Fall Lindemann bei „Hart aber fair“
Thomas Steins Aussagen sorgen für Diskussionen
In Louis Klamroths Talksendung „Hart aber fair“ wird über die Vorwürfe gegen Rammstein-Sänger Till Lindemann gesprochen. Vor allem die Haltung von Musikmanager Thomas Stein erregt Widerspruch.
Von Theresa Schäfer
„Der Fall Rammstein und die Folgen: Männer, seid Ihr wirklich noch nicht weiter?“ – unter dieser Überschrift wurde am Montagabend in der ARD bei „Hart aber fair“ mit Louis Klamroth diskutiert. Für Debatten in den sozialen Medien sorgten vor allem die Aussagen des Musikmanagers Thomas M. Stein.
Der aus Stuttgart stammende Stein, der unter anderem die deutsche Girl-Band Tic Tac Toe und Lou Bega managte und als Jurymitglied der Castingshow „Deutschland sucht den Superstar“ bekannt wurde, kennt Rammstein und den Leadsänger Till Lindemann laut eigenen Aussagen persönlich.
In jüngster Zeit hatten mehrere Frauen - teilweise anonym - Vorwürfe gegen Lindemann erhoben. Junge Frauen seien während Konzerten ausgewählt und gefragt worden, ob sie zur Aftershowparty kommen wollten. Dabei soll es nach Schilderungen einiger Frauen auch zu sexuellen Handlungen gekommen sein. Lindemann weist die Vorwürfe gegen sich zurück und lässt sich anwaltlich vertreten. Die Staatsanwaltschaft Berlin hat ein Ermittlungsverfahren gegen Lindemann eingeleitet.
Auf die Frage, ob Stein von den Vorwürfen gegen den Rammstein-Sänger überrascht sei, antwortete der Musikmanager: „Eigentlich sind die im normalen Umfeld ganz angenehme, gesprächsbereite nette Zeitgenossen. Deswegen bin ich verwundert – aber ich weiß ja nicht, was passiert ist. Alles was wir hier hören, sind Mutmaßungen.“
Eine „Row Zero“ habe es schon immer gegeben, so Stein weiter. „Das gab’s bei Gotthilf Fischer, das gab’s bei Roberto Blanco, das gibt’s bei Heino und das gibt’s bei Rammstein.“
Vor allen eine Aussage brachte Stein in den sozialen Medien aber viel Kritik ein: „Wie der sich auf der Bühne ausarbeitet, wie der mit 60 Jahren über die Bühne rennt – dann soll der da plötzlich noch da runter gehen und plötzlich noch jemanden beglücken? Also da muss er ins Museum, denn das ist eine Kraft, die kannst du eigentlich gar nicht aufbringen.“
Dem Musikmanager wurde „Mansplaining“...
Mal eben die Berichte von zahlreichen Frauen wegmansplained und mutmaßliche Vergewaltigung als "beglücken" bezeichnet: nur noch widerlich. pic.twitter.com/BJUUWt35Po — Matthias Ubl (@MatthiasUbl) June 19, 2023
... oder Naivität vorgeworfen:
Habe schon viel Blödes gehört aber Thomas Stein, der nicht fassen kann, dass Lindemann nicht auf Konzerten kurz unter die Bühne rennt um sexuelle Handlungen durchzuführen - weil er 60 (!) ist, gehört definitiv zu den Top 10.#Hartaberfair — Benny Illinger (@IamIllgner) June 19, 2023
Mit seiner Verteidigungslinie erweise Stein Rammstein einen Bärendienst:
Unschuldsvermutung hin oder her - aber Musikmanager #ThomasStein tut #Rammstein mit seiner verklärten Altherren-Romantik zu Sex, Drugs and Rock’n’Roll einen Bärendienst. #hartaberfair#TillLindemann — Johannes Zenner (@JoZenner) June 19, 2023
Stein sieht hingegen eine Vorverurteilung des Rammstein-Sängers: „Es wird hier jemand extremst vorverurteilt. (...) Ich bin um Gottes Willen nicht dafür, einen Peiniger zu beschönigen, ich finde das furchtbar und es gehört auch rigoros bestraft – aber es einfach so in den Raum zu stellen, ist meiner Ansicht nach eine Riesengefahr.“ Die Journalistin Stefanie Lohaus, die das Bündnis „Gemeinsam gegen Sexismus“ leitet, widersprach Stein und unterstrich die Glaubwürdigkeit der Frauen, die die Vorwürfe gegen Lindemann erheben. „Da noch von Mutmaßungen zu sprechen, finde ich zynisch.“
Mit der CDU-Kommunalpolitikerin Lisa Schäfer lieferte sich Lohaus ein Wortgefecht über das sogenannte „Catcalling“, das anzügliche Hinterherrufen oder Pfeifen, wenn Frauen vorbeigehen. „Was ich als unangenehm empfinde ist, wenn ich durch Brennpunktstraßen in größeren Städten laufe und mir junge Männer, deren Sprache ich teilweise nicht mal verstehe, Sprüche hinterherrufen. Da entsteht schon ein Gefühl der Unsicherheit.“ Lohaus konterte: „Mir geht’s so auf dem Oktoberfest!“
Die frühere Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU), inzwischen 86, sprach in Klamroths Sendung vom alltäglichen Sexismus, dem Politikerinnen zu ihrer Zeit im deutschen Bundestag ausgesetzt waren. „Ich habe erreicht, dass ich Bewusstsein bei den Menschen gebildet habe“, resümierte die Politikerin. Den Frauen von heute gab Süssmuth einen Appell mit auf den Weg: „Wartet nicht wieder ab, 100 Jahre, sondern handelt.“