Tournee-Theater aus Allmersbach im Tal: Auf den Bühnen im Ländle daheim

Klaus Ellmer aus Allmersbach im Tal ist mit seinem Tournee Theater Stuttgart seit mehr als 25 Jahren in ganz Baden-Württemberg unterwegs. Mehr als 1000 Auftritte habe er bereits hinter sich, sagt der 72-Jährige, der mittlerweile auch an die Nachfolge denkt.

Viel Kulisse braucht es nicht: Klaus Ellmer und Steffi Bepunkt können ihr aktuelles Stück „Heisenberg“ auf einem Platz, in jedem beliebigen Raum und notfalls sogar auf der Straße zum Besten geben. Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Viel Kulisse braucht es nicht: Klaus Ellmer und Steffi Bepunkt können ihr aktuelles Stück „Heisenberg“ auf einem Platz, in jedem beliebigen Raum und notfalls sogar auf der Straße zum Besten geben. Foto: Alexander Becher

Allmersbach im Tal. Manch ein Allmersbacher zeigt sich irritiert angesichts der aufwendig geschminkten Dame im grünen Kleid, die an diesem Morgen selbstbewusst über die Straße stöckelt, Passanten als „Darling“ bezirzt und wenig Anstalten macht, den heranfahrenden Autos aus dem Weg zu gehen. Kein Wunder: Nur wenige Anwohner der Brucknerstraße ahnen, dass mitten unter ihnen ein landesweit operierendes Theater residiert. Eine Bühne sucht man hier auch vergebens: Eine Bank, ein Kleiderständer, ein Paar Gummistiefel und ein pinkfarbener Paravent – fertig ist das Bühnenbild für „Heisenberg“, das aktuelle Stück des Tournee Theaters Stuttgart.

Über zwei Jahrzehnte, 24 Produktionen, rund 150 Schauspieler, mehr als 1000 Auftritte, allerdings nur wenige im Rems-Murr-Kreis, geschweige denn in Allmersbach. „Es ist komisch, wir sind in anderen Landesteilen viel mehr unterwegs. Wir spielen zum Beispiel sehr oft in Südbaden“, sagt Klaus Ellmer. Wie es der Name schon erahnen lässt, zieht das von ihm im Jahr 1998 gegründete Theater nämlich durch die Lande. Genauer gesagt durchs Ländle, denn die Engagements finden überwiegend im ländlichen Raum Baden-Württembergs statt. „Stuttgart ist mit Theatern gesättigt. Unser Gebiet fängt hinter Backnang oder Böblingen an. Da sind wir zu Hause.“

Mit englischen Komödien zum Erfolg

Pfedelbach, Schrozberg, Schwanstetten, Kandern – wer den Tourneeplan des Theaters studiert, muss das eine oder andere Mal die Landkarte zücken. Aber: Gespielt wird den ganzen Winter über, und das an fast jedem Wochenende, manchmal sogar Freitag, Samstag und Sonntag. Etwa die Hälfte der Engagements erfolgt durch Gemeinden, die andere beispielsweise durch Kulturvereine. „Das sind Einrichtungen, die ansonsten vor allem Kleinkünstler einladen, etwa Comedians, die es ja wie Sand am Meer gibt. Und wir decken eben den Theaterbereich ab“, so Ellmer. Dass Theater viel Platz und Technik benötige, hält er für einen Mythos, den er seit Langem zu entkräften versucht. „Wir spielen auch auf zwei mal zwei Metern. Ich brauche keine Vorhänge und Tralala. Wenn ich gefragt werde, welche Technik ich brauche, dann sage ich: Machen Sie das Licht an. Wenn es hell ist, dann spielen wir.“

Auch die Anfänge des Theaters liegen dem Namen zum Trotz keineswegs in der Großstadt, sondern in Berglen. Ellmer, damals um die 40 Jahre alt, hauptberuflicher Diplomingenieur und Vater von sechs Kindern, schloss sich einer Theatergruppe an, deren Leitung er auch sogleich übernahm. Zwei Jahre später gründete er das Tournee Theater. „Ich wollte nicht mehr diese selbst gebastelten Stücke spielen und hab mir deshalb die besten englischen Komödien ausgesucht, Ray Cooney und so weiter.“ Die Idee: Ellmer und sein Ensemble würden erfolgreiche Boulevardkomödien wie „Taxi, Taxi“ in Alltagssprache spielen. „Von Dialekt war damals ja noch keine Rede. Alltagssprache hieß für uns: leicht schwäbisch eingefärbt, aber wir wollten kein Bauerntheater machen.“ Als Regisseurin konnte er Susanne Heydenreich, die langjährige Intendantin des Theaters der Altstadt in Stuttgart, gewinnen. „Ich habe immer gute Leute gesucht, gute Regisseure und gute Stücke“, erklärt Ellmer. „Das habe ich 15 Jahre lang mit sehr großem Erfolg gemacht, dann war irgendwann eine Ermüdung da.“

Zeitweise setzte das Theater auf Stücke der Commedia dell’arte, etwa mit Molières „Die Gaunereien des Scapin“. Foto: Max Hertnagel

© Max Hertnagel

Zeitweise setzte das Theater auf Stücke der Commedia dell’arte, etwa mit Molières „Die Gaunereien des Scapin“. Foto: Max Hertnagel

Einen neuen Reiz fand Ellmer auf Kur: Vor herrlicher Kulisse in einem Kurpark wurde ein Stück von Molière aufgeführt. „So ein Theater hatte ich vorher gar nicht gekannt, das hat mich dermaßen geflasht“, schwärmt der 73-Jährige. „Damit begann die Phase, in der wir Comedia dell‘arte gemacht haben. Das ging noch mehr durch die Decke, weil so etwas im ländlichen Raum nicht existiert.“ Er suchte gezielt nach geeigneten Orten, nach Schlössern, Burgen und Klöstern. „So etwas kann man nicht in einer Gemeindehalle spielen. Einmal waren wir auf der Ruine Hohenneuffen, dabei schien die Abendsonne herein ... da schwebst du einfach.“

Kleines Ensemble, große Wirkung

Schließlich stieß Ellmer auf ein Theaterstück, das ihn für das Kammerspiel einnahm: „Der Gott des Gemetzels“ der französischen Schriftstellerin Yasmina Reza. „Vier Leute!“, ruft Ellmer. „Kaum Gepäck! Geniale Dialoge! Das ist natürlich viel einfacher zu organisieren.“

Weitere Themen

Das Tournee Theater spielte das Stück, danach folgten mehrere Stücke von Eric Assous, schließlich „Die Wunderübung“ von Daniel Glattauer und nun „Heisenberg“ von Simon Stephens. „Ein Stück wird etwa drei Jahre lang gespielt, das sind 60 bis 100 Aufführungen“, erklärt Ellmer. „Die Wunderübung“ sei allerdings weitgehend Corona zum Opfer gefallen, weswegen man derzeit beide Stücke parallel im Programm habe.

Gemeinsam mit Sophie Schneider (links), Dirk Deininger (2. von rechts) und Dorothea Baltzer (rechts) spielte Ellmer (2. von links) zwischen 2012 und 2017 auch den Kammerspiel-Klassiker „Gott des Gemetzels“ von Yasmina Reza. Foto: Tournee Theater Stuttgart

© Tournee Theater Stuttgart

Gemeinsam mit Sophie Schneider (links), Dirk Deininger (2. von rechts) und Dorothea Baltzer (rechts) spielte Ellmer (2. von links) zwischen 2012 und 2017 auch den Kammerspiel-Klassiker „Gott des Gemetzels“ von Yasmina Reza. Foto: Tournee Theater Stuttgart

Auch in der Zukunft wird das Tournee Theater auf Zwei- oder Dreipersonenstücke setzen, etwas anderes wolle er gar nicht mehr machen, sagt Ellmer. „Dadurch sind wir flexibler, aber auch günstiger.“ Große Tourneebühnen, die solche Stücke ansonsten bedienten, spielten beispielsweise in Waiblingen im Bürgerzentrum oder im Forum in Ludwigsburg. „Man braucht mindestens 500 Zuschauer, damit sich das rechnet. Wir kommen aber nur mit einem Pkw, übernachten nicht und haben keinen Technikertross. Wir können zu einem Bruchteil des Preises spielen. Und in diesem Preissegment sind wir quasi konkurrenzlos.“

Klaus Ellmer denkt an die Nachfolge

Mit über 70 denkt Klaus Ellmer mittlerweile allerdings auch an die Nachfolge für sein Theater. Hier kommt Steffi Bepunkt, seine Schauspielpartnerin bei „Heisenberg“, ins Spiel. Die Lehrerin aus Beutelsbach hat nebenberuflich die Schauspielschule Crearte in Stuttgart besucht und wurde von Ellmer ins Boot geholt, weil sie gut auf die Rolle passte. Mittlerweile haben sie sich als Team so gut eingespielt, dass Ellmer sich die Schauspielerin als Nachfolgerin vorstellen kann. „Wir tasten uns an eine Übergabe heran. Es wird aber ein fließender Übergang sein. Damit ist ja viel Organisatorisches verbunden und es muss für sie handlebar bleiben.“

Steffi Bepunkt ist im Tournee Theater jedenfalls voll angekommen: „Es passt sehr gut in meinen Alltag. Man spielt fast nur am Wochenende, das auch nur im Winter, und man ist in der Regel abends wieder zuhause.“ Eine große, feste Bühne locke sie kaum. „Es hat einen total eigenen Reiz. Es ist jedes Mal anders, weil die Bühne immer eine andere ist.“ Unlängst sei man etwa bei einem Auftritt in Karlsruhe mit einer Säule auf der Bühne konfrontiert gewesen, die man dann kurzerhand ins Stück einbezogen habe. „Wir improvisieren ohne Ende, und das ist super“, sagt die Schauspielerin.

Termine Das Tournee Theater Stuttgart spielt sein Stück „Heisenberg“ am Sonntag, 10. November, um 19 Uhr im Kulturhaus Klosterhof in Murrhardt. Die Tickets kosten 15 Euro (ermäßigt 9 Euro) und sind online auf der Website der Stadt Murrhardt unter https://t1p.de/xqige, in der Touristinfo im Naturparkzentrum sowie bei BücherABC erhältlich. Weitere Termine und Infos findet man unter www.tourneetheater.net.

Zum Artikel

Erstellt:
5. November 2024, 06:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen