Neu im Kino: Horrorschocker „The Monkey“

Spielt nicht mit dem Affen, Kinder!

In seinen Filmen erzählt der US-Regisseur Osgood Perkins vom Horror der amerikanischen Gegenwart, so auch in „The Monkey“ nach Stephen King, der nun in den Kinos startet.

Am Rücken aufgezogen entfaltet das augenscheinliche Spielzeug seine zerstörerische Brutalität: Szene aus „The Monkey“.

© IMAGO/Landmark Media

Am Rücken aufgezogen entfaltet das augenscheinliche Spielzeug seine zerstörerische Brutalität: Szene aus „The Monkey“.

Von Kathrin Horster

Das absolute Böse ist etwa vierzig Zentimeter groß, bedeckt von struppigem Kurzhaarfell und bekleidet mit einer roten Weste. Die Ohren des Bösen sind riesig, wie die starren Glasaugen und das zu einem süffisanten Grinsen verzogene Maul mit seinen akkurat gereihten Beißern. Wenn man es an einem Schlüssel im Rücken aufzieht, sausen die Schlegel in seinen Fäustchen in rasantem Tempo auf eine Blechtrommel nieder. Rette sich, wer kann, wenn dieses hässliche Vieh in Osgood Perkins’ neuestem Streich nach dem furiosen Horror-Märchen „Longlegs“ (2024) zu trommeln beginnt.

In „The Monkey“, der gleichnamigen Adaption einer Kurzgeschichte von Stephen King aus dem Jahr 1980, fliegen beim Einsatz der Trommel vor allem Köpfe, manchmal auch Gedärme. Die Gewalt in diesem Film ist deftig, comichaft überzogen. Perkins bezieht sich auf den grotesken Horror des historischen Grand-Guignol-Theaters und nach eigener Aussage auf bewusst alberne 80er-Jahre-Schocker wie „Critters“.

Viel mehr als blutiger Schocker

Dieses Wissen kann helfen, den derben Humor des Films als ästhetische Strategie, als rettenden Galgenhumor einzuordnen und so vielleicht auch besser auszuhalten. „The Monkey“ mag ein sensibleres Publikum manchmal an seine Grenzen bringen. Dabei ist der Film viel mehr als bloß ein blutiger Genrescherz mit Alibi-Plot, in dem sich Ekelsensationen häufen. Im Rückblick entrollt Osgood Perkins die Kindheit der Zwillinge Hal und Bill (Christian Convery spielt die jungen Brüder, später übernimmt Theo James die Doppelrollen), liebevoll erzogen von ihrer allein stehenden Mutter (Tatiana Maslany). Der Vater, ein Pilot, habe sich beim Zigarettenholen „wie zwei Eier verquirlt“, erklärt sie dessen Abwesenheit. Was den Vater tatsächlich von seiner Familie „verquirlt“ haben könnte, erläutert der blutbesudelte Prolog. Die Kindheit der Jungen könnte trotzdem schön sein, wäre da nicht eine tiefe Rivalität, die eskaliert, als die beiden in den väterlichen Hinterlassenschaften ein mechanisches Spielzeug entdecken. Kurz, nachdem Hal die Puppe zum ersten Mal aufgezogen hat, stirbt das Kindermädchen unter spektakulären Umständen. Als der Affe ein zweites Mal trommelt, strömt Blut aus Augen und Nase der Mutter, ein Erlebnis, das vor allem Bill traumatisiert und ihn zur Überzeugung bringt, Hal trage die Schuld an ihrem Tod.

Verweise auf gegenwärtige Schrecken

Man kann den Film wie Kings Erzählung als Auseinandersetzung mit Trauer und Schuldkomplexen verstehen; King-Exegeten nannten als Hauptthema der Story das menschliche Unvermögen, Traumata zu verarbeiten. Zurück an der Oberfläche des Bewusstseins, richten die unverarbeiteten Gefühle Schaden an. Andere sehen im Affen die Verkörperung eines unberechenbaren Unglücks, das sich durch nichts und niemanden aus der Welt bannen lässt.

Diese Motive sind auch in Perkins’ Adaption erkennbar. Der Filmemacher hat sich allerdings schon in Filmen wie „Gretel & Hänsel“ (2020) als deutlich zeitbezogener Interpret schauriger Märchenstoffe erwiesen. In „Longlegs“ verarbeitete er einen ganzen Katalog amerikanischer Alltagsikonografien des Bösen, mit einem zentralen Schreckensmann, der nicht von ungefähr an die gefährlichen Clowns unserer Tage erinnert. In „The Monkey“ treten konkrete Zeitbezüge mindestens genauso deutlich zu Tage, wenn man sie denn unter dem grellen Horrordekor erkennen will. Den bösen Spielzeugaffen kann man als Stellvertreter Donald Trumps sehen – oder eines anderen radikalen Politikers unserer Zeit; wie das am Rücken aufgezogene Spielzeug ermächtigt von einem im Bruderzwist entzweiten Volk, das die Konsequenzen seiner egoistischen Zankspiele nicht wahrhaben will. Wie der Affe ist das extremistische Gedankengut von Trump und Co. eine Hinterlassenschaft der Vater- und Großvatergeneration, versteckt und über Dekaden hinweg konserviert im Wandschrank der Geschichte. Bis jemand kommt, und den alten Plunder wieder zum Leben erweckt. Darüber hinaus bezieht sich Perkins auch auf den amerikanischen Waffenfetisch: In einer besonders makabren Szene kommt eine am Familienfluch unbeteiligte Dritte durch eine scheinbar wie von Geisterhand abgefeuerte Flinte zu Tode. Über dem Gewehr prangt der zynische Spruch „Waffen töten keine Menschen“; ein Verweis auf die bei den Anhängern der Waffenlobbyvereinigung NRA (National Rifle Association) populäre Formel „Nicht Waffen, sondern Menschen töten Menschen“.

Zum Schluss bringt Perkins die entfremdeten Brüder als Erwachsene noch einmal zusammen. Aus Bill ist ein wahnsinniger Paranoiker geworden, aus Hal ein fatalistischer Einzelgänger. Doch selbst mit ihrer Versöhnung können die Brüder den einmal entfesselten Affen nicht mehr stoppen. Der Alptraum, erzählt Perkins, nimmt kein Ende.

The Monkey. USA 2025. Regie: Osgood Perkins. Mit Christian Convery, Theo James, Tatiana Maslany. 95 Minuten. Ab 16 Jahren. Start: 20.1.

Zwei Brüder im Geiste

Stephen King Der Bestsellerautor („Carrie“, „Shining“, „Es“), geboren 1947, ist überzeugter Demokrat und scharfer Kritiker Donald Trumps. Im Roman „The Dead Zone“ (1979) beschrieb er hellsichtig einen verbrecherischen Geschäftsmann und Präsidentschaftsanwärter. Nach Putins Angriff auf die Ukraine sprach King sich für die Unterstützung des Landes aus.

Osgood „Oz“ Perkins Der Regisseur, geboren 1974, ist Sohn des berühmten „Psycho“-Schauspielers Anthony Perkins, der seine Homosexualität in den 1970ern durch eine sogenannte „Konversionstherapie“ zu überwinden versuchte und 1992 den Folgen von Aids erlag. Die Mutter starb in einem der Flugzeuge, die ins World Trade Center stürzten. Die Trauer um seine Eltern verarbeitet Perkins nun in „The Monkey“; auf beide finden sich Hinweise. Wie auch auf Trump, dem er in Gestalt des mörderischen Affen ein grimmiges Denkmal setzt.

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Erstellt:
19. Februar 2025, 09:44 Uhr

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