Gruschtelkammer-Abschied: das Ende einer Kleinkunstära
Nach 33 Jahren verabschiedet sich die Auenwalder Gruschtelkammer morgen Abend mit einer großen Abschiedsgala von ihrem Publikum. Für Kleinkunstbühnenchef Charley Graf endet damit „ein irrsinnig wichtiger Teil“ seines Lebens. Wir werfen einen Blick zurück auf die Anfänge der in der Szene deutschlandweit bekannten Kulturstätte.
Von Melanie Maier
Auenwald. Die Gruschtelkammer ist eine Institution – nicht nur in Auenwald und auch nicht nur im Rems-Murr-Kreis, sondern deutschlandweit. Viele Comedy-Stars sind bereits in der Sängerhalle in Oberbrüden aufgetreten. Doch wie hat das mit der Gruschtelkammer eigentlich angefangen im Jahr 1991? Wann wurde der Förderverein Kleinkunstbühne gegründet und welche Höhepunkte gab es in den 33 Jahren des Bestehens der Kleinkunstbühne? Wir haben mit Charley Graf, dem Chef der Gruschtelkammer, gesprochen.
Der Initiator
Karl-Heinz Graf, der von allen nur Charley genannt wird, ist das Gesicht der Gruschtelkammer. Hauptberuflich ist der Moderator, Organisator und erste Vorsitzender des Fördervereins Kleinkunstbühne allerdings Unternehmer. Seine Werbeagentur leitet heute seine Tochter Melanie Graf. Die Gruschtelkammer war für ihn aber nie bloß ein Nebenprojekt. Von Beginn an investierte er viel Zeit und Herzblut in die Kleinkunstbühne. Für Charley Graf war stets klar, dass er die großen Stars nach Auenwald holen wollte. „Anfangs haben das manche als Hirngespinst abgetan“, erinnert er sich schmunzelnd. Die ersten Jahre musste er auch viele Anrufe tätigen und Überzeugungsarbeit leisten. „Ab 2005 habe ich dann eigentlich überhaupt niemanden mehr angerufen. Die Leute haben sich alle bei mir gemeldet, weil sie in der Gruschtelkammer auftreten wollten. Die familiäre Atmosphäre hat ihnen total gefallen“, berichtet Graf nicht ohne Stolz. Dass diese Ära nun für ihn zu Ende geht, findet er sehr schade. „Die Gruschtelkammer war ein irrsinnig wichtiger Teil meines Lebens.“ Diesen hätte er, wie er betont, ohne seine Frau Petra Graf, die sich um den Vorverkauf und viel Organisatorisches kümmerte, und Finanzchef Paul Wandel niemals stemmen können.
Die Anfänge
„Kleinkunst hat mich schon immer fasziniert“, sagt Charley Graf. Angefangen hat für ihn alles mit einem Auftritt von Kabarettist Matthias Richling „vor gefühlt 150 Jahren“. Als er 1987 nach Auenwald kam, beschloss er, in seinem neuen Wohnort eine Kleinkunstbühne zu gründen, mit Platz für Kabarett, Musik und Comedy. Unterstützung erhielt er von Peter Friedrich, dem Freund eines Freundes, der 1989 Auenwalds Bürgermeister wurde. „Ich konnte ihn für die Sache begeistern“, erzählt Graf. „Friedrich war sozusagen der Geburtshelfer der Gruschtelkammer.“ Von SWR-Redakteur und Kabarettist Lothar Hasl erhielt Charley Graf einen Zettel mit den Namen und Telefonnummern von Kabarettistinnen und Kabarettisten. „Die habe ich alle abtelefoniert“, erinnert sich der Kleinkunstbühnenchef. Mit Erfolg: Am 21. März 1991 stand als erste Künstlerin Pe Werner auf der Gruschtelkammer-Bühne, die eine Woche zuvor noch mit ihrem Song „Kribbeln im Bauch“ in der ZDF-Hitparade zu sehen gewesen war – ein überwältigender Erfolg. „Von da an war alles gut.“
33 Jahre Gruschtelkammer
Mit einer großen Abschiedsgala sagt die Gruschtelkammer am Samstag ihrem Publikum Ade. Unsere Bildergalerie bietet einen Einblick in die Vergangenheit der Kleinkunstbühne.
Der Verein
Am 22. November 1990 trafen sich im Gasthaus Sonne in Unterbrüden mehrere Kleinkunstbegeisterte, um die Gründung des Fördervereins Kleinkunstbühne vorzubereiten. Die Gründungsversammlung fand am 28. Januar 1991 – ebenfalls in der Sonne – statt. Fast 30 Interessierte erschienen. „So viel Zuspruch hätte ich nie erwartet“, sagt Charley Graf, der nicht nur Initiator der Gruschtelkammer, sondern auch der erste Vorsitzende des Fördervereins ist. Der Name Gruschtelkammer war schnell gefunden. 1996 wurde zudem eine Theatergruppe gegründet, die am 9. Mai 1998 ihre Premiere feierte. Mittlerweile umfasst der Verein rund 120 Mitglieder. Eigentlich könne man diese aber doppelt zählen, so Graf, da viele Ehepaare eine gemeinsame Mitgliedschaft haben. Von ihnen haben ungefähr 80 ein Abonnement abgeschlossen – auch dadurch waren die meisten Veranstaltungen in der 200 Plätze umfassenden Sängerhalle ausgebucht. Im Frühjahr soll der Förderverein Kleinkunstbühne bei einer Mitgliederversammlung aufgelöst werden.
Die Bühne
Die ersten drei Veranstaltungen der Gruschtelkammer fanden im Rößle in Oberbrüden statt. Da der Saal für die große Nachfrage jedoch zu klein war und es Uneinigkeiten mit dem Pächter gab, schaute sich der Förderverein Kleinkunstbühne alsbald nach einer neuen Aufführungsstätte um. Zusammen mit der zweiten Vorsitzenden Christel Pabst machte sich Charley Graf in Auenwald auf die Suche. Erwin Schäfer, dem damaligen Vorstand des Gesangsvereins Sängerlust Oberbrüden, sei es zu verdanken, dass die Gruschtelkammer in der Sängerhalle eine neue Heimat fand, erzählt Graf. „Die Sängerhalle“, führt er aus, „war eine Kleinkunstbühne wie man sich’s nur vorstellen kann. Das hat perfekt gepasst.“ 2019 erhielt der Verein Kleinkunstbühne allerdings die Hiobsbotschaft: Die Sängerhalle muss abgerissen werden. Diese Nachricht besiegelte auch das Ende der Gruschtelkammer. „Wir haben keine andere adäquate Location gefunden“, berichtet Charley Graf. Das Überleben der Kleinkunstbühne ist aus seiner Sicht letztlich am Auenwalder Gemeinderat gescheitert. Das Gremium lehnte den Einbau einer Bühne in die neue Mehrzweckhalle in Hohnweiler wegen der Mehrkosten in Höhe von 60.000 bis 80.000 Euro ab.
Die Höhepunkte
In den mittlerweile 33 Jahren ihres Bestehens durfte die Gruschtelkammer viele Kabarett-Größen begrüßen, darunter Lisa Fitz, Otfried Fischer, Georg Schramm, Ingo Appelt, Django Asül, Lizzy Aumeier und Wolle Kriwanek. Zu den Stammgästen zählten unter anderem der in Backnang aufgewachsene Kabarettist Thomas Freitag, Christoph Sonntag, Heinrich del Core und Richard Rogler. „Sie haben jedes ihrer Programme bei uns gespielt“, sagt Charley Graf. Sängerin Pe Werner ist für ihn der Inbegriff der Gruschtelkammer, „weil sie als Erste auf der Bühne stand.“ Besonders stolz ist Graf darauf, dass er Christoph Sieber früh nach Auenwald holte. „Als blutjunger Kabarettist hat er bei uns zum ersten Mal vor einer ausverkauften Halle gespielt. Davor ist er immer nur vor so 10, 15 Leuten aufgetreten.“ Einzelne Höhepunkte möchte der Kleinkunstbühnenchef aber nicht aufführen: „Es wären zu viele.“ Doch auch Reinfälle gab es. „Es waren glücklicherweise nur sehr wenige, aber die werde ich nicht vergessen.“ Nachdem er einmal brilliert hatte, war der zweite Auftritt des hessischen Kabarettisten Martin „Maddin“ Schneider in der Gruschtelkammer „ein Flop sondergleichen“, berichtet Graf. „In der ersten Hälfte gab es keinen einzigen Lacher. In der Pause ist ein Drittel der Leute gegangen.“ Die schlimmste Veranstaltung sei aber der Auftritt der Sängerin und Schauspielerin Katja Ebstein gewesen. „Sie hat auf der Bühne einen Scheiß gemacht, das kann man sich gar nicht vorstellen“, sagt Graf – wie immer schonungslos direkt.
Die Abschiedsgala
Morgen Abend von 19 Uhr an findet die große Abschiedsgala der Gruschtelkammer vor rund 750 Zuschauerinnen und Zuschauern in der Auenwaldhalle in Unterbrüden statt. Charley Graf moderiert wie gewohnt. Es treten auf: Ernst Mantel, Lizzy Aumeier, Rolf Miller, Heinrich del Core, Monty Bürkle, Bernd Kohlhepp als Herr Hämmerle, Michael Altinger, die Band Three Kiwis – One Banana und Pe Werner zusammen mit Peter Grabinger am Piano. Karten gibt es keine mehr. Bereits drei Stunden nach Vorverkaufsbeginn waren die Tickets für die Veranstaltung restlos ausverkauft.