kein Lebensphasenstück oder Ähnliches, sondern „pure Musik“, sagt der Songschreiber Beni Beni. Als solche muss man sie hören und bewerten. Und als Gefühl, das diese Band der manchmal so verkrampften Gegenwart souverän entgegensetzt.
Nicht nur die Musik ist erfrischend entspannt. Vermarktung liegt der Band nicht wirklich, statt eines Label haben sie die Sternengruppe gefunden, einen Zusammenschluss der neuen Stuttgarter Subkultur-Generation. Die ebenfalls dazu zu zählende Gruppe Diplomatic Fun wird im Komma als Support auftreten. Musikalisch passt das, als generationenübergreifender Handschlag sowieso - Daydreamtones haben starke Verbindungen in die Szene rund um die kürzlich geschlossene Off-Location Neue Schachtel.
Seltene Gelegenheit
So viele Gelegenheiten für Daydreamtones-Konzerte gibt es nicht. Das Zeitbudget der sechs Endvierziger, alles Eltern, ist begrenzt und die Gegend zwischen Stuttgart und Heilbronn, wo sie herkommen und leben, nicht gerade als Mekka für alternative Popmusik bekannt. Wobei der Daydreamtones-Pop auch gar nicht urban ist. „Sozialisiert wurden wir eher draußen am Lagerfeuer, und wir jammen auch einmal im Jahr draußen in der Natur“, schildert Jonas Ullmann. Vom Studium haben sie die weite Welt zurück in die Provinz gebracht. „Die Ruhe auf dem Land, die Verbindlichkeit im Freundeskreis, den es schon so lange gibt“, sagt Ullmann, das seien so die Parameter, die beim Verorten des Daydreamtones-Sounds helfen. „Und das, was spannend ist in der Musik.“
„She comes late, she’s in time“: Nach dem Gespräch wirkt es total logisch, dass Daydreamtones das Spannende im Entspannten finden.