Architektur Buchtipp

Häuser für die Zukunft von Architekten aus Stuttgart und anderswo

Häuser aus Altmaterial, Dachaufbauten aus Holz, Kindergärten aus experimentellem Baustoff – ein Bildband zeigt, wie originell und ökologisch Studierende und Architekten in Stuttgart und anderswo entwerfen und bauen.

Aus nachwachsenden Materialien geschaffen – das vielfach ausgezeichnete Mehrfamilienhaus vom Stuttgarter Architekturbüro Kaiser Shen.

© Brigida González

Aus nachwachsenden Materialien geschaffen – das vielfach ausgezeichnete Mehrfamilienhaus vom Stuttgarter Architekturbüro Kaiser Shen.

Von Nicole Golombek

Energie gewinnen, indem man das Wehen des Windes verwendet. Das ist eine so poetische wie in der Realität ja längst angewendete Technik – ganz ohne radioaktive Brennstoffe, die irgendwann irgendwo entsorgt werden müssen. Doch auch Windräder halten nicht ewig. Das Team von Rethink*rotor, bestehend aus OX2architekten aus Aachen und dem Fachbereich Architektur an der Hochschule Darmstadt denkt darüber nach, wie Abfallprodukte aus der Wind-Energiebranche weiter verwendet werden könnten.

Alte Rotorblätter beispielsweise werden bisher nur teuer und durch „umweltschädliche Verfahren“ auseinandergeschnitten und recycelt. Besser wäre es, die riesigen Rotorblätter anderweitig einzusetzen, als Lärmschutzwände etwa oder als schwimmende Inseln.

Derlei Überraschendes, Erhellendes ist in dem im Stuttgarter Verlag AV Edition erschienenen Buch „Sustainable“ (nachhaltig) zu entdecken. Das Werk versammelt Beispiele zukunftsfähiger Entwürfe und Bauweisen aus den Bereichen Architektur und Design. Städtebauideen wie der Rahmenplan Stuttgart Rosenstein von asp Architekten und Koeber Landschaftsarchitektur sind darunter.

Ein Wohndach aus Recyclingmaterial

Forschungsprojekte werden präsentiert, etwa zur Mikro-Klimaverbesserung mit Hilfe von Leichtbaustrukturen, wie sie an der Staatlichen Kunstakademie in Stuttgart erprobt werden, auch innovative Konstruktionen aus Naturfasern (erforscht von Universitäten in Stuttgart und Kopenhagen). Es finden sich auch Studierenden-Projekte, die so weit gediehen sind, dass man ihnen gleich eine serielle Fertigung im großen Stil wünscht. Etwa dem preisgekrönten RoofKIT, entstanden am Institut für Technologie KIT der Technischen Hochschule in Karlsruhe. Es handelt sich um ein größtenteils aus gebrauchten Baustoffen entstandenes Modul, das sich zur Aufstockung von Gebäuden und damit zur Schaffung von Wohnraum eignet.

Gebautes findet sich im Buch ebenfalls. Umbauprojekte wie der vielfach prämierte Kulturbahnhof in Aalen von a+r Architekten aus Stuttgart, die Sanierung (und der Neubau als Holzhybridbau) des Hölderlin Hauses in Nürtingen von Aldinger Architekten aus Stuttgart. Neubauten wie ein Kindergarten aus wärmedämmendem Infraleichtbeton von sbp / schlaich bergermann partner aus Berlin werden in Text und Bildern vorgestellt sowie Cradle-to-Cradle-Bauten wie die Feuerwehr in Straubenhardt von Wulf Architekten aus Stuttgart. Das Gebäude wurde ressourcenschonend so gebaut, dass die Bauteile auseinanderbaubar und anderweitig verwertbar sind.

Von Behnisch Architekten ist der Science and Engineering Complex der Harvard Universität in den USA mit seiner innovativen Fassade mit optimiertem Lüftungsbedarf mit von der Partie. Denn nicht nur im Bau, auch im Verbrauch sind Gebäude CO2-intensiv. Bei diesem Gebäude indes werden CO2-Emissionen „voraussichtlich um bis zu 50 Prozent geringer ausfallen als die eines Vergleichsgebäudes.“

Eine von bez+kock Architekten aus Stuttgart geplante Schule in Rinteln (Nordrhein-Westfalen) wiederum ist mit einer Fassade aus Lärchenholz aus dem Forstbetrieb des Bauherrn geschlagen, das verringert auch Transportwege beim Bauen. Mit einem Holzbau (dem Logl Bildungszentrum in Weil der Stadt) und einem Umbau (die Alte Kelter in Kirchheim am Neckar) sind die Stuttgarter Lohrmann Architekten doppelt vertreten. Atelier Kaiser Shen aus Stuttgart ist mit dem mit Strohballen gedämmten Mehrfamilienhaus nahe Heilbronn mit dabei.

Kauffmann Theilig & Partner aus Ostfildern haben für Chemoform in Wendlingen am Neckar eine Lagerhalle abgebaut und „das gesamte Abbruchmaterial wurde sorgsam getrennt und sortiert, wovon ein Teil zerkleinert und als Tragschicht unterhalb der Bodenplatte wiedereingebaut wurde.“ Blocher Partner aus Stuttgart haben ein innenarchitektonisches Projekt für einen Laden mit Restaurant in Kaprun in Österreich geplant und ausschließlich sortenreine und recycelte Materialien verwendet, die wieder demontierbar sind.

So geht es mit architektonisch beeindruckenden Beispielen aus der ganzen Welt von Berlin bis Sansibar fort und fort. Ein Buch, das zeigt, wie Entwerfen und Bauen doch noch zukunftsfähig gelingen kann. Machen muss man es halt.

Info

Buch Andrea Herold, Tina Kammer: Sustainable. Architecture & Design 2023/2024. Texte auf Deutsch und Englisch. Verlag AV-Edition. 248 Seiten, 250 Fotos und Pläne, 59 Euro.

Das  Haus in einem Dorf bei Heilfbronn überzeugt mit Strohballendämmung, es ist auch ein gutes Beispiel für Nachverdichtung auf dem Land.

© Brigida González/Atelier Kaiser Shen

Das Haus in einem Dorf bei Heilfbronn überzeugt mit Strohballendämmung, es ist auch ein gutes Beispiel für Nachverdichtung auf dem Land.

In n dem Buch „Sustainable“ aufgenommen worden ist das Haus von Atelier Kaiser Shen auch wegen der flexibel änderbaren Wohnungsgrundrisse. Sie ermöglichen eine leicht veränderbare Umnutzung.

© Brigida González/Atelier Kaiser Shen

In n dem Buch „Sustainable“ aufgenommen worden ist das Haus von Atelier Kaiser Shen auch wegen der flexibel änderbaren Wohnungsgrundrisse. Sie ermöglichen eine leicht veränderbare Umnutzung.

RoofKIT-Dachaufbau. Gestaltet wurde das Aufbau-Wohnmodul in Karlsruhe. Der Beitrag zum Wettbewerb Solar Decathlon Europe 2021/2022 wurde als Aufstockung eines bestehenden Gebäudes konzipiert. Die vorgefertigten Modulsysteme sind in kreislauffähiger Bauweise entwickelt. Ein Modul steht in Wuppertal . . .

© Zooey Braun/KIT Karlsruhe

RoofKIT-Dachaufbau. Gestaltet wurde das Aufbau-Wohnmodul in Karlsruhe. Der Beitrag zum Wettbewerb Solar Decathlon Europe 2021/2022 wurde als Aufstockung eines bestehenden Gebäudes konzipiert. Die vorgefertigten Modulsysteme sind in kreislauffähiger Bauweise entwickelt. Ein Modul steht in Wuppertal . . .

. . . und eines in Karlsruhe. Die Holzkonstruktion besteht zu 90 Prozent aus Altholz und komplett aus Monomaterial, also kommen weder Verbundstoffe noch Materialmischung, Klebstoffe, Imprägnierungen, Farben Schäume oder Nassabdichtungen . . .

© KIT Karlsruhe

. . . und eines in Karlsruhe. Die Holzkonstruktion besteht zu 90 Prozent aus Altholz und komplett aus Monomaterial, also kommen weder Verbundstoffe noch Materialmischung, Klebstoffe, Imprägnierungen, Farben Schäume oder Nassabdichtungen . . .

. . . zum Einsatz. Mittels digitaler Fertigungsverfahren wurden reversible Verbindungssysteme gefräst. Alles ist also wieder auseinander- und wiederverwendbar.

© KIT Karlsruhe

. . . zum Einsatz. Mittels digitaler Fertigungsverfahren wurden reversible Verbindungssysteme gefräst. Alles ist also wieder auseinander- und wiederverwendbar.

Verwendet wurden biologische Rohstoffe wie Filz, Seegras, Myzelium und Lehm, das sorgt auch für gesunde Innenraumluft.

© KIT Karlsruhe

Verwendet wurden biologische Rohstoffe wie Filz, Seegras, Myzelium und Lehm, das sorgt auch für gesunde Innenraumluft.

Der Gesamtenergiebedarf wird durch eine Solaranlage gedeckt. In das zu 100 Prozent aus recycelten Kupfermaterial bestehende Dach werden PVT-Kollektoren integriert, die Strom und Wärme über eine Wärmepumpe bereitstellen.

© KIT Karlsruhe

Der Gesamtenergiebedarf wird durch eine Solaranlage gedeckt. In das zu 100 Prozent aus recycelten Kupfermaterial bestehende Dach werden PVT-Kollektoren integriert, die Strom und Wärme über eine Wärmepumpe bereitstellen.

Von Behnisch Architekten aus Stuttgart  ist der „Science and Engineering Complex“ der Harvard Universität aus den USA mit seiner innovativen Fassade mit optimiertem Lüftungsbedarf mit von der Partie.

© Igor Dantas/Behnisch Architekten

Von Behnisch Architekten aus Stuttgart ist der „Science and Engineering Complex“ der Harvard Universität aus den USA mit seiner innovativen Fassade mit optimiertem Lüftungsbedarf mit von der Partie.

Mit einem Holzbau, dem Logl Bildungszentrum in Weil der Stadt, der auch schon den Holzbaupreis   Baden-Württemberg erhalten hat, sind  die Stuttgarter Lohrmannarchitekten doppelt vertreten.

© Lohrmann Architekten/Volker Schrank

Mit einem Holzbau, dem Logl Bildungszentrum in Weil der Stadt, der auch schon den Holzbaupreis Baden-Württemberg erhalten hat, sind die Stuttgarter Lohrmannarchitekten doppelt vertreten.

Als vorbildliches Sanierungsprojekt wurde der mit vielen Auszeichnungen schon geehrte Kulturbahnhof Aalen, umgebaut von A+R Architekten aus Stuttgart, ausgewählt in dem Buch.

© Brigida González/A+R Architekten

Als vorbildliches Sanierungsprojekt wurde der mit vielen Auszeichnungen schon geehrte Kulturbahnhof Aalen, umgebaut von A+R Architekten aus Stuttgart, ausgewählt in dem Buch.

Die oben genannten und einige weitere Projekte aus Baden-Württemberg – aber auch aus anderen Teilen der Welt – sind in dem Buch „Sustainable“, erschienen im AV Verlag, in  Text und Bild ausführlich vorgestellt.

© Verlag AV Edition

Die oben genannten und einige weitere Projekte aus Baden-Württemberg – aber auch aus anderen Teilen der Welt – sind in dem Buch „Sustainable“, erschienen im AV Verlag, in Text und Bild ausführlich vorgestellt.

Blick ins Buch: Im Rahmen der Architekturbiennale Venedig 2023 wurde der Marinaressa Coral Tree aufgestellt. Dank digitaler Entwurfs- und Fertigungstechnologien konnte demonstriert werden, wie Materialeinsatz optimiert werden kann. Ein filigranes Gitter – Volumen und Gewicht verringert sich im Vergleich zum massiven Bauwerk um 60 Prozent.

© Verlag AV Edition

Blick ins Buch: Im Rahmen der Architekturbiennale Venedig 2023 wurde der Marinaressa Coral Tree aufgestellt. Dank digitaler Entwurfs- und Fertigungstechnologien konnte demonstriert werden, wie Materialeinsatz optimiert werden kann. Ein filigranes Gitter – Volumen und Gewicht verringert sich im Vergleich zum massiven Bauwerk um 60 Prozent.

Das nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip entworfene Feuerwehrhaus in Straubenhardt durch Wulf Architekten ist selbstredend mit vertreten.

© Verlag AV Edition

Das nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip entworfene Feuerwehrhaus in Straubenhardt durch Wulf Architekten ist selbstredend mit vertreten.

Überzeugende Architektur-Beispiele auch aus den Niederlanden finden sich im Buch.

© AV Edition

Überzeugende Architektur-Beispiele auch aus den Niederlanden finden sich im Buch.

Innovative Baumaterialien sind im Buch ebenfalls aufgenommen worden.

© AV Edition

Innovative Baumaterialien sind im Buch ebenfalls aufgenommen worden.

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Erstellt:
16. September 2024, 19:12 Uhr

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