Architektur und Ökologie
Mit der Architektur das Klima retten?
Die jüngsten Architekturauszeichnungen Wüstenrot-Gestaltungspreis zum Einfamilienhaus und der DAM-Preis für Stuttgarter Architekten sind auch politisch von Bedeutung – fördern sie doch das Umbauen im Bestand und einfach ökologisches Bauen.

© Aldo Amoretti/DAM Preis 2023
Umbauen, weiter bauen statt abreißen, neu bauen: Der renommierte DAM-Preis 2023 geht an die Erweiterung des Landratsamts Starnberg von Auer Weber, Architekten mit Sitz in Stuttgart und München.
Von Nicole Golombek
Und der Gewinner ist – Stuttgart. Die Landeshauptstadt hat eine hohe Architektendichte, und es sind viele herausragende Vertreter darunter. Das zeigen auch die jüngsten Architektur-Wettbewerbe eindrücklich. Unter den Nominierten des DAM-Preises 2023 für ausgezeichnete Bauten in Deutschland kamen bemerkenswert viele aus Stuttgart und der Region.
Der Siegerentwurf von Auer Weber Architekten mit Sitz in Stuttgart und München war darüber hinaus für den Deutschen Nachhaltigkeitspreis Architektur in der Finalrunde. Den haben die aus Stuttgart stammende Architektin Almut Grüntuch-Ernst und ihre Partner Armand Grüntuch für die Sanierung eines denkmalgeschützten ehemaligen Frauengefängnisses gewonnen.
Den DAM-Preis erhalten haben Auer Weber mit dem Erweiterungsbau eines Landratsamtes in Starnberg. Gelobt wurde der Entwurf, weil der Bau energieeffizient ist und vom Publikum gern genutzt wird. Und vor allem, weil hier nicht nach wenigen Jahrzehnten ein Gebäude abgerissen, sondern saniert und erweitert wurde. Die Bauherrin ist in dem Fall die öffentliche Hand.
Architekten fordern Abrissverbote
So eine Preisverleihung ist also auch ein Wink, eine Einladung an die Politik, sich für weniger umweltschädlichere Abrisse und für nachhaltigeren Umbau im Bestand einzusetzen. Auch in Stuttgart soll ja ein noch nicht allzu lange bestehendes Großgebäude, die Schleyerhalle, der Abrissbirne zum Opfer fallen.
Pro Jahr entstehen 230 Millionen Tonnen Bau- und Abbruchabfälle in Deutschland, rechnen Umweltverbände und Vertreter von Architects for Future vor, das ist mehr als die Hälfte des gesamten deutschen Abfalls. Viele Architekten, Professoren, Stadtplaner setzen sich für ein Abrissmoratorium ein, zumindest dafür, dass ein Abriss nicht einfach vollzogen, sondern gut begründet sein will. Und dass die Bauordnung dahingehend geändert wird, dass der Umbau im Bestand gefördert, vereinfacht wird.
Nachhaltige Wohnhäuser
Dass es auch schon sehr viele Einfamilienhäuser gibt – 16 Millionen – und man vielleicht wirklich lieber diese Gebäude zukunftsfähig umgestaltet, renoviert und beim Neubau lieber nachverdichtet als Neubauviertel aus dem Boden zu stampfen, darauf verweist der Gestaltungspreis der in Ludwigsburg ansässigen Wüstenrot Stiftung, diesmal unter dem Motto „Zukunft des Einfamilienhauses?“. Viele Umbauten, Häuser mit geringen Quadratmeterzahlen, Häuser, die komplett aus altem Material hergestellt wurden, zählen zu den ausgezeichneten Projekten.
Darüber hinaus dokumentieren solche Preise für derlei gut gestaltete Bauten, dass Architektur keine Wolkenkuckucksheimerei ist, sondern den Lebensraum der Gesellschaft formt. Wie positiv sich gute Architektur auf die Lebensqualität auswirkt, zeigen Gebäude und städtebauliche Projekte, die Land wie Stadt beleben – in Stuttgart etwa die Landesbibliothek und das Hospitalhofviertel des jüngst gestorbenen Architekten Arno Lederer.

© Thomas Sixt Finckh/FINCKH ARCHITEKTEN BDA
Da war Fantasie gefragt. So sah das Reihenhaus in Stuttgart vor der Sanierung aus.

© Thomas Sixt Finckh/Finckh Architekten BDA
Die kleinen Räume im Haus in Uhlbach wurden vom Architekten Thomas Sixt Finckh geöffnet, im Erdgeschoss ist nun Küche, Ess- und Wohnbereich untergebracht. Eine Terrasse seitlich gibt den Blick frei auf die Weinberge. Das Haus wurde auch so saniert, dass das Gartengeschoss leicht in eine Einliegerwohnung umgebaut werden kann, wenn die Kinder aus dem Haus sind.

© Zooey Braun
Neuer Glanz für ein altes Wohnhaus in der Gerlinger Waldsiedlung aus den 1960er Jahren. Der Stuttgarter Architekt Thilo Holzer hat den Umbau entworfen, das Haus öffnet sich nun mit Terrasse und Treppen in Richtung Garten. Der Anbau wird aktuell von der Familie genutzt, kann aber ohne große Umbauten als Einzimmerapartment vermietet werden, wenn der Nachwuchs das Haus verlassen hat.

© Thilo Holzer
So sah das Haus in Gerlingen vor dem Umbau aus. Der Garten war abschüssig und vom Wohnzimmer aus nicht zu betreten.

© Zooey Braun
Offenes Wohngefühl im Reihenhaus in Gerlingen, wo vorher viele kleine Zimmer waren.

© Andy Wirth/PhotoART
So architektonisch anspruchsvoll und stylish kann eine Scheune sein: hohe Natursteinwände, neue Fenster und Türen, Eichendielen und Designklassiker von Eero Saarinen. Für den Umbau wurden die Architekten Sonja und Thomas Rupp Architekten von der Architektenkammer Baden-Württemberg mit dem Preis „Beispielhaftes Bauen“ ausgezeichnet.

© Andy Wirth/PhotoART
Die denkmalgeschützte Scheune in Besigheim vor dem Umbau und ...

© Andy Wirth/PhotoART
... und nach dem Umbau. Eine Lounge auf der mittleren Ebene dient als großzügiger Wohnbereich. Eine Dachluke dient den Bauherren die Bauherren Claude und Tanja Hoffmann nun als Hängematte.

© factum/Granville
Der Stuttgarter Architekt Michael Ragaller machte aus einer Doppelhaushälfte aus den 1960er Jahren in Waldenbuch ein modernes Wohnhaus.

© Zooey Braun
Blick in die Doppelhaushälfte in Waldenbuch vor der Sanierung...

© Zooey Braun
... und danach.

© Andrea Block/Christian Haas
Wohntraum im Stuttgarter Westen: Loft mit 285 Quadratmetern Wohnfläche. Vor dem Umbau ...

© Andrea Block/Christian Haas
... stand der ehemalige Kirchenraum lange Zeit leer.

© Studio 211
Gelungene Umnutzung in Zeiten knappen Wohnraums. Blick ins Loft in Esslingen am Neckar. Dass dies mal eine Kirche war, daran erinnert nur noch das kleine Podest zur Küche hin. Der preisgekrönte Umbau stammt von Studio 211 in Stuttgart.

© Studio 211
Entkernt – so sah der ehemalige Kirchenraum in Esslingen vor der Renovierung aus.

© Thilo Holzer
Ein Wohnhaus in Stuttgart aus den 1930er Jahren wurde vom Stuttgarter Architekt Thilo Holzer saniert . . .

© Thilo Holzer Architekten/Andrea Nuding
. . . und so sieht die Terrassenseite nach dem Umbau aus. Man betritt das Haus nun. . .

© Thilo Holzer Architekten/Andrea Nuding
. . . von der Straßenseite unten. Markant auch die neue Fassadenfarbe.

© Thilo Holzer
Blick in die gute Stube vor dem Bestandsumbau . . .

© Andrea Nuding
. . . und nun sind Küchen-, Ess- und Wohnbereich geöffnet; die Balken zeigen noch, wie klein die Räume einst waren.

© Dietmar Strauss/Plan Forward
Wohnen mitten in der Stadt wurde hier ermöglicht. Vorderansicht eines als Büro genutzten Gebäudes in der Stuttgarter Urbanstraße vor dem Umbau...

© Dietmar Strauss/Plan Forward
...und nach der Umgestaltung. Die Architekten von Plan Forward schufen hier 19 Wohneinheiten. Für die Umwidmung verlieh die Architektenkammer Baden-Württemberg dem Projekt eine Auszeichnung für „Beispielhaftes Bauen“.

© Dietmar Strauss/Plan Forward
So sah der Innenhof in der Urbanstraße vor der Sanierung aus: eine Betonwüste voller Parkplätze.

© Dietmar Strauss/Plan Forward
Hier entstanden drei reihenhausartige Einheiten mit Garten und Loggia im Innenhof des umgebauten Gebäudekomplexes in der Urbanstraße in Stuttgart.

© Studio Cross Scale/Sascha Bauer
Ein Mehrfamilienhaus in Stuttgart wurde umgebaut, so dass es hier nun Wohnungen statt Büros gibt. Und das Dachgeschoss wurde zu einer großen Wohnung umgestaltet, . . .

© Studio Cross Scale/Sascha Bauer
. . . die Räume können von einer Familie oder einer Wohngemeinschaft genutzt werden. Die nachhaltige Nachverdichtung durch den Stuttgarter Architekten Sascha Bauer von Studio Cross Scale wurde jüngst mit dem Preis „Wohnbauten des Jahres 2022“ ausgezeichnet.

© Joachim Grothus für Blocher Partners
Großzügiges Wohngefühl mit Blick auf den Garten: Wohnzimmer eines von Blocher Partners umgebauten Einfamilienhauses aus den 1980er Jahren.

© Privat
Die Küche vor dem Umbau, noch getrennt vom Esszimmer und . . .

© Joachim Grothus für Blocher Partners
. . . nun mit Einbauten, die Ruhe in den Raum bringen und einem interessant gemaserten Küchenblock. Küche und Esszimmer sind nun ein großer Raum. Von der Jury des Preises „Interior des Jahres“ gab es für Architektin und Innenarchitektin Anja Pangerl von Blocher Partners Stuttgart und das ganze Projekt eine Auszeichnung.