Künstliche Intelligenz mischt Musikbranche auf

KI-Song landet erstmals in den deutschen Charts

Der Song „Verknallt in einen Talahon“ schreibt Musikgeschichte. Als erster mit künstlicher Intelligenz generierte Song landet er in den Charts. Dabei ist er vielen gleich aus zwei Gründen ein Dorn im Auge.

Durch das einfache Erstellen künstlicher Songs landen immer mehr davon auf Musikstreamingdiensten.

© IMAGO/Michael Bihlmayer

Durch das einfache Erstellen künstlicher Songs landen immer mehr davon auf Musikstreamingdiensten.

Von Isabelle Vees

Was zunächst an die Musik der 60er Jahre erinnert, enttarnt sich spätestens nach den ersten Zeilen als neumodisches Werk. Mit „Verknallt in einen Talahon“ schafft es erstmals ein mit künstlicher Intelligenz (KI) erstellter Song zwischen Stars wie Nina Chuba, Travis Scott und RAF Camora in den deutschen Charts zu landen. Doch der Song polarisiert. Nicht nur aufgrund der Tatsache, dass eine künstliche Frauenstimme die Zeilen trällert, sondern auch wegen der Worte, die sie singt.

Vom Textbefehl in die Charts

Am 9. August schaffte es der KI-Song „Verknallt in einen Talahon“ in die offiziellen deutschen Charts und landete prompt auf Platz 48. Damit erreicht der österreichische Musikproduzent „Butterbro“, bürgerlich Josua Waghubinger, das, was noch keiner vor ihm schaffte. Auf der Streamingplattform Spotify erklimmt der Song sogar die Spitze der Playlist Viral50-Germany und gehört damit aktuell zu den am meisten geteilten Liedern auf Spotify. „Ich bin richtig dankbar für diese Reise und dass wir ein Stück Musikgeschichte schreiben“, teilt „Butterbro“ seinen Followern auf seinen Accounts via TikTok und Instagram mit. Wie er selbst angibt, erstellte er den Song mit der Musikgenerator-Seite Udio. Anhand einfachen Textansagen produziert dieses generative KI-Modell Musik mit Gesang und Instrumentierung. Diese habe der in Deutschland lebende Produzent zusätzlich geschnitten und aufgebessert, gibt er auf seinem Instagram-Profil bekannt. Der Text stamme aus seiner eigenen Feder.

Das Problem mit dem Begriff „Talahon“

Der Bruch zwischen der nach 60er Jahre klingenden Musik und dem Songtext in Jugendsprache scheint beim Publikum zu fruchten. Die Frauenstimme singt von ihrer Bewunderung für einen sogenannten „Talahon“. Damit gemeint ist eine Gruppe junger Männer, mit stereotypischem Verhalten und Merkmalen. Im Text beschrieben als jemand „mit Louis-Gürtel, Gucci-Cap und Air-Max-Schuh’n“, der Schattenboxen macht und ein Messer in der Tasche trägt. Der Produzent hat mit dieser Bezeichnung ein Wort aufgegriffen, das besonders in den sozialen Medien gerade viel Aufmerksamkeit auf sich zieht und auf der Videoplattform TikTok großgeworden ist. Der Langenscheidt Verlag nahm ihn daraufhin in der Auswahl zum Jugendwort des Jahres 2024 auf. Die Bezeichnung „Talahon“ kommt vom arabischen Wort „Ta’al La’hon“, was übersetzt „Komm mal her!“ bedeutet und soll die provokante Art der angesprochenen Personengruppe unterstreichen. Bei Heranwachsenden und Spotify-Usern kommt der Song an. „Verknallt in einen Talahon“ hat hier derzeit bereits über vier Millionen Aufrufe zu verzeichnen.

Einige Kritiker empfinden die Bezeichnung als problematisch. Sie äußern sich, dass das Wort negativ konnotiert ist und die Personengruppe als gewaltbereite und sexistische Menschen darstelle. Der „Talahon“ wird auch als negativer Ausdruck für junge Menschen mit Einwanderungsgeschichte, besonders aus dem arabischen Raum, genutzt. Befürchtet wird, dass diese Bezeichnung von Menschen rechter Gesinnung zu einem Feindbild gemacht wird. So nutzt etwa die AfD Landtagsfraktion aus Baden-Württemberg dieses Hashtag unter einem TikTok-Video, in dem sie sich für mehr Abschiebungen ausspricht.

Kritik mit „Augenzwinkern“

Gegen rassistische Vorwürfe distanziert sich „Butterbro“. Er wolle mit dem Text niemanden diskriminieren, erklärt er in dem Podcast „Klangküche“, in dem er zu Gast war. All die Punkte, die er im Song aufgreife, gingen auf eigengewähltes Verhalten zurück, das viele mit Stolz repräsentieren würden. „Warum nicht mit einem Augenzwinkern, ohne zu diskriminieren, auf die Schippe zu nehmen?“, fügt er hinzu.

Für das Erfolgsrezept seines Songs hat der Produzent eine Vermutung. Neben dem Punkt, dass das Thema gerade sowieso schon viel im Internet kursiert, glaubt er, dass besonders die Kombination aus einem Thema, welches mit Vorsicht zu behandeln ist und der gleichzeitig „abstrusen Volksmusik“ den Song so beliebt macht.

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Erstellt:
21. August 2024, 21:06 Uhr
Aktualisiert:
22. August 2024, 11:28 Uhr

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