Backnanger Autoren meiden Frankfurter Buchmesse

Seit Mittwoch ist die Frankfurter Buchmesse in vollem Gange: Neben zahlreichen Verlagen, Agenturen und sonstigen Brancheninsidern dürfen sich ab heute auch Privatbesucher ins Getümmel stürzen. Viele Autorinnen und Autoren aus dem Raum Backnang meiden jedoch den Trubel.

In den Gängen auf der Frankfurter Buchmesse drängen sich wieder die Besucher. Symbolbild: Frankfurter Buchmesse/Nikla

© Frankfurter Buchmesse 2018/Nikla

In den Gängen auf der Frankfurter Buchmesse drängen sich wieder die Besucher. Symbolbild: Frankfurter Buchmesse/Nikla

Von Kai Wieland

Rems-Murr/Frankfurt am Main. Es ist das Literaturevent des Jahres, so jedenfalls bezeichnen die Organisatoren der Frankfurter Buchmesse diese ganz unbescheiden im Internetauftritt. Zweifellos ist es jedenfalls das gewaltigste: Tausende Aussteller aus aller Welt, Hunderttausende Besucher, unzählige Veranstaltungen, Vorträge und Workshops, große und weniger große Prominenz, Kuriositäten an jeder Ecke und vor allem natürlich Bücher, Bücher, Bücher...: Für die ansonsten so gesetzt erscheinende Buchbranche ist die Messewoche Mitte Oktober ein ungewohntes Spektakel. Seit Mittwoch drängen sich nun wieder die Fachbesucher in den Gängen der Messehallen, ab heute sind die Pforten auch für das geneigte Publikum geöffnet.

An der Frankfurter Buchmesse scheiden sich selbst unter Buchliebhabern indessen regelmäßig die Geister. Während die einen sie geradezu herbeisehnen, um sich dort mit Gleichgesinnten zu treffen, Lesungen beizuwohnen, das eine oder andere signierte Buch abzustauben, durch die Neuerscheinungen zu stöbern oder sich gar in ein Cosplay-Kostüm zu schmeißen, sind den anderen die Menschenmassen ein Graus.

Auch bei den Autorinnen und Autoren aus dem Raum Backnang ist in diesem Jahr erkennbar: Wer nicht muss, meidet tendenziell den Trubel und verfolgt das Event allenfalls aus der Ferne. „Wir Autoren sind ja oft ein bisschen misanthropisch“, bestätigt Catrine Bauer augenzwinkernd. Die in Backnang aufgewachsene Autorin („Winters Spuren“, CW Niemeyer) aus Rottenburg am Neckar arbeitet gerade am Manuskript des zweiten Teils ihrer Winter-Krimireihe, der im kommenden Frühjahr erscheinen soll. Für einen Besuch der Buchmesse hat die junge Mutter und hauptberufliche Lehrerin auch deshalb aktuell weder Zeit noch Muße. „Ich hatte den ganzen Sommer über Lesungen und bin froh, dass ich jetzt mal etwas Pause habe.“

Catrine Bauer arbeitet gerade an ihrem zweiten Krimi und hat deshalb keine Zeit für Messebesuche. Foto: Andreas Koch

© Andreas Koch

Catrine Bauer arbeitet gerade an ihrem zweiten Krimi und hat deshalb keine Zeit für Messebesuche. Foto: Andreas Koch

Tatsächlich wäre es die erste Frankfurter Buchmesse für die gebürtige Waiblingerin und auch wenn die pragmatischen Gegenargumente in diesem Jahr überwiegen, kann sie sich einen Besuch zukünftig vorstellen: „Es wäre sicher cool, dort Autoren einmal persönlich zu treffen, die man bereits aus dem Netz kennt, oder auch um sich inspirieren zu lassen und zu schauen, was die Konkurrenz so macht.“ Vorerst nimmt sie allerdings die sogenannte erste Stuttgarter Buchmesse ins Visier, die am 9. März kommenden Jahres sicherlich in deutlich kleinerem Rahmen in der Schwabenlandhalle in Fellbach stattfinden soll (siehe Infobox).

Die Kommerzialisierung hat zugenommen

Langjährige Messeerfahrung hat hingegen der Backnanger Klaus Wanninger, Autor der Schwaben-Krimis, die beim Verlag KBV erscheinen. Seine erste Messe habe er vor ungefähr 30 Jahren besucht, zuletzt sei er vor der Pandemie vor Ort gewesen. In diesem Jahr will er sich die Reise jedoch ersparen. „Ich veröffentliche jetzt seit 44 Jahren Bücher und verstehe es als Privileg zunehmender Lebenserfahrung, nicht in den Messehallen anwesend sein zu müssen“, sagt der gebürtige Karlsruher in aller Deutlichkeit. Es sind nicht allein die Besuchermassen und die Luft in den Messehallen, die ihn abschrecken, sondern auch das fortschreitende Maß an Kommerzialisierung, das er im Lauf der Jahre dort beobachtet hat. „Die Vielfalt hat abgenommen“, stellt Wanninger fest. „Die Großverlage und die großen Namen dominieren immer mehr. Die kleinen Stände, die den Reiz immer ausgemacht haben, können sich den Messestand nicht mehr leisten und wandern vielleicht auch ins Internet ab.“ Die Anwesenheit von Stars und Sternchen, die mitunter ihre Bücher nicht einmal selbst geschrieben haben, erscheint ihm hingegen eher peinlich als reizvoll. Die Messe habe für ihn so sehr an Originalität und Charme verloren, dass er sie selbst aus der Ferne nur oberflächlich verfolge. Sein Rat: „Lieber einen Mittag in der heimischen Buchhandlung verbringen als dort auf den Mainstream abzugehen.“

Klaus Wanninger mag den Trubel auf der Messe nicht. Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Klaus Wanninger mag den Trubel auf der Messe nicht. Foto: Alexander Becher

Natürlich habe er in der Vergangenheit aber auch Positives in Frankfurt erlebt. „Man trifft Leute, denen man sonst niemals begegnen würde, und für Entdeckungstouren ist es ideal.“ Wie ein Messeerlebnis ausfalle, hänge generell stark von den Umständen ab. So meidet der Schriftsteller grundsätzlich die Besuchertage am Wochenende, an denen der größte Andrang herrscht. „Wenn man außerdem hauptsächlich dort ist, weil man ein aktuelles Buch im Programm hat, hält man sich sehr viel am Verlagsstand auf und bekommt von der Messe an sich gar nicht so viel mit.“

Auf der Messe anzutreffen ist in diesem Jahr hingegen der Leutenbacher Krimiautor Jürgen Seibold („Sherlock ist ausgeflogen“, Piper). „Seit 2011 oder 2012 bin ich eigentlich jedes Jahr dort“, verrät er. Da er mit Piper mittlerweile bei einem überregionalen Verlag veröffentlicht, ergebe die Fahrt nach Frankfurt für ihn auch Sinn. Zuvor waren Seibolds Bücher beim Silberburg-Verlag erschienen, der schwerpunktmäßig in Baden-Württemberg aktiv ist.

Jürgen Seibold ist seit 2011 oder 2012 jedes Jahr auf der Buchmesse. Foto: Stefanie de Buhr

© Stefanie de Buhr

Jürgen Seibold ist seit 2011 oder 2012 jedes Jahr auf der Buchmesse. Foto: Stefanie de Buhr

Der Messeaufenthalt ist bei ihm irgendwo zwischen Privatvergnügen, Kollegentreff, Terminen und Recherche angesiedelt. „Zum einen sind dort alle versammelt, sodass man sich gut mit der Lektorin, der Agentur und Verlagen treffen kann, anstatt überall einzeln hinzufahren“, erklärt er. Außerdem schaue er sich vor Ort gerne neue Formate an, etwa welche Entwicklungen es im Spielebereich gebe. „Auf der Messe bekommt man sämtliche Infos noch schneller und umfassender.“ Auch die Veranstaltungen seien für ihn oftmals interessant. „Ich erinnere mich da etwa an einen Vortrag von Sebastian Fitzek über das Thema Selfpublishing, obwohl er ja alles andere als ein Selfpublisher ist. Der war aber wirklich klasse.“ Ansonsten hat sich Seibold einige Anlaufstellen ausgeguckt, etwa den Stand der Vereinigung der Krimiautorinnen und -autoren „Das Syndikat“, und wird sich ansonsten gerne treiben lassen.

„Ich war in meinem Leben zweimal auf der Buchmesse und möchte die Erfahrungen nicht missen, aber noch einmal werde ich wahrscheinlich nicht hingehen, es ist mir einfach zu viel Trubel“, sagt hingegen auch die in Murrhardt lebende Autorin von historischen Romanen Astrid Fritz („Die Magd des Medicus“, Rowohlt). Bei ihrem ersten Besuch in den 90er-Jahren gelang ihr sogar das Kunststück, auf der Messe einen Verlag für ihr Manuskript „Unbekanntes Freiburg“ zu interessieren – das Ziel vieler unveröffentlichter Autorinnen und Autoren, das aber in der Regel unerfüllt bleibt.

Astrid Fritz war erst zweimal auf der Messe. Foto: Stefan Bossow

© Stefan Bossow

Astrid Fritz war erst zweimal auf der Messe. Foto: Stefan Bossow

Als Rowohlt-Autorin erlebte sie in den frühen 2000er-Jahren die Messe ein zweites Mal, nun als etablierte Verlagsautorin. „Ich habe die Atmosphäre genossen, bloß die Lautstärke und der Trubel haben mich echt erschlagen.“ Interesse an dem Literaturevent hat sie aber nach wie vor: „Ich lese jeden Artikel und schaue mir im Fernsehen auch gerne Beiträge dazu an.“

Besuch der Buchmesse Ab heute Nachmittag (14 Uhr) bis einschließlich Sonntag ist die Frankfurter Buchmesse nicht nur für Fachbesucher, sondern auch für die interessierte Öffentlichkeit zugänglich. Das Nachmittagsticket für den heutigen Freitag kostet 20 Euro, die Tagestickets am Wochenende kosten 25 Euro. Sie können online unter www.buchmesse.de oder vor Ort an der Kasse (nur Kartenzahlung) gekauft werden.
Buchausstellungen in der schwäbischen Landeshauptstadt

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Erstellt:
20. Oktober 2023, 16:00 Uhr

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