Felix Hollenberg zeigt in Backnang unberührte Landschaften
Ab Sonntag wird im Helferhaus die Ausstellung „Radierungen“ mit Arbeiten von Felix Hollenberg gezeigt. Der im Ruhrgebiet aufgewachsene Künstler hielt die Landschaften seiner Heimat, aber auch seiner späteren Stationen Stuttgart und Gomadingen auf neuartige Weise fest.
Von Kai Wieland
Backnang. „Schwer nur gewöhnte ich, der aus der Ebene stammende, mich an die schöne Hügellandschaft des württembergischen Unterlandes, an die weißen Kalkfelsen der Alb, die dunklen Waldhöhen des Schwarzwalds“, schrieb Felix Hollenberg im Jahr 1907 über seine neue Heimat. Eine Liebe auf den ersten Blick war es wohl nicht, dafür aber eine, welche dank seiner Arbeit die Zeiten überdauert hat.
1868 in Sterkrade im Ruhrgebiet geboren und in Dinslaken aufgewachsen, begann Hollenberg 1888 an der Kunstschule Stuttgart zu studieren, doch seine ersten Arbeiten aus dem Ländle sind erst viel später dokumentiert. „Er machte sich bei Besuchen im Ruhrgebiet oft Skizzen, aus denen er dann in Stuttgart seine Radierungen anfertigte“, erklärt Rudi Limbach vom Heimat- und Kunstverein Backnang, der gemeinsam mit Wolfgang Uhlig die Ausstellung im Helferhaus kuratiert. Limbach wird am kommenden Sonntag im Rahmen der Vernissage in die Ausstellung einführen.
Ein fanatischer Arbeiter
Dass die Werke Hollenbergs in Backnang zu sehen sind, ist in erster Linie dessen Tochter Erika Schad-Hollenberg zu verdanken, die bis zu ihrem Tod im Jahr 2010 in der Stadt lebte und als Ärztin tätig war. Sie stiftete die zu sehenden Radierungen dem Heimat- und Kunstverein sowie der Galerie der Stadt Backnang. Die auf zwei Stockwerken gezeigten Arbeiten stellen allerdings nur einen Ausschnitt des Gesamtbestands beider Einrichtungen dar, der wiederum nur einen Teil des Gesamtwerks Hollenbergs ausmacht. Das allein lässt bereits erahnen: Der Künstler vom Niederrhein war überaus fleißig. „Er war ein geradezu fanatischer Arbeiter“, bestätigt Limbach. „Im Jahr 1918 hatte er bereits rund 1000 Gemälde und Ölstudien, 3000 Aquarelle und Zeichnungen und etwa 10000 selbst gedruckte Abzüge zu verzeichnen.“
Aus dieser Vielzahl eine Auswahl zu treffen und für eine Ausstellung zu ordnen und aufzubereiten, ist eine Aufgabe für sich. „Wir haben einerseits nach ästhetischen Gesichtspunkten entschieden, wollten aber auch eine möglichst breite Auswahl zeigen“, erklärt Wolfgang Uhlig. Außerdem gebe es einige Besonderheiten und Höhepunkte, die selbstverständlich Berücksichtigung finden mussten. Dazu zählt etwa die Kaltnadelradierung „Wassertümpel in der Heide“, die 1896 entstanden ist und ein Motiv aus der Nähe von Dinslaken zeigt. Für dieses Werk wurde Hollenberg mit der Goldmedaille der Weltausstellung in Paris im Jahr 1900 ausgezeichnet. Bemerkenswert ist auch die Grafik „Anlagensee“, da es sich bei dieser um eine Lithografie handelt. „Davon hat Hollenberg gerade einmal fünf oder sechs Stück gemacht, und das in seiner Frühphase“, betont Limbach.
Beim Großteil der Werke des Künstlers handelt es sich nämlich um Radierungen (siehe Infotext), die überwiegend Landschaften zeigen, bisweilen mit Architekturelementen wie verfallenen Burgen oder Bauernhäusern, in den seltensten Fällen auch mal mit Menschen. Fast gar nicht zu sehen sind hingegen industrielle Bauwerke, obwohl es diese zu Hollenbergs Lebzeiten längst gegeben hat. Eine der ganz seltenen Ausnahmen davon stellt die „Bohrhütte bei Dinslaken bei Einbruch der Nacht“ dar, der allerdings mit dem sanft aufsteigenden Rauch und dem Licht, das durch die geöffnete Tür hinaus ins Dunkel fällt, ebenfalls eine zarte Romantik innewohnt. „Und doch, auch in all dem Neuen, in der öden Fabrikgegend, in dem Stampfen der Maschinen, dem Rasseln der Räder, der strahlenden Glut der Bessemerwerke liegt eine Poesie, die nur der Entdeckung harrt“, schrieb Felix Hollenberg 1907 in einem Artikel für die Zeitschrift „März“. Ob diese Entdeckung dem Künstler schließlich gelang? Es erscheint fraglich.
Ein Heimatkünstler will er nie sein
„Hollenberg hat mit den Einflüssen der Industrialisierung auf die Natur gehadert“, sagt Rudi Limbach. Aus diesem Grund dürfe man seine Werke auch nicht als historisch akkurate Ansichten begreifen. Vielmehr spiegele sich darin sein Wunsch, die Landschaften seiner Herzensorte möglichst unberührt festzuhalten – in zunehmendem Maße erstreckte sich dieses Vorhaben auch auf seine neuen Heimaten Stuttgart, das Lautertal und die Schwäbische Alb, mit denen er wohl doch zu guter Letzt warm wurde. Seine letzten Lebensjahre verbrachte er in Gomadingen, wo er 1945 starb.
Die Ausstellung im Helferhaus folgt grob diesen wichtigsten Lebensabschnitten. Im unteren Stock befinden sich vorwiegend Werke seiner früheren Jahre am Niederrhein, die ebenfalls erstaunliche Naturidyllen zeigen anstelle von Ruhrpottindustrie. Darüber zeugen die ausgestellten Grafiken von seinem Wirken in und um Stuttgart. Präsentiert werden außerdem interessante Exlibrisgrafiken, die Hollenberg als Auftragsarbeiten anfertigte, sowie Fachliteratur und historische Bücher, die entweder Werke Hollenbergs thematisierten oder von diesem illustriert wurden.
Bei all dem Rückbezug auf die Ansichten heimischer Lande verwahrte sich Hollenberg stets dagegen, als Heimatkünstler wahrgenommen zu werden. „Er lebte ja während der NS-Zeit und wollte mit dieser Blut-und-Boden-Idee überhaupt nichts zu tun haben“, erklärt Wolfgang Uhlig. Das zeigen auch seine Freundschaft zu Clara Zetkin, in deren Haus in Sillenbuch er häufig zu Gast war, sowie seine Abkehr von der Politik in der Zeit um den Ersten Weltkrieg.
So war Felix Hollenberg, und das spiegelt sich in der Ausstellung im Helferhaus, ein interessanter Wandler zwischen den Welten: ein Bewahrer des Natürlichen und zugleich ein Erneuerer, der viel und technisch versiert experimentierte und Wege bereitete, ein Heimatliebender und doch die Veränderung Suchender. Es ist diese Ambivalenz, die begeistert.
Ausstellung und Vernissage Die Ausstellung dauert von 6. August bis 8. Oktober, die Vernissage findet am Sonntag um 11.30 Uhr statt. Die Einführung übernimmt Rudi Limbach, die musikalische Begleitung Noel Lehar mit der Querflöte. Das Helferhaus ist von Dienstag bis Freitag von 16 bis 19 Uhr, samstags von 11 bis 18 Uhr und sonntags von 14 bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt zu Ausstellung und Vernissage ist frei.Verfahren Bei der Radierung handelt es sich um eine Tiefdrucktechnik, bei der mittels einer Säure Vertiefungen in einer Druckplatte erzeugt werden. Es gibt verschiedene Unterarten, etwa die Kaltnadeltechnik, den Ätzdruck und die Schabtechnik, die jeweils spezifische Auswirkungen auf das Druckbild haben. Bei Radierungen wird viel mit Hell-Dunkel-Kontrasten gearbeitet, aber auch der Einsatz von Farben ist möglich.
Anwendung Die Radierung war ein beliebtes Verfahren zur Nachbildung und Vervielfältigung bestehender Kunstwerke. Felix Hollenberg gehörte zu den Pionieren der Maler-Radierer, welche die Technik zur Schaffung neuer Werke mit eigenen Motiven nutzten.