Spaziergang zur Kunst im öffentlichen Raum
Zu allen Zeiten zugängliche Arbeiten von Bildhauern in Backnang – Vom Weg der Besinnung bis zum Spinnerei-Areal
Die Galerien und Museen sind derzeit geschlossen. Doch auch im öffentlichen Raum kann man in Backnang und anderswo Kunst erleben. Manche Werke befinden sich in versteckten Winkeln. An anderen geht man oft unachtsam vorbei, weil sie schon lange zum gewohnten Stadtbild gehören. Es lohnt sich jedoch ein Augenblick des Innehaltens und Besinnens.
Von Claudia Ackermann
BACKNANG. Der „Weg der Besinnung“ mit Werken lokaler Künstler wurde 1988 von der Backnanger Künstlergruppe und dem Heimat- und Kunstverein am Ölberg ins Leben gerufen. Initialzündung war das Bildhauersymposium im Jubiläumsjahr 1987 anlässlich der 750-Jahr-Feier der Stadt Backnang. Von diesem Bildhauersymposium stammt etwa der große, schwere Stein „Figuration in Spannung“ von Josef Nadj auf dem Platz in der Wassergasse neben der Geschäftsstelle der Backnanger Kreiszeitung.
Die Kunstwerke am „Weg der Besinnung“ folgen dem Kreuzweg mit seinen zwölf Stationen, der sich einmal am Ölberg befunden haben soll. Den Beginn machten 1988 die Holzfigur „Hirt des Seins“ von Reiner Anwander an der Hauswand am Beginn des Ölbergs und Ernst Hövelborns Wandbild mit Texttafel „Das Glück – das Nützliche und die Einsicht“ an der Quartiersgarage. Später kamen weitere Werke dazu, wie etwa das Wandbild „Murr-Wassergeister“ von Georg Staab (1993) am Treppenaufgang zur Postgasse. Wegen Beschädigungen musste es 2005 entfernt werden.
Die Witterung verändert die Kunst – das gehört bei manchen Arbeiten zum Konzept
An manchen Kunstwerken nagt inzwischen der Zahn der Zeit. Die Galionsfigur „Der Fortschritt“ (1990) von Hellmut G. Bomm am Haus gegenüber der Gaststätte „Zur Uhr“ hat schon lange kein Segel mehr, und bei Gregor Oehmanns Metallarbeit „Dame mit rotem Schuh, Nr. 5“ (2005) auf der Quartiersgarage blättert der Lack ab. In direkter Nachbarschaft dazu befindet sich die Marmorfigur „Am Horizont“ (1992) von Youri Sistiaga. Im Wirtsgarten der Gaststätte „Zur Uhr“ ist das Objekt „Zusammenhalt“ (1994) von Elke Vetter angebracht. Als Abschluss des Projekts 2006 wurde das Leuchtobjekt von Rainer Vogt an der Westwand des Helferhauses angebracht. Nicht weit davon entfernt, auf dem neu gestalteten Stiftshof, erinnert seit 2010 die Bronzeskulptur „Markgraf“ an einen bedeutenden Teil der Stadtgeschichte. Im Jahr 1116 gründete Markgraf Hermann von Baden das Augustiner-Chorherrenstift. Über 200 Jahre lang war Backnang in badischer Hand. Bei einem Wettbewerb wurde Elisabeth Wagner aus Gundelsheim am Neckar ausgewählt, ein von der Stadt Backnang finanziertes Markgrafen-Kunstobjekt zu realisieren.
Symbol der europäischen Verständigung im deutsch-polnischen Jahr 2005
Am Adenauerplatz begegnet man der Skulptur „Bialowieza“, die von Slawomir Smyck (Polen) aus einem schwäbischen Eichenstamm herausgearbeitet wurde. Sie symbolisiert die europäische Verständigung im deutsch-polnischen Jahr 2005. Die Skulptur hat der polnische Künstler auf Einladung von Albert und Doris Dietz in Backnang geschaffen. Wieder stadteinwärts führt der Weg zum Schillerplatz. 1905 wurde anlässlich der Feier zum 100. Todestag Friedrich Schillers ein Denkmal mit der Büste des Dichters, der Abguss eines Werks von Heinrich Dannecker, aufgestellt. Das Kunstwerk wurde von dem Fabrikanten Eugen Adolff gestiftet. Nach der mutwilligen Zerstörung der ursprünglichen Büste 1986 stiftete Jürgen Reusch drei Jahre später eine Schillerbüste aus dem Schloss Katharinenhof. Seit 1987 befindet sich auch die weibliche Steinskulptur „La Distance“ von Reiner Anwander auf dem Schillerplatz, die beim Bildhauersymposium entstanden ist. Mittlerweile kam in der Parkanlage ein Holzobjekt mit geschnitzten Wappen als Geschenk der südungarischen Partnerstadt Bácsalmás an Backnang (1993) hinzu.
Das steinerne Kriegerdenkmal neben der Marktstraße auf der Anhöhe zur Galerie der Stadt wurde 1924 von dem Lederfabrikanten Fritz Schweizer gestiftet. Es erinnert an die Backnanger Toten des Ersten Weltkrieges. Später wurden die Jahreszahlen des Zweiten Weltkriegs hinzugefügt, um auch dieser Opfer zu gedenken. Ebenfalls in der Marktstraße, vor dem historischen Rathaus, spenden die drei Claqueure Beifall, die der Künstler Guido Messer aus Korb beim Bildhauersymposium 1987 erschaffen hat. Die drei Bronzefiguren sind 2011 gestohlen worden. In einer Lagerhalle waren sie über die Zeit des Straßenfests eingelagert. Einer der klatschenden Herren tauchte bei einem Altmetallhändler wieder auf. Nach noch vorhandenen Gipsformen konnte der Künstler das Trio wieder ergänzen, das seit 2012 wieder am angestammten Platz steht.
Vor der Kreissparkasse befinden sich drei Stelen aus Edelstahl, die Karl-Heinz Franke zum Bildhauersymposium 1987 beigetragen hat. In nächster Nähe auf dem Chelmsfordplatz am Kupferhaus kann man den Brunnen mit Metallobjekt von Oskar Kreibich sehen. Von diesem Künstler, der 1984 in Backnang verstarb, stammt auch das Metallobjekt vor dem Seniorenbüro. Ab 1973 zierte es den Vorplatz der Kreissparkasse und wurde im Volksmund als „Geldorgel“ bezeichnet. Wegen der Neugestaltung des Platzes wurde das Objekt abgebaut und bekam 1999 einen neuen Standort im Biegel. Nicht weit davon entfernt vor der Post kann die kubistische Kalksteinskulptur „Mystika“ (2001) des Künstlers Pavel Bucur betrachtet werden.
Oskar Kreibich hat mit mehreren Werken zur Kunst im öffentlichen Raum beigetragen. Von ihm stammen auch das große Gerbersymbol auf dem Kreisverkehr am Feuerwehrhaus oder das Mahnmal der Vertriebenen auf der Maubacher Höhe. Wer noch einen Abstecher ins ehemalige Spinnerei-Areal machen möchte, findet bei der Warenanlieferung der Firma d&b Audiotechnik das aus Stein und Stahl geschaffene Werk von Peter Haußmann aus dem Jahr 2007 mit dem Titel „Keil...schartig...abgelegt“. Der Weissacher Künstler Peter Haußmann hat übrigens ebenfalls ein Objekt zum „Weg der Besinnung“ beigetragen. Dies ist nur eine Auswahl der Kunst im öffentlichen Raum in Backnang. Jeder Kunstfreund ist aufgefordert, die Reise zur Kunst für sich selbst fortzusetzen.