Exaktes Zusammenspiel und hohe Virtuosität

Christian McBride tritt mit der Formation Inside Straight im Backnanger Bürgerhaus auf. Der musikalische Leiter hält sich oft mit seinem Kontrabass im Hintergrund und lässt seine Kollegen bei ihren Soli brillieren. Der Beifall ist herzlich, bleibt aber irgendwie reserviert.

Jazzbassist Christian McBride und Kollegen überzeugen mit einem transparenten Klangbild, das seine Wurzeln im Swing hat. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Jazzbassist Christian McBride und Kollegen überzeugen mit einem transparenten Klangbild, das seine Wurzeln im Swing hat. Foto: A. Becher

Von Klaus J. Loderer

Backnang. Eine sehr harmonische Variante des Jazz pflegt Christian McBride. Die Melodien des Saxofons sind manchmal weich oder drängen ungestüm vorwärts. Mit Wiederholungen und Variationen entsteht Dynamik. Dabei schafft das ganz auf klassische akustische Instrumente setzende Quintett Inside Straight ein transparentes Klangbild, das seine Wurzeln im Swing hat. Für den Jazzbassisten und Bandleader Christian McBride war das Konzert am Freitag im Bürgerhaus ein Wiedersehen mit Backnang. Das letzte Mal trat er mit Big Band auf, nun in kleinerer Formation. Natürlich standen die eigenen Kompositionen im Zentrum des Programms, viele davon sind Referenzen an die großen Jazzmusiker. Zu denen gehört Christian McBride inzwischen selbst. Der Jazzbassist hat mit den anderen Musikern von Inside Straight ein bemerkenswertes Ensemble zusammengestellt, das mit seinem exakten Zusammenspiel und hoher Virtuosität einen besonderen Hörgenuss lieferte.

Als Junge hat er noch Starswie Ella Fitzgerald live erlebt

Mit Zürich, Basel, Metz, Paris, Madrid und London befindet sich Backnang in einer eindrucksvollen Tourneeliste. Die Jazzreihe des Backnanger Bürgerhauses erhielt eine weitere Steigerung. Kulturamtsleiter Johannes Ellrott versprach nicht zu viel, als er Christian McBride als Weltstar ankündigte. Der 1972 in Philadelphia geborene Jazzbassist, der als kleiner Junge immerhin noch Jazzstars wie Ella Fitzgerald live erlebte, studierte nur kurz am renommierten Juillard-Konservatorium in New York, wechselte schnell in das Konzertleben und arbeitete sich in die obere Liga der Jazzmusiker hoch. Er tritt als Bandleader auf und spielt in anderen Formationen mit. Außerdem ist er seit 2016 künstlerischer Direktor des geschichtsträchtigen Newport Jazz Festivals. Im Backnanger Bürgerhaus wurde der siebenfache Grammy-Preisträger mit großem Jubel empfangen. Das eineinhalbstündige Konzert lockte auch viele auswärtige Besucher nach Backnang. Die herausragende Qualität der fünf Musiker war schnell zu bemerken. Im Gegensatz zur Big Band kommen beim Quintett die Einzelstimmen besser zur Geltung.

An vorderster Stelle ist der Saxofonist Jaleel Shaw zu nennen, der kurzfristig für das Quintettmitglied Steve Wilson eingesprungen ist. Das minderte die Qualität des Konzerts nicht. Ganz im Gegenteil. Schon im ersten Stück „Listen to he Heroes Cry“ glänzte Jaleel Shaw mit einem großartigen Solo. Es erstaunt nicht, dass die New Yorker Tageszeitung Daily News von ihm schwärmte. Als Spieler des führenden Melodieinstruments kam Jaleel Shaw eine wichtige Rolle im Konzert zu. Das Vibrafon unterlegte die Melodien an vielen Stellen. Doch ergaben sich auch reizvolle Wechselspiele zwischen Saxofon und Vibrafon.

In „Gang Gang“ hatte Warren Wolf jr. Gelegenheit am Vibrafon seine Virtuosität unter Beweis zu stellen. Das Stück stammt auch von ihm. In sehr moderner und freier Interpretation klingt darin Rossinis „La danza“ durch. Und auch Carl Allen stellte sich nun mit einem großen Schlagzeugsolo vor. Der Drummer hat eine eindrucksvolle musikalische Biografie und hat schon mit Jazzlegenden wie Freddie Hubbard und George Coleman gespielt. Er unterrichtete mehr als zehn Jahre an der Juillard School und ist seit letztem Jahr Stiftungsprofessor am UMKC-Konservatorium in Kansas City.

Christian McBride hatte bei dem Backnanger Konzert zwar die musikalische Leitung, blieb aber instrumentell mit seinem Kontrabass oft im Hintergrund. Wenn sich Jaleel Shaw und Warren Wolf in den Hintergrund zurückzogen und die Bühne dem Trio aus Klavier, Kontrabass und Schlagzeug überließen, das sonst die Basis für die dominanten Soloinstrumente lieferte, wechselte der Klang völlig. Geradezu zart wurde der Eindruck in der Formation als Duo aus Kontrabass und Schlagzeug. Drummer Carl Allen wechselte an diesen Stellen zu einem weichen Klang und streichelte seine Instrumente geradezu, um das tiefe Vibrato des Kontrabasses nicht zu überdecken. Umso effektvoller war dann wieder der Einsatz von Saxofon und Vibrafon.

In „StarBeam“, einer weiteren Komposition von Christian McBride, erhielt auch Pianist Peter Martin Gelegenheit, sich in einem Solo vorzustellen. Dieser renommierte Jazzpianist arbeitet eng mit der Sängerin Dianne Reeves zusammen, mit der er übrigens im April wieder nach Backnang kommen wird. Mit „Given Thanks“ spielte Inside Straight auch eine Komposition des Drummers Carl Allen. Der Kontrabass dominiert in Freddie Hubbards „Theme for Kareem“ die Einleitung, bevor das Saxofon einsetzt.

Für McBrides Stück „Uncle James“, womit der von ihm verehrte Sänger und Bandleader James Brown gemeint ist, nutzte Jaleel Shaw das gerade Sopransaxofon für die weich dahinfließende Melodie. Die Spielweise wechselte Christian McBride in Duke Ellingtons 1932 komponiertem Stück „Sophisticated Lady“ und strich nun erstmals bei einem Solo mit dem Bogen. Das ermöglichte ihm ein besseres Eingehen auf die Melodie.

Der Beifall war herzlich, blieb aber irgendwie reserviert. Es wurde zwar brav jedes Solo beklatscht, aber der Applaus hätte stürmischer sein dürfen. Aber in einem wegen der Coronaverordnungen (immerhin) zur Hälfte belegten Saal ist es eben schwierig, Stimmung aufzubauen. Zum Abschluss gab es als Zugabe Christian McBrides Stück „The Shade of the Cedar Tree“ (Der Schatten des Zedernbaums). Das 1995 für einen Soloauftritt entstandene Stück ist dem berühmten Jazzpianisten Cedar Walton gewidmet. Im Foyer klang das Konzert aus. Da bestand auch Gelegenheit für die Fans, mit den Musikern ins Gespräch zu kommen.

Zum Artikel

Erstellt:
14. März 2022, 10:30 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen