Art Basel 2024 beginnt

Millionen für Altmeister und Jungstars

Politische Debatten muss man auf der Art Basel in diesem Jahr nicht fürchten. Die wichtigste Kunstmesse der Welt, die an diesem Donnerstag beginnt, wirkt wie eine Insel der Seligen: Kunst ist hier Liebhaberei, Kapitalanlage oder einfach Profession. Ein Rundgang.

Hauptsache groß: ein von Christo verpacktes Auto vor Mario Cerolis weißen Friedensfahnen von 1968

© AFP/ Flauraud

Hauptsache groß: ein von Christo verpacktes Auto vor Mario Cerolis weißen Friedensfahnen von 1968

Von Adrienne Braun

Das nennt man Gottvertrauen. Denn würde einem der massive Felsbrocken auf den Kopf fallen, wäre der Schädel dahin. Trotzdem sitzt ständig jemand auf dem Stuhl unter dem scheinbar schwebenden Stein und lässt sich fotografieren. Für ein spannendes Bild seiner selbst darf es schon ein bisschen Risiko sein. Alicja Kwades Rechnung ist in jedem Fall aufgegangen, das Interesse an ihrer Installation „Para Position“ ist groß auf der Art Basel.

Kunstverkäufe sind rückläufig

Dabei gibt es auch in diesem Jahr wieder sehr, sehr viel zu sehen auf der wichtigsten Kunstmesse der Welt: 285 Galerien sind vertreten – und freilich haben die meisten eine stattliche Auswahl aus ihren diversen künstlerischen Positionen mitgebracht. Und da die Art Basel alles andere als eine Messe für den kleinen Geldbeutel ist, kann einem schon schwindelig werden bei der Vorstellung, wie viele Millionen in dieser Woche in den Basler Messehallen hängen.

Wenn man den Klagen der Händler glauben darf, werden sie das meiste am Sonntag wieder einpacken müssen. Laut den Recherchen für den Global Art Market Report sind die weltweiten Kunstverkäufe im vergangenen Jahr um vier Prozent zurückgegangen. Deshalb betont der Basler Messechef Noah Horowitz ein bisschen zu euphorisch, wie stark der Markt in Basel sei und wie „fresh“ die Messe, lebendig und jung.

Die Masse wagt sich vorsichtig aus ihrer Blase heraus

Vielleicht hat der kleine Dämpfer gutgetan, zumindest wagt sich die elitäre, selbstgewisse Art Basel in diesem Jahr erstmals ein wenig aus ihrer Blase heraus, in der bisher alle, die keine VIPs waren, sich nicht willkommen fühlten. Die neue Direktorin Maike Cruse hat in den vergangenen Jahren das Gallery Weekend in Berlin geleitet und deshalb weniger Berührungsängste vor einem breiteren Publikum. Damit die Art Basel nicht nur ein Event ist, bei dem reiche Asiaten, Amerikaner, Russen und andere über die Stadt herfallen, gibt es diesmal auch Ausstellungen in Läden, einer Brauerei und einer leer stehenden Shoppingmall.

Vor allem wächst vor der Messe nun ein großes Weizenfeld. Es ist eine Neuauflage eines Projekts, das die heute 93-jährige Künstlerin Agnes Denes bereits in den Achtzigern in New York realisierte. In Manhattan, einem der teuersten Flecken der Erde, baute sie Getreide an als Erinnerung an den Hunger auf der Erde. In Basel darf der Weizen nun bis zur Ernte im August wachsen – und die Basler sollen dann entscheiden, was mit dem Korn geschieht.

Viele abgesicherte Positionen

Auch die Art Unlimited, die Spielwiese für große, schwere, sperrige oder alle Dimensionen sprengende Kunst, ist diesmal wenig experimentierfreudig und setzt auf viele ältere Positionen: So wurden die Bilder, mit denen Keith Haring 1984 die New Yorker Stadtautobahn flankierte, in die Messehalle geholt – 50 Meter Strichmännchen. Auch die venezianischen Fahnen, die Jannis Kounellis vor dreißig Jahren auf der Biennale von Venedig zeigte, hängen nun in Basel.

Zwischen all den Altmeistern dann aber plötzlich doch ein wenig Frische und ein riesiges Stoffbild, das Kresiah Mukwazhi aus BH-Trägern genäht hat, um mit ironischem Augenzwinkern die Weiblichkeit zu befreien. Oder Anna Uddenbergs beunruhigende Skulpturen aus dem 3-D-Drucker – sie erinnern an Untersuchungsstühle oder Sexspielzeuge und scheinen dafür gemacht, Körper in demütigende Haltungen zu zwingen. Mit diesem Auftritt scheint die junge Schwedin den Sprung in die internationale Liga geschafft zu haben.

Die Galeristen komme aus vierzig Ländern

Auch wenn sich auf einer Kunstmesse das meiste um Verkäufe dreht, ist die Art Basel auch der Branchentreff schlechthin. Deshalb ist Roshini Vadehra schon zum dritten Mal dabei. Sie betreibt eine Galerie in Neu-Delhi und hat gleich am ersten Tag einige Fotografien von Sunil Gupta verkauft, die zwischen 15 000 und 20 000 Dollar kosten. Die Art Basel, sagt die junge Galeristin, sei die für sie die bedeutendste Messe, „hier sind alle wichtigen Kuratoren.“

Aus vierzig Ländern sind Galeristen angereist. Unter den 22 Neulingen, die das strenge Aufnahmeverfahren erfolgreich durchgestanden haben, ist die Galerie Mueller aus Basel, die allerdings keine junge Kunst dabeihat, sondern einen Schweizer Heroen: Jean Tinguely. Ob es für seine lustig ratternden Automaten derzeit einen Markt gibt? Der Preis von 300 000 Schweizer Franken für eine mehrere Meter große Maschine ist zumindest vergleichsweise günstig.

Ein Léger für 5,75 Millionen Dollar

Es gibt alles, was im Bereich Moderne und zeitgenössische Kunst Rang und Namen hat: Andy Warhol und Donald Judd, Dan Flavin und Sigmar Polke, Christo oder auch Wolfgang Laib, der auf der Unlimited gleichmäßig Reishügelchen ausgestreut hat.

Die iPod-Zeichnungen von David Hockney verkaufen sich wie geschnitten Brot, obwohl sie 100 000 Dollar aufwärts kosten. Wer bei Landau Fine Art einkauft, kann eigentlich nichts falsch machen, die Galerie aus Montreal hat „only masterworks“ im Angebot. Robert Landau ist inzwischen 85, lässt es sich aber nicht nehmen, wieder persönlich am Stand zu sitzen zwischen Werken von Matisse und de Chirico. Fernand Légers „La femme aux clés“ von 1930 wird für 5,75 Millionen Dollar angeboten. Woher es stammt? „Aus meiner Privatsammlung“, sagt der alte Herr.

Und plötzlich taucht eine Künstlerin aus Angola zwischen all den Reichen auf

Auf der Art Basel ist die Welt noch in Ordnung. Während die großen Ausstellungen in den Museen längst von den politischen Debatten eingeholt wurden, ist hier Kunst Liebhaberei, Kapitalanlage oder einfach Profession.

Nur einmal stolpert man zwischen all den Reichen und Privilegierten über ein beiläufiges Bild von Ana Silva, einer Künstlerin aus Angola. Es zeigt einen Jungen, der einem kleinen Bub hilft, Wasser aus einem Kanister zu trinken.

Art Basel: 13. bis 16. Juni, geöffnet täglich von 11 bis 19 Uhr, Tagesticket CHF 68.

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Erstellt:
12. Juni 2024, 14:32 Uhr

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