Adele Konzertkritik
Barbra Streisand 2.0: Was taugt Adeles Show in München?
Adele hat am Freitag das erste von zehn Konzerten in München gegeben – und einem Jungen aus Bietigheim-Bissingen einen großen Auftritt beschert: Bilder, Setlist und Kritik von der Auftaktshow.
Von Gunther Reinhardt
Ein Feuerwerk lässt den Himmel über München leuchten. Adele warnt da gerade in „Rolling in the Deep“ vor dem Feuer, das in ihrem Herzen auflodert. 74 000 Fans, die noch vom kurzen, aber heftigen Regenschauer unmittelbar vor der Show durchnässt sind, singen lauthals mit. Über ihren Köpfen explodieren Raketen. Auf der Bühne stürzt sich die Band in ein souliges Finale, während hinter ihr eine unfassbar breite Videoleinwand aufgeregt flackert. So geht nach gut zwei Stunden Adeles Auftritt in München zu Ende.
Die Arena sieht nach Science-Fiction aus
Wow, was für eine Show! Die 36-jährige Britin hat für die erste der zehn Shows in der Freiluftarena auf dem Münchner Messegelände – den einzigen in Europa – einiges an Spektakel aufgefahren. Die Bühne verwandelt sich mal in eine riesige Papierrolle, mal in eine Küstenlandschaft mit Leuchttürmen. Ein gefühlt kilometerlanger Steg läuft rund durch die Arena, die extra für die Shows gebaut wurde und die schwarz-monolythisch wie ein Science-Fiction-Monument wirkt.
Es gibt Feuerfontänen, zischende Qualmwolken und Konfettiregen. Und bei „Hometown Glory“, „Love in the Dark“, „Set Fire to the Rain“ und dem James-Bond-Song „Skyfall“ taucht auf dem Laufsteg aus dem Nichts dekorativ ein komplettes Streichorchester aus der Versenkung auf.
Barbra Streisand des 21. Jahrhunderts
Dass Adele eine Sängerin mit einer einzigartigen Stimme ist, dürfte sich inzwischen herumgesprochen haben. Vor allem bei den Klavierballaden, denen naturgemäß viel Raum in der Show eingeräumt wird, ist es trotzdem immer wieder aufs Neue verblüffend, wie viel emotionale Intensität sie mit ihrem unerhörten Alt in ihre Lieder packt.
Dass Adele aber auch eine lässig-lakonische und sehr witzige Entertainerin ist, dürfte den einen oder anderen noch überraschen. Mit wunderbar britischem Humor macht sie sich gerne auch über sich selbst lustig. „Wie findet ihr eigentlich meine riesige Videowand“, fragt sie zum Beispiel einmal, „die wollte ich vor allem deshalb haben, dass ihr mein rotes verschwitztes Gesicht auch immer in Großaufnahme sehen könnt.“
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Der kleine Dion ganz groß
Adele wirkt an diesem Abend wie eine Mischung aus „The Marvelous Mrs. Maisel“, Emma Thompson und Keira Knightley, wie eine Barbra Streisand des 21. Jahrhundert, sieht in ihrem dunkelblauen schulterfreien Kleid umwerfend aus. Sie trägt es den ganzen Abend, lässt sich nur früh die lange klatschnasse Schlappe abnehmen. Statt zwischendurch das Outfit zu wechseln, gibt sie lieber Tipps, wie man sich gepflegt betrinkt, ohne einen Kater zu bekommen, und nimmt einen Schluck aus dem extra für sie angefertigten Adele-Bierkrug. Mal verrät sie, wie toll sie es fand, beim EM-Halbfinal-Sieg Englands gegen die Niederlande im Dortmunder Stadion gewesen zu sein, obwohl sie vom Spiel kaum mitbekommen habe. „Meine Augen sind so schlecht, dass ich nie den Ball gesehen habe.“ Mal fordert sie die Kameras auf, ein schwules Paar in der ersten Reihe zu zeigen, das die Show zum Anlass genommen hat, sich nach 17 Jahren zu verloben. Mal schießt sie mit einer T-Shirt-Kanone Merchandise-Artikel ins Publikum. Mal holt sie den siebenjährigen Dion aus Bietigheim-Bissingen auf die Bühne, der mit seinem blassblauen Blazer zum heimlichen Star des Abends wird – nicht nur weil er, als Adele ihn auf Englisch fragt, wie alt er ist, schüchtern „Good!“ antwortet.
Die Krönung des Superlativ-Sommers
Tatsächlich krönt Adele diesen an Superlativ-Events nicht armen Sommer mit den Stadionshows von Taylor Swift, Coldplay, Pink, Bruce Springsteen oder AC/DC mit einem großartigen Spektakel, das nur manchmal bei den Videos etwas zu dick aufträgt und einen das eigentliche Geschehen auf der Bühne übersehen lässt. Denn in München-Riem wird in diesem Sommer das Oktoberfest im August gefeiert. Dort ist nicht nur die Adele-Arena, sondern auch ein ganzer Themenpark entstanden: die „Adele World“ mit Karussell, Riesenrad und anderen Rummelplatzattraktionen.
Bei„Someone Like You“ kommen Adele die Tränen
Und wer glaubte, Adele würde bei den zehn Shows in München einfach auf das Programm zurückgreifen, das sie seit November 2018 bei ihrer „Weekend with Adele“-Residency im Colosseum-Theater im Caesar’s Palace in Las Vegas spielt, wird positiv überrascht. What happens in Vegas stays in Vegas! Die Show bietet eine ganz eigene wunderbare Dramaturgie, bei der sich pompöse Balladen wie „Easy on Me“ und knurrige Rocker wie „Rumour Has It“ immer wieder abwechseln. Zum ersten Mal seit sieben Jahren spielt sie an diesem Abend dann auch den Song „Chasing Pavements“, der ganz am Anfang ihrer Karriere stand, und als emotionaler Höhepunkt des Auftritts am Freitagabend erweist sich kurz vor Schluss das herzzerreißende „Someone Like You“. Als sie den Song von ihrem Album „21“ als das Lied ankündigt, das ihr Leben für immer verändert habe, ist sie nicht die einzige in der Arena, die Tränen in den Augen hat.
Adele in München: Setlist vom Auftaktkonzert am 2. August
Adele in München
Weitere Konzerte sind in München am 3., 9., 10., 14., 16., 23., 24., 30. und 31. August geplant. Es sind noch wenige Tickets verfügbar.