Fotografische Zeitreise ins Backnang der 1970er-Jahre
Die neue, von Peter Wolf zusammengestellte Ausstellung im Helferhaus präsentiert Fotografien des Amateurfotografen Helmut Steer von Backnang in den 1970er-Jahren. Sie zeigen, wie anders das Stadtbild vor 50 Jahren stellenweise noch aussah.
Von Melanie Maier
Backnang. Wie viel sich in einer Stadt in einem halben Jahrhundert verändern kann, das beweist die neue Ausstellung der Reihe „Backnang im Zeitspiegel“ im Kabinett des Backnanger Helferhauses. Dort zeigt Ausstellungsmacher Peter Wolf nun eine Auswahl von Farbfotografien von Backnang aus den 1970er-Jahren. Aufgenommen hat sie Helmut Steer. Der verstorbene Amateurfotograf war früher Mitglied der Fotogruppe seines Arbeitgebers, der AEG Telefunken. Seine Frau Rosemarie Steer stellte Peter Wolf die Dias zur Verfügung. „Früher habe ich die Bilder immer gesucht, jetzt kommen sie zu mir“, scherzt er. Das liege vermutlich auch daran, dass alle Fotografien, die einmal in einer seiner Präsentationen zu sehen waren, ins Backnanger Stadtarchiv übergehen, vermutet der Diplom-Fotodesigner. „Ich habe mittlerweile so eine Unmenge an Bildern erhalten – ich wüsste gar nicht, wo ich die alle bei mir aufbewahren sollte.“
Aufbewahrenswert sind sie allemal. Die Fotografien sind schweigende Zeitzeugen. Auf Helmut Steers Aufnahmen sieht das Stadtbild stellenweise komplett anders aus als heute. Besonders deutlich wird das an einem Bild des Gasthofs Stern/Wienerwald. Das einst älteste Fachwerkgebäude Backnangs – dem Backnang-Lexikon zufolge wird eine Schildwirtschaft namens „Stern“ schon zu Zeiten des Dreißigjährigen Kriegs (1618 bis 1648) erwähnt – musste 1975 dem Ausbau der Aspacher Straße weichen. Links neben dem Restaurant Wienerwald, in der Gerberstraße 4, befand sich damals das Haus von Flaschner Bernhard Hammer. Noch eine Hausnummer weiter hatte das Betten- und Wäschehaus Windmüller sein Domizil, dessen Neubau seit der Eröffnung 1969 die Ecke dominiert. „Es wäre heute unvorstellbar, dass die Aspacher Straße noch so eng wäre wie damals“, meint Peter Wolf. In den 1970er-Jahren sei die Straße eine Einbahnstraße gewesen.
Die Stadt war „verkehrsgerechter“
Die Verkehrssituation war vor 50 Jahren insgesamt eine ganz andere als heute. „Die Stadt war – wie sagt man doch so schön – verkehrsgerechter“, erklärt Peter Wolf und schmunzelt. Er deutet auf ein Foto des Chelmsford-Platzes. „Diese Durchfahrt ist mittlerweile zu.“ Im Bild fährt ein petrolblauer Käfer die Uhlandstraße hinauf, rechts daneben sind zwei Radfahrer unterwegs, allem Anschein nach Vater und Sohn. Obwohl die beiden nur von hinten zu sehen sind, ist auch ihre Kleidung ein deutlicher Hinweis auf die Zeit, in der das Foto aufgenommen wurde: Der Bub beispielsweise trägt Hosenträger und rote Strümpfe, die ihm bis knapp unter die Knie reichen.
Auch auf den weiteren Fotografien sind die Kleidung der abgebildeten Personen und die Formen der Autos, die auf den Straßen fahren oder am Straßenrand parken, eindeutige Indizien dafür, dass es sich nicht um aktuelle Fotografien handelt. Er sei erstaunt darüber gewesen, wie „verratzt“ es an manchen Stellen früher in Backnang aussah, so Peter Wolf: „Zum Teil sah es aus, als sei an den Fassaden über viele Jahre nichts gemacht worden.“ Einiges sei aber auch mit dem Zeitgeist zu erklären, sagt er. Zum Beispiel die vielen Betonfassaden. „Viele Häuser mussten früher auch aus Brandschutzgründen verputzt werden“, weiß Peter Wolf. Erst Reginald Kunzelmann, der das Backnanger Stadtplanungsamt von 1979 bis 2007 leitete, habe Fachwerk freigelegt, wo es nur ging.
Das alte Bahnhofsgebäude wurde 1975 abgerissen
Andere Veränderungen im Stadtbild bedauert Peter Wolf dagegen. Zum Beispiel den Abriss des Gebäudes Am Koppenberg 1. Das im Jahr 1897 von Oberbauamtsmeister Christian Hämmerle errichtete Haus wurde 1970 abgebrochen, um die Verkehrsführung zu verbessern. „Mit dem Erker und den Schnörkeln war das ein ganz typischer Hämmerle-Bau“, sagt Peter Wolf. Bei den meisten noch erhaltenen Hämmerle-Bauten seien die Schnörkel weg.
„Bei diesem Bild werden sicher wieder viele weinen und sagen: ‚Unser schöner Bahnhof‘!“, prophezeit der Ausstellungsmacher und nickt in Richtung eines Bilderrahmens, in dem zwei Fotografien zu sehen sind. Die obere zeigt den Eingangsbereich des alten Backnanger Bahnhofs; ein imposantes Backsteingebäude mit Walmdach, das im Oktober 1877 eröffnet und 1975 abgerissen wurde. Darunter befindet sich eine Aufnahme des Güterschuppens, der 1878 errichtet und 2019 abgebrochen wurde. „Viele sagen, die Stadt hätte den Bahnhof erhalten sollen. Aber das Gebäude war Bahneigentum – die Stadt hatte darauf gar keinen Einfluss“, weiß Peter Wolf.
Auch er selbst, der seit 1987 in Backnang wohnt, kommt bei den Bildern ins Staunen. „Es ist eigentlich unvorstellbar, was sich seither alles verändert hat“, findet er. „Und wie schnell das ging.“
Erste Präsentation 2024 setzt Peter Wolf seiner Reihe „Backnang im Zeitspiegel“ im Kabinett des Backnanger Helferhauses fort. Vier Ausstellungen sind geplant. Als Erstes zu sehen ist seit Samstag, 6. Januar, bis Montag, 1. April, die Kollektion „Backnang 1970“ mit Fotografien von Helmut Steer.
Weitere Ausstellungen Vom 6. April bis zum 30. Juni werden Bilder zum Thema „Backnanger Alltagswelten“ gezeigt. Weiter geht es vom 6. Juli bis zum 22. September mit der Ausstellung „Rätselhaftes Backnang“. Und vom 28. September bis zum 29. Dezember bietet Peter Wolf einen Einblick in die frühere Backnanger Modewelt.
Öffnungszeiten Die Ausstellung ist dienstags bis freitags von 16 bis 19 Uhr, samstags von 11 bis 18 Uhr, sonntags und feiertags (also auch am 6. Januar) von 14 bis 18 Uhr zu sehen. Der Eintritt ist frei.
Gespräche Peter Wolf steht gewöhnlich am Wochenende in der Ausstellung für Fragen und Gespräche über Backnangs Historie zur Verfügung. Wer Fotos zu den Präsentationen beisteuern will, kann sich ebenfalls auf diesem Weg mit dem Ausstellungsmacher in Verbindung setzen.