Neue Ausstellung: Backnanger Alltagswelten stehen im Fokus
Der Fotodesigner Peter Wolf wartet ab Samstag mit einer neuen Ausstellung mit Motiven aus dem alten Backnang auf. Im Kabinett des Helferhauses präsentiert er Backnanger Alltagswelten – Aufnahmen, die Einblicke in frühere Lebens- und Arbeitsverhältnisse geben.
Von Armin Fechter
Backnang. „Es ist ein ungewöhnliches Thema. Alltag ist sehr vielfältig“, erläutert Fotodesigner Peter Wolf seine neue Ausstellung „Backnanger Alltagswelten“ im Kabinett des Helferhauses. Er hatte sich lange überlegt, ob er diesen Versuch, diesen neuen themenbezogenen Ansatz wagen soll. So stellte sich für ihn von vornherein auch die Frage, ob sich die Thematik für eine Präsentation in dem kleinen Raum gleich neben dem Eingang des Helferhauses eignet – „ob es funktioniert“.
Denn es gibt einige Unterschiede zu den Motiven in seinen früheren Fotoausstellungen. Standen sonst häufig Straßenzüge, einzelne Gebäude oder Quartiere im Fokus – in aller Regel Außenaufnahmen –, so hebt Wolf dieses Mal auf die Innenräume ab, in denen sich das Alltagsleben abspielt. Was freilich ein schwieriges Unterfangen darstellt, denn das Material ist dünn gesät. „Wozu meinen Laden fotografieren?“, mag sich – so überlegt Wolf – mancher Geschäftsinhaber gefragt haben, der immer die Bilanzen im Blick haben musste und infolgedessen unnötige Ausgaben scheute.
Peter Wolf: „Die Bilder sollen einen Anstoß zum Erinnern geben, weil die Erinnerungen oft vergraben sind.“
Überdies stellten die Lichtverhältnisse in vielen Geschäftsräumen früher eine Herausforderung für Fotografen dar: kleine Fenster, schwache Beleuchtung, dunkles Holz – „da war’s oft krabbenacht“, so Wolf. Nicht nur das: Auch das Filmmaterial vor 70, 80 oder gar 100 Jahren war nicht empfindlich genug, um in düsterer Umgebung taugliche Ergebnisse zu liefern.
Trotzdem existiert eine ganze Reihe aufschlussreicher Fotos aus Backnanger Geschäften. Eine solche Besonderheit stellt beispielsweise eine Innenaufnahme des Verkaufsraums des Textilgeschäfts Riexinger, Schillerstraße 23, aus der Zeit Mitte der 50er-Jahre dar. Das gilt gleichfalls für eine Aufnahme vom Textilgeschäft Windmüller, Gerberstraße 6, aus dem Jahr 1932. Die damaligen Inhaber ließen sich mit den Angestellten im Geschäft ablichten. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch die Art und Weise, wie die Waren präsentiert wurden: Stoffe lagerten in hohen Wandregalen, sie mussten von der Verkäuferin einzeln hervorgeholt und auf der Theke ausgebreitet werden.
Andere Fotos geben Einblick in weitere Geschäfte, in denen Alltag stattfand und die den Alltag für viele Backnanger ausmachten: Bäckerei (Weller, Schillerstraße 19), Metzgerei (Idler, Gerberstraße 11), aber auch Drogerie (Dorn, Sulzbacher Straße 3). Zu sehen sind auch Aufnahmen eines Friseursalons und einer Textilreinigung aus den 50er- beziehungsweise 60er-Jahren. Um welche Geschäfte es sich dabei handelt, ist unklar. Da die Fotos aber aus den Beständen des früheren Backnanger Fotogeschäfts Fleischer stammen, geht Wolf davon aus, dass die Betriebe auch in der Stadt angesiedelt waren. Nähere Hinweise, auch zu den anderen Fotos, nimmt der Ausstellungsmacher gerne entgegen.
Transport – und auch die Probleme damit – war zu allen Zeiten für den Alltag der Menschen bedeutsam. Beherrschte zu Beginn des vorigen Jahrhunderts noch das Pferdefuhrwerk das Straßenbild, wie eine Aufnahme zeigt, so dominierten fünf Jahrzehnte später schon motorisierte Verkehrsmittel. Ein Foto zeigt etwa den stattlichen Fuhrpark der Firma Sauer (Albert Sauer, Haushaltswaren, Am Obstmarkt 10).
Bald sollte der Moloch Verkehr dann in der Stadt um sich greifen: Stau in der Aspacher Straße 1988, hohes Verkehrsaufkommen in der Stuttgarter Straße in den 80ern und Parksuchverkehr in der Grabenstraße in den 70ern. Zu sehen sind aber auch Fußgänger in der Spaltgasse sowie die Wochenmarktszenerie.
Weitere Themen
Darüber hinaus hat Wolf aus den rund 10.000 Fotodateien seiner Sammlung etliche Kuriositäten herausgesucht. So findet sich in der Ausstellung eine Aufnahme, die bei der Küferei von Friedrich Haar 1905 in der Stuttgarter Straße 26 (damals Weissacher Straße) entstanden ist: Das Fass, an dem da gearbeitet wurde, war für die Werkstatt offenbar zu groß, also wurde es im Freien auf der Straße zusammengesetzt.
Oder die Aufnahme, die um das Jahr 1918 beim „Drogen- und Kolonialwarengeschäft“ Rohde-Leßlauer in der Stuttgarter Straße 20, neben dem einstigen Gasthaus Rose, gemacht wurde. Sie zeigt mehrere Personen beim Holzhacken. Im krassen Gegensatz zu diesen handwerklichen Tätigkeiten steht der Blick in eine historische Hightech-Umgebung: die Telefonvermittlung bei AEG-Telefunken in der Gerberstraße in den 60ern.
Auch auf das Leben in den heimischen vier Wänden richtet sich der Blick
Alltag geschieht aber nicht nur bei der Arbeit in Fabriken und Geschäften, sondern auch in den heimischen vier Wänden. Hierauf richtet sich der Blick der Ausstellung ebenso, etwa mit einer Aufnahme der Familie Lore und Helmut Leder, die sich mit ihren Kindern um 1959 am Esstisch versammelt hat. Ein anderes Foto zeigt ein typisches Wohn- und Esszimmer aus den 60ern – der knapp bemessene Raum ließ damals kein eigenes Esszimmer zu. Noch beengter ging es um diese Zeit im Marienheim der einstigen Spinnerei Adolff zu. Zu sehen ist ein Mehrbettzimmer. Unter sparsamen Vorzeichen stand auch die Körperpflege. Aber immerhin verfügte etwa die Familie Wilhelm Krauß 1914 in der Küche bereits über eine Badewanne mit Wasseranschluss.
Peter Wolf kann bei dieser Ausstellung wiederum auf viele verschiedene Quellen zurückgreifen, darunter das Stadtarchiv und das Archiv der Backnanger Kreiszeitung. Aber auch etliche Privatpersonen wie Gisela Kübler, Ellen und Norbert Leder, Irene Schlaile, Brunhilde Schock oder Waltraud Stein haben zu der Ausstellung beigetragen. „Die Leute sollen sich erinnern“, sagt der 68-jährige Wolf, der seit dem Jahr 2010 weit über 50 solche Fotoausstellungen mit historischen Motiven gestaltet hat: „Die Bilder sollen einen Anstoß zum Erinnern geben, weil die Erinnerungen oft vergraben sind.“
Schon jetzt richtet der Fotodesigner aber auch den Blick in die Zukunft: Er plant eine große Ausstellung mit Themenräumen im ganzen Haus. Ein entsprechender Aufruf in der Backnanger Kreiszeitung für die projektierte „Zeitreise“ sei sehr erfolgreich verlaufen, mehr als 100 Aufnahmen seien eingegangen. Für zwei der Themenräume hat Wolf auch schon konkrete Vorstellungen: Es soll darin um den alten Bahnhof und um historische Umzüge gehen. Dieses Jahr sind noch zwei weitere Kabinett-Ausstellungen geplant, wiederum thematisch ausgerichtet – das eine Mal wird es rätselhaft, das andere Mal modisch, deutet Peter Wolf an.
Öffnungszeiten Die Ausstellung „Backnanger Alltagswelten“ ist von Samstag, 27. April, bis Sonntag, 30. Juni, im Backnanger Helferhaus, Petrus-Jacobi-Weg 5, zu sehen. Öffnungszeiten: montags bis freitags 16 bis 19 Uhr, samstags 11 bis 18 Uhr, sonntags 14 bis 18 Uhr. An den Feiertagen am Donnerstag, 9. Mai (Himmelfahrt), Montag, 20. Mai (Pfingsten), und Donnerstag, 30. Mai (Fronleichnam), ist die Ausstellung jeweils von 14 bis 18 Uhr geöffnet. Geschlossen ist sie am Mittwoch, 1. Mai (Tag der Arbeit). Der Eintritt ist frei.