Neujahrskonzert der Strauss-Capelle Wien im Backnanger Bürgerhaus

Zum 20. Mal fesseln die Musiker unter Leitung von Rainer Roos das Publikum zum Jahresbeginn mit Genreklassikern und Überraschungen. Dieses Mal als Special Guest mit dabei: Die Konzertharfenistin Sabrina von Lüdinghausen.

Rainer Roos dirigierte die Strauss-Capelle Wien mit einer gewohnt lockeren, launigen Art und Weise. Foto: Tobias Sellmaier

© Tobias Sellmaier

Rainer Roos dirigierte die Strauss-Capelle Wien mit einer gewohnt lockeren, launigen Art und Weise. Foto: Tobias Sellmaier

Von Thomas Roth

Backnang. Die bei philharmonischen, wienerisch geprägten Neujahrskonzerten meist gesetzten Komponisten sind Johann Strauss Vater und Sohn. Neben diese hat Dirigent Rainer Roos gestern beim traditionellen Auftritt der Strauss-Capelle Wien zum Jahresbeginn im Backnanger Bürgerhaus Kompositionen von Émile Waldteufel, Carl Michael Ziehrer und des Wiener Komponistenschwergewichts Joseph Lanner (bekannt vor allem durch seine „Hofballtänze“) gestellt. Damit nicht genug. Auch Johannes Brahms’ fünfter „Ungarischer Tanz“ steht auf dem Programm. Überdies zwei Werke, die der Konzertharfenistin Sabrina von Lüdinghausen auf den Leib geschrieben scheinen. Zum einen der „Baroque Flamenco“ des argentinischen Filmkomponisten und Arrangeurs Mauro Lazzaro – sozusagen eine Backnanger Uraufführung.

Wie der Titel schon verrät, befinden wir uns hier nicht in Wien, sondern in Südspanien, und Sabrina von Lüdinghausen verzückt das Publikum mit wahren Klangkaskaden, die sie auch mit Percussion (rechte Hand) unterlegt. Atmosphärisch erinnert diese Komposition phasenweise an das für Gitarre geschriebene „Concierto de Aranjuez“ von Joaquin Rodrigo. Neben orchestralen Klängen sind auch Kastagnetten vernehmbar. Ein schöner Trip in südliche Gefilde. Im zweiten Teil brilliert die Harfenistin dann mit dem an Schönheit kaum zu überbietenden Stück „Die Quelle“ von Johanna Dammert: Perlende Arpeggios werden gefühlvoll von langen Streichertönen getragen, und vor allem die Zwiegespräche von Harfe und Cello lassen das Publikum dahinschmelzen.

Rainer Roos eröffnet die Backnanger Matinee mit dem „Chineser Galopp“

Hört man den Namen Johann Strauss, denkt man zumeist automatisch an die heimliche österreichische Nationalhymne, also den Donauwalzer, und somit an Johann Strauss Sohn. Der Vater wiederum ist aber der eigentliche Begründer der Wiener Walzermusik. Gemeinsam mit Joseph Lanner war er Mitte des 19. Jahrhunderts quasi der Platzhirsch in der Wiener Szene. Ausgerechnet sein Sohn Johann machte ihm dann diese Position (erfolgreich) streitig, was zu ziemlich heftigen intrafamiliären Verwerfungen führte. Glücklicherweise hört man das der Musik von Strauss Vater nicht an. Weder beim „Chineser Galopp“, mit dem Maestro Rainer Roos die Backnanger Matinee eröffnet, noch beim etwas sentimental angehauchten „Wiener Gemüts-Walzer“.

Im Café Sperl wird Johann Strauss Vater wohl so manchen Einspänner oder auch den einen oder anderen Verlängerten zu sich genommen und sich dabei recht wohlgefühlt haben. Wie sonst hätte er dem traditionsreichen Kaffeehaus an der Ecke Gumpendorfer Straße, Ecke Lehárgasse, das noch heute existiert, gleich eine ganze, liebliche und gute Laune versprühende Polka gewidmet.

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Auch Sportlich-Ästhetisches erklingt an diesem sonnig-kühlen Vormittag: Gleich zwei Mal geht es ums Eislaufen. Der Franzose Émile Waldteufel schreibt eine musikalische Choreografie für einen „Schlittschuhläufer“, so der gleichnamige Titel seines Werks. Vor dem geistigen Auge sieht man förmlich die Pirouetten, die kleinen Sprünge und die langen Bögen, performt in raschem Tempo, die der Schlittschuhläufer, wohl ein Könner seines Fachs, auf das Eis zaubert. Mit der „Eislauf-Polka“ von Josef Strauss geht’s flott in die Pause und später mit Carl Michael Ziehrers „Fächer-Polonaise“ in den zweiten Teil des Konzerts. Diese Polonaise lädt ein zum Tanze und wird wohl deshalb bis heute beim Einzug der Debütanten bei den einschlägigen Events, nicht nur in Wien selbst, gespielt.

Bei Joseph Lanners „Jagd-Galopp“ fällt das Ende dem Zuhörer sprichwörtlich in die Ohren: Ein zum Erschrecken lauter Paukenschlag beendet diese rasante Jagd. Er erinnert tatsächlich an die „Sinfonie mit dem Paukenschlag“ des durchaus ebenfalls mit Humor gesegneten Josef Haydn. Bei Lanner gibt es zwei Möglichkeiten der Interpretation: Entweder veranschaulicht der knallartige Schlag einen Treffer, oder spätestens dann die Chance zur gelingenden Flucht des gejagten Tieres.

Nach einem kleinen Abstecher an den Rhein von Johann Strauss Vater mit den „Loreley Rheinklängen“ geht’s final zurück nach Wien, genauer in den „Krapfenwaldl“. Johann Strauss möchte hier einen Kuckuck nachgeahmt hören, und Rainer Roos wird auf seiner längeren Suche nach einem geeigneten Solisten tatsächlich fündig: Kein Geringerer als der Oberbürgermeister der Stadt Backnang, Maximilian Friedrich, wird auf die Bühne gebeten. Dort legt Friedrich tatsächlich ein beeindruckendes Taktgefühl an den Tag, und das auch noch streng nach Protokoll, oder, um im Bild zu bleiben, nach Noten. Ungeprobt, also vom Blatt. Chapeau – und Beifall von allen Seiten.

Mit dem „Seufzergalopp“ endet das Backnanger Neujahrsevent

Die Strauss-Capelle Wien musiziert gewohnt bezaubernd zum diesjährigen Motto „Walzerkönig, Weltbürger und Radetzky-Marsch“. Letzterer erklingt traditionsgemäß nach dem obligaten „An der schönen blauen Donau“. Mit dem „Seufzergalopp“ von Johann Strauss Vater endet dieses alljährliche Backnanger Neujahrsevent. Es ist Kapellmeister Rainer Roos, der durch seine souveräne musikalische Leitung einerseits, aber eben auch durch die unnachahmlich lockere und launige Art und Weise, wie er durch das Programm führt, dieser Veranstaltung nun seit exakt 20 Jahren seinen unverwechselbaren Stempel aufdrückt, und der sich jedes Jahr eine Überraschung ausdenkt, die das Zeug zum Stadtgespräch unter Musikfreunden hat. Großer Beifall.

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Erstellt:
15. Januar 2024, 06:00 Uhr

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