Surreales trifft auf Archaisches
„Duale Welt“ heißt die neue Ausstellung im Backnanger Helferhaus mit Buchobjekten und Papierreliefs von Sylvia Faragó und Bildern von Sieghart Hummel. Die Vernissage findet am kommenden Sonntag statt.
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© Jörg Fiedler
Sieghart Hummel beschäftigt sich schon lange mit Motiven zwischen der realen und unwirklichen Welt. Fotos: J. Fiedler
Von Claudia Ackermann
BACKNANG. Eine „andere Form von Mensch“ wollte Sieghart Hummel in seinen frühen Bildern darstellen. Die Menschen haben etwa lange, gerade Nasen wie auf der Tuschezeichnung „Mönch“ von 1965. Später geht er auf die Darstellung surrealer Wesen über, wie bei dem Ölbild „Der Flug des Einhorns“ von 1988 oder „Das Mysterium des Monolithen“ von 1987, bei dem der Gesteinsbrocken etwas Lebendiges erhält. Der gebürtige Backnanger hat mit 15 Jahren angefangen zu malen. Auslöser war, dass er ins Kino zu einem Science-Fiction-Film mitgenommen wurde. Dieser erfundene, andere Kosmos faszinierte ihn. Auch auf gemalten Bildern kann man seine eigene Welt erschaffen. Später ließ er sich auch von Bildbänden von Salvador Dalí inspirieren, erzählt Sieghart Hummel bei einem Vorabrundgang durch die Ausstellung. Er war Gründungsmitglied der Backnanger Künstlergruppe und hat bei insgesamt 92 Ausstellungen im In- und Ausland seine Werke gezeigt. In der Doppelausstellung „Duale Welt“ führt er mit seinen Bildern durch mehrere Jahrzehnte seines künstlerischen Schaffens.
Immer wieder tauchen fliegende Gebilde auf. Mal sind es Fantasiewesen, dann Objekte, die wie Technik aus einer fernen Galaxie anmuten. Frühere Arbeiten hat er zum Teil später abgeändert. Wie etwa das Bild „Begegnung“ von 1978, das einen Jungen in Badehose auf einer Straße in ländlicher Umgebung zeigt, der nach oben schaut. Ein fliegendes Objekt am Himmel hat Sieghart Hummel erst vor wenigen Monaten hinzugefügt. „Die außerirdische Technik ist weiter, der Mensch ist noch nicht einmal erwachsen und noch ziemlich nackt“, erklärt er dazu. Von seinen neueren Arbeiten sind Fotomontagen ausgestellt, wie etwa die Fotografie einer Landschaft in Südfrankreich, über der ein unerklärliches Objekt schwebt. Auf einer anderen Fotomontage schauen dem Betrachter aus einem Baum in der Abenddämmerung zwei feurig glühende Augen entgegen.
Die Papierreliefs werdenzum Teil eingefärbt oder auch bemalt
In der Ausstellung „Duale Welt“ auf zwei Etagen in der Galerie im Helferhaus stellen die beiden Künstler in jeweils drei Räumen aus. In eine ganz andere Welt entführt Sylvia Faragó mit ihren Papierreliefs und Buchobjekten aus handgeschöpftem Papier, das sie selbst herstellt. Die Künstlerin ist in Budapest geboren und lebt seit 1968 in Stuttgart, wo sie an der Akademie der Bildenden Künste am Institut für Buchkunst studiert hat. Für die handgeschöpften Papiere zupft sie Zellstoff, der dann eingeweicht und mit einem Sieb geschöpft wird. Die Arbeiten haben eine unregelmäßige Oberflächenstruktur, sodass Papierreliefs entstehen, die sie teilweise einfärbt oder bemalt. Naturmaterialien sind eingearbeitet, wie Gräser, Erdnussschalen oder auch Federn von Rebhühnern wie in einem Rundschild mit dem Titel: „Mit Pflanzen und Vogelfedern“. Manche Arbeiten erinnern an rituelle Bildzeichen oder auch an die fernöstliche Kunst der Kalligrafie.
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© Jörg Fiedler
Sylvia Faragó nimmt in ihrem „Hausaltar in Gelb“ eine christliche Symbolik auf.
Reisen in verschiede Länder, besonders nach Südamerika, führten bei Sylvia Faragó zu einer intensiven Auseinandersetzung mit den jeweiligen Kulturen und prähistorischer Kunst. Motive verweisen auf archaische Völker, wie etwa das Relief „Schamanenhaus in Blau“ von 1999 oder die dreidimensionalen Objekte „Vier Zelte“ (1994). Für das Relief „Hausaltar in Gelb“ nimmt sie mit dem Kreuz die Symbolik des Christentums auf. Ihre Buchobjekte, die in Vitrinen ausgestellt sind, enthalten keine Texte, sondern sind eigenständige Kunstwerke aus geschöpfter und gegossener Pulke, die die Struktur erschafft, und Farbe, wie in ihrem „Feuerbuch“ von 2001, das in Erdtönen und leuchtendem Rot und Orange gehalten ist.
Eröffnung Ab dem heutigen Freitag ist die Ausstellung „Aus allen Wolken“ im städtischen Graphik-Kabinett im Helferhaus zu sehen. Am Eröffnungstag ist sie von 17 bis 20.30 Uhr zu besichtigen, ansonsten gelten die Öffnungszeiten des Helferhauses. Der ursprünglich geplante Einführungsvortrag von Kuratorin Simone Scholten fällt krankheitsbedingt aus.
Reihe Die Ausstellung ist der Auftakt zu einer Folge von drei Kabinettausstellungen im Riecker-Raum, die sich unter dem Titel „Hintergründig“ den Landschaftsdarstellungen im Hintergrund der altmeisterlichen Grafik aus der Ernst-Riecker-Sammlung widmen. Zu Erde, zu Wasser und in der Luft: Es gibt viel zu entdecken in den Hintergrundlandschaften. Anhand von ausgewählten Beispielen stellt die erste Präsentation „Aus allen Wolken“ Konzepte des Himmels von der Antike bis in die Neuzeit vor: als Sitz paganer Gottheiten, als Handlungsort des christlichen Schöpfergottes, als Schauplatz eindrücklicher Wetterphänomene und als Lenker des menschlichen Schicksals. Den am Firmament erscheinenden Gestirnen und Planeten wird seit jeher ein Einfluss auf das irdische Geschehen zugeschrieben. Bis weit in die Neuzeit ist das Konzept des Himmels eng mit religiösen Vorstellungen verzahnt. Erst im Zuge der Emanzipation der Naturwissenschaften nehmen die Künste eine realitätsgetreue Darstellung des Himmels in den Fokus.