Neu im Kino: „Zwei zu Eins“
Goldgräberstimmung auf der Mülldeponie
Geld ist nicht nur zum Bezahlen da, es prägt auch wirtschaftliche Identitäten. Was passiert, wenn es wertlos wird, schildert Natja Brunckhorst in der Ostalgie-Komödie „Zwei zu Eins“ mit Sandra Hüller und Ronald Zehrfeld, die nun ins Kino kommt.
Von Kathrin Horster
Es gibt zwei mögliche Gründe für Menschen, ihr Geld buchstäblich aus dem Fenster zu werfen. Entweder, man ist derartig überreich, dass das obszöne Verpulvern finanzieller Mittel gar nicht weiter auffällt; oder aber das Geld ist schlicht einfach nichts mehr wert.
Die Deutschen erlebten solch einen rasanten Werteverfall ihrer Währung etwa nach dem ersten Weltkrieg, als auf der Höhe der Inflation ein Brot 840 Milliarden Mark kostete. Eine befremdliche Vorstellung aber, dass Geld in Deutschland sogar einmal auf einer unterirdischen Mülldeponie entsorgt werden würde, so geschehen im Zuge der Wiedervereinigung. Etwa 400 Tonnen an Ost-Mark-Scheinen wurden um 1990 in einem Stollen nahe Halberstadt zum Verrotten abgeladen. In den 2000er Jahren bereicherten sich Diebe am einstigen DDR-Vermögen, weshalb der Rest schließlich verbrannt wurde.
Liebeserklärung an DDR-Bürger
Um diese skurrile Fußnote deutsch-deutscher Geschichte hat die Schauspielerin und Filmemacherin Natja Brunckhorst ihre fiktive, ostalgisch gestimmte Komödie „Zwei zu Eins“ gesponnen, über eine Gruppe gewitzter Halberstädter, die im Sommer 1990 aus dem Verlust der eigenen wirtschaftlichen Identität Reibach zu schlagen versuchen.
Im Zentrum steht das schon in Kindheitstagen zusammen geschweißte Dreiergespann Maren (Sandra Hüller), Robert (Max Riemelt) und Volker (Ronald Zehrfeld), das sich jedoch durch Volkers Republikflucht wenige Jahre vor der Wende von einander entfremdet hat. Als Volker im Sommer 1990 plötzlich in Marens Vorgarten steht, kann die sich so gar nicht über dessen Rückkehr freuen. Inzwischen lebt Maren mit Robert zusammen, der die gemeinsame Tochter von Volker und Maren als Ersatzvater erzieht.
Die Stimmung zwischen jenen, die bis zum bitteren Ende der DDR im Osten ausharrten und jenen, die, wie es damals hieß, „rüber gemacht“ hatten, war nicht die beste, erzählt Brunckhorst anhand dieser Menage à trois. Doch die Trübsal weicht bald überschäumender Goldgräberstimmung, als die drei per Zufall auf Wagenladungen eingemotteter Ost-Mark in einem unterirdischen Bunker stoßen.
Man hätte noch mehr herausholen können
Maren will ihrer Tochter ein paar Scheine für den Kaufladen spendieren und weil das Geld nichts mehr wert sein soll, sehen die drei die Mitnahme einiger Rucksackfüllungen auch nicht als Diebstahl an. Bis herauskommt, dass DDR-Bürger ihr Ost-Barvermögen bis zu einer bestimmten Grenze und Frist im titelgebenden Verhältnis „Zwei zu Eins“ in D-Mark umtauschen können. Also stacheln Maren, Robert und Volker die Nachbarn an, West-Vertretern deren Waren gegen möglichst viel Ost-Mark abzukaufen, um diese gewinnbringend gegen D-Mark weiter zu verhökern. So lustig der Plot auch klingt, man hätte aus der Geschichte mehr herausholen, oder sie auch aus einem anderen Blickwinkel betrachten können.
„Zwei zu Eins“ schildert die ökonomische Abwicklung der DDR melancholisch aus Sicht derjenigen, die mit dem Fall der Mauer nicht nur einen autoritären Staat, sondern auch die eigene bisherige Biografie hinter sich lassen mussten. Deshalb wirkt die Komödie wie eine unverhohlene Liebeserklärung an DDR-Bürger, die sich erst über neu gewonnene Freiheiten freuten, bald aber von gierigen Wessi-Kapitalisten übers Ohr gehauen und ihrer wirtschaftlichen Souveränität beraubt wurden; so funktioniert auch ein in den unmittelbaren Nachwende-Jahren geprägtes Narrativ über diese Zeit, das bis heute Ost und West spaltet.
Wenn im Film West-Vertreter mit billigen Kochtopfsets vor Marens Wohnungstür Schlange stehen, um das Zeug zu völlig überhöhten Preisen an die scheinbar ahnungslose Ost-Hausfrau zu bringen, inszeniert Natja Brunckhorst es als späte Genugtuung, dass Maren zusammen mit der auf Solidarität geeichten Hausgemeinschaft ein verblüffend ausgebufftes System entwickelt, um ihrerseits die Wessis übers Ohr zu hauen.
Es wäre Zeit, die Klischees hinter sich zu lassen
Zornig oder gar böse ist Natja Brunkhorsts Blick auf diese Zeit zwar nicht - was der zahmen Erzählung allerdings durchaus gut getan hätte -, der Film reproduziert dafür aber eingeschliffene Klischees, anstatt die für beide Seiten herausfordernde Übergangsphase mutiger und reflektierter zu betrachten. Der tumb gewinnorientierte, stilecht im Daimler vorfahrende Vertreter-Wessi kommt in „Zwei zu Eins“ selbstverständlich schlechter weg als Marens patente Plattenbau-Hausgenossenschaft, die einerseits schnell begriffen hat, wie der Kapitalismus funktioniert, sich andererseits aber die positiven Ideale eines so nie real existenten Märchen-Sozialismus bewahrt hat.
Über Natja Brunckhorsts oberflächlich harmlose Perspektive kann man zwar schmunzeln, allmählich wäre es aber an der Zeit, auch im Kino allzu schlichtes Ossi-Wessi-Denken auf der Mülldeponie der Geschichte zu entsorgen.
Zwei zu Eins. Deutschland 2024. Regie: Natja Brunckhorst. Mit Sandra Hüller, Max Riemelt, Ronald Zehrfeld. 116 Minuten. Ab 6 Jahren, Start: 25. Juli 2024.
DDR im Kino
VergangenheitNach der Wende beginnt auch im Kino die Aufarbeitung deutsch-deutscher Vergangenheit – entweder in Form harmloser Komödien oder düsterer Geschichtsdramen.
Berühmt Leander Haußmanns Komödie „Sonnenallee“ (1999) über DDR-Teenager, aber auch Wolfgang Beckers „Good Bye, Lenin!“ (2003) über eine Komapatientin, die den Mauerfall verpasst. Florian Henckel von Donnersmarcks Oscar-prämierter Polit-Thriller „Das Leben der Anderen“ (2006) oder Franziska Stünkels „Nahschuss“ (2021) schildern Repression und Terror.
Die Regisseurin Als 13-Jährige gab die in West-Berlin geborene Natja Brunckhorst ihr Schauspiel-Debüt in Uli Edels „Christiane F – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“. 2022 kam Brunckhorsts erste Regiearbeit „Alles in bester Ordnung“ mit Corinna Harfouch und Joachim Król in die Kinos.