Buchtipp Architektur

Stuttgarter Architekten gestalten die schönsten Büros in Deutschland

Der Innenarchitektur-Wettbewerb „Best Workspaces“ 2024 beweist: Ein Tischkicker im Büro macht noch keinen Arbeitsplatz zum Wohlfühlen. Auch Architekten aus Stuttgart zeigen, wie es besser geht.

Das „Baumhaus“ wurde von Architekten der Stuttgarter Ippolito Fleitz Group entworfen.

© Ippolito Fleitz/Philip Kottlorz

Das „Baumhaus“ wurde von Architekten der Stuttgarter Ippolito Fleitz Group entworfen.

Von Maximilian Kroh

Auf den ersten Blick fällt sie kaum auf, doch wer sie einmal entdeckt hat, kann den Blick kaum mehr von ihr lösen. Eine goldene Rolltreppe steht im Foyer des Hagelofts in Osnabrück. Es wirkt zunächst einigermaßen bizarr, dass die Mitarbeiter und Gäste der Beratungsagentur „Muuuh Group“, die dort ihren Firmensitz hat, ins nächste Stockwerk gelangen als wären sie in einem Einkaufszentrum. Und doch fügt sich die Rolltreppe ins Konzept des Gebäudekomplexes ein, das den Mut zur Innovation in den Mittelpunkt stellt. Schließlich gibt es im Gebäude sogar eine firmeneinige Disco. Die Jury des „Best Workspaces“-Wettbewerb hat der Bürokomplex überzeugt, sie hat ihn mit dem ersten Preis ausgezeichnet.

Das Hageloft beherbergt auf seiner Grundfläche von 6120 Quadratmetern neben der Bürofläche auch Loftwohnungen, Fitnessstudio, Multifunktionshalle und eine Bar im 60er-Jahre-Stil. „Der sogenannte Workspace startet beim Kommen und muss über den Tag verteilt unterschiedliche und flexible Möglichkeiten bieten“, erklären die Architekten des Büros Kresings in Münster im Bildband „Best Workspaces“.

Die große Frage: Wie lockt man Menschen noch ins Büro?

Das zieht sich in unterschiedlicher Ausprägung durch sämtliche der im Buch vorgestellten Bürogebäude. Sie alle eint die Auseinandersetzung mit der großen Herausforderung der Jahre nach der Corona-Pandemie: Wie schafft man es überhaupt noch, die Mitarbeiter aus dem Home-Office zurück ins Büro zu locken? Architekten und Innenarchitekten greifen dabei auf bewährte Methoden zurück. Viel Helligkeit, viele, große Fenster, großflächige Räume.

Und auch der Faktor Nachhaltigkeit bleibt wichtig. So entstand das Hageloft im Gebäude einer Chemiefabrik aus den 1880er-Jahren. Das ebenfalls mit dem ersten Preis ausgezeichnete Grünwalder Carré in München war früher eine Druckerei. CO2-sparende Umnutzung statt Neubau, das ist ein Trend – eindrücklich umgesetzt auch vom Architekturbüro Wolf. Die Heidenheimer haben eine Jugendstilvilla aus dem Jahr 1907 zur Arbeitswelt für ihre 25 Mitarbeitende umgestaltet.

Stuttgarter Architekturbüro ist doppelt vertreten

Ansonsten geht es auffällig oft grün zu. Etwa bei der Immobilienfirma Bauteile C+D in Wien. Deren gesamte Bürofläche erinnert an ein übergroßes Urban-Gardening-Projekt. Das von der Stuttgarter Ippolito Fleitz Group entworfene „Baumhaus“ für den Getränkehersteller Hassia in Bad Vilbel verdankt seinen Namen den beiden eigens gepflanzten Apfelbäumen auf dem Vordach und auch im Innern sprießt das Grün an jeder Ecke.

Das Stuttgarter Architekturbüro ist bei dem Wettbewerb gleich zwei Mal vertreten, es hat auch die Schoko-Zentrale von Ritter Sport in Waldenbuch entworfen, bei der die markanten Farben der Schokoladenverpackungen ins Auge stechen.

„Nur mit entsprechend gestalteten Räumen bin ich als moderner Wissensarbeiter in der Lage, meinen Arbeitsplatz so zu rhythmisieren, dass er für das Unternehmen Sinn ergibt und für mich selbst sinnstiftend funktioniert“, schreibt Jurymitglied Alexander Gutzmer in der Einleitung des Bildbands. Es ist der Leitsatz, auf dem Buch und Jury-Urteile aufbauen. Räumliche Konzepte sollen verhindern, dass Arbeit und Wirtschaftssystem die Arbeitnehmenden völlig vereinnahmen.

Tatsächlich belegen wissenschaftliche Studien, dass gerade Pflanzen sich positiv auf Wohlbefinden und Produktivität am Arbeitsplatz auswirken. Es geht um Freiraum statt Beobachtung, die enge Büro-Zelle hat ausgedient. Gleichzeitig legt der „Best Workspaces“-Wettbewerb nahe, dass für ein Raumkonzept mit Wohlfühlfaktor mehr notwendig ist als ein Tischkicker auf dem Büroflur.

Manche Fragen kann natürlich auch das beste Raumkonzept nicht beantworten: Was bringen dem Arbeitnehmer viele schöne Pflanzen im Büro, wenn einem der Leistungsdruck im Nacken sitzt? Hängt einem nicht auch der schönste Arbeitsplatz irgendwann zum Hals heraus, wenn man dort ständig Überstunden schiebt? Fängt ein innovatives Raumkonzept eine toxische Unternehmenskultur auf? Auch ohne Antwort darauf: Inspirieren kann der „Best Workspaces“-Wettbewerb mit dem dazugehörigen Bildband allemal.

Das Buch

Best WorkspacesArbeitswelten neu gedacht. Das Jahrbuch des Wettbewerbs 2024 umfasst auf 352 Seiten alle ausgezeichneten Büroprojekte. Neben Gebäudeporträts sind Interviews und Kurzporträts enthalten. Der von Alexander Gutzmer und Andreas K. Vetter herausgegebene Bildband ist im Callwey Verlag erschienen kostet 98 Euro.

In den verglasten Meetingräumen im „Baumhaus“ können die Mitarbeiter mit Vorhängen mehr Privatsphäre schaffen.

© Ippolito Fleitz/Philip Kottlorz

In den verglasten Meetingräumen im „Baumhaus“ können die Mitarbeiter mit Vorhängen mehr Privatsphäre schaffen.

Den ersten Preis des „Best Workspaces“-Wettbewerbs erhielt die neue Zentrale der Beratungsfirma „Muuuh Group“. Der Entwurf stammt vom Münsteraner Architektenbüro Kresings.  Links im Bild: Die goldene Rolltreppe.

© Callwey Verlag/Jette Golz

Den ersten Preis des „Best Workspaces“-Wettbewerbs erhielt die neue Zentrale der Beratungsfirma „Muuuh Group“. Der Entwurf stammt vom Münsteraner Architektenbüro Kresings. Links im Bild: Die goldene Rolltreppe.

Der Gebäudekomplex war einst eine Chemiefabrik aus den 1880er-Jahren. Im Goldkubus befindet sich heute eine Multifunktionshalle.

© Callwey Verlag/Jette Golz

Der Gebäudekomplex war einst eine Chemiefabrik aus den 1880er-Jahren. Im Goldkubus befindet sich heute eine Multifunktionshalle.

Mit der Schokozentrale von Ritter Sport in Waldenbuch ist die Stuttgarter Ippolito Fleitz Group sogar gleich zwei mal im Bildband vertreten.

© Philipp Kottlorz

Mit der Schokozentrale von Ritter Sport in Waldenbuch ist die Stuttgarter Ippolito Fleitz Group sogar gleich zwei mal im Bildband vertreten.

Die Farbgebung der Büroräume orientiert sich stark an den bekannten Schokoladenverpackungen.

© Philipp Kottlorz

Die Farbgebung der Büroräume orientiert sich stark an den bekannten Schokoladenverpackungen.

Urban-Gardening-Flair in der Wienerberg City. Beim Immobilienunternehmen Bauteile C+D fällt die starke Begrünung im Gebäude direkt auf. Entworfen hat das Gebäude das Wiener Büro Holzbauer und Partner.

© Christian Stemper

Urban-Gardening-Flair in der Wienerberg City. Beim Immobilienunternehmen Bauteile C+D fällt die starke Begrünung im Gebäude direkt auf. Entworfen hat das Gebäude das Wiener Büro Holzbauer und Partner.

Das Züricher Architektenbüro Drees & Sommer hat die Firmenzentrale des Schweizer Sicherheitsdienstleisters Dormakaba in Zürich als eine einzige große Bürolandschaft in einer ehemaligen Fabrikhalle konzipiert.

© Arnold Weihs

Das Züricher Architektenbüro Drees & Sommer hat die Firmenzentrale des Schweizer Sicherheitsdienstleisters Dormakaba in Zürich als eine einzige große Bürolandschaft in einer ehemaligen Fabrikhalle konzipiert.

Links Konferenzraum, rechts Lounge-Atmosphäre: Die Büroräume des  Tech-Unternehmens Chip 1 Exchange in Neu-Isenburg, entworfen vom Architektenduo Jung & Klemke.

© Faruk Pinjo

Links Konferenzraum, rechts Lounge-Atmosphäre: Die Büroräume des Tech-Unternehmens Chip 1 Exchange in Neu-Isenburg, entworfen vom Architektenduo Jung & Klemke.

Homeoffice mal anders: Das Architektenbüro Wolf aus Heidenheim hat sich in einer Jugendstilvilla die eigenen Büroräume entworfen.

© Martina Theuerkauf

Homeoffice mal anders: Das Architektenbüro Wolf aus Heidenheim hat sich in einer Jugendstilvilla die eigenen Büroräume entworfen.

Wie es sich für den Entwickler einer Fitnessapp gehört, ist bei Freeletics in München der Büroflur nicht einfach Flur, sondern gleichzeitig Laufbahn – dank des Entwurfs der Münchner Architekten vom Büro CSMM.

© Callwey Verlag/Gleb Polovnykov

Wie es sich für den Entwickler einer Fitnessapp gehört, ist bei Freeletics in München der Büroflur nicht einfach Flur, sondern gleichzeitig Laufbahn – dank des Entwurfs der Münchner Architekten vom Büro CSMM.

Ein Hauch von Science Fiction: Der Firmensitz des Architekturbüros Hoffenscher in Dornbirn.

© Fotowerk Dornbirn

Ein Hauch von Science Fiction: Der Firmensitz des Architekturbüros Hoffenscher in Dornbirn.

Das Buch „Best Workspaces“ von Alexander Gutzner und Andreas K. Vetter ist im Callwey Verlag (352 Seiten, 98 Euro)  erschienen. Es zeigt von einer Fachjury ausgezeichnete Büroprojekte mit Fotos, Planmaterial und Interviews mit den Architekten. Das Cover zeigt eine Arbeitsnische aus dem „Baumhaus“.

© Callwey Verlag

Das Buch „Best Workspaces“ von Alexander Gutzner und Andreas K. Vetter ist im Callwey Verlag (352 Seiten, 98 Euro) erschienen. Es zeigt von einer Fachjury ausgezeichnete Büroprojekte mit Fotos, Planmaterial und Interviews mit den Architekten. Das Cover zeigt eine Arbeitsnische aus dem „Baumhaus“.

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Erstellt:
29. Mai 2024, 16:16 Uhr

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