Ukraine: ZDF-Reportage über Journalisten im Kriegsgebiet
Vom Leben mit dem Krieg
Die sehenswerte „37 Grad“-Reportage „Gefährlicher Einsatz“ begleitet einen Fotografen und eine Journalistin bei ihrer riskanten Berichterstattung aus der Ukraine.
Von Tilmann P. Gangloff
In den frühen achtziger Jahren hat sich das internationale Kino in gleich mehreren Produktionen mit dem riskantesten aller journalistischen Berufsbilder beschäftigt: Filme wie „Ein Jahr in der Hölle“ (Peter Weir, 1982) „The Killing Fields – Schreiendes Land“ (Roland Joffé, 1983) oder „Under Fire“ (Roger Spottiswoode, 1983) zeigen, was es heißt, über Kriege, Krisen und Konflikte zu berichten.
Angesichts der lebensbedrohlichen Risiken, die in diesem Metier tagtäglich drohen, ist der Titel der „37 Grad“-Reportage „Gefährlicher Einsatz“ fast schon zu harmlos. Der Fotograf Vincent Haiges (36), der schon in Schützengraben war, beteuert allerdings, kein Bild sei es wert, dafür zu sterben. Aber auch in Kiew ist es nicht sicher, wie die Journalistin Elisabeth Bauer (29) am eigenen Leib erfährt, als mitten in der Nacht ein Alarm ertönt und sie in die nächste Metrostation flüchten muss.
Was treibt die Journalisten an?
Das Risiko galt natürlich auch für Daniel Sager, den Autor der Reportage, denn er hat die beiden bei ihren Reisen begleitet. Er dokumentiert zwar auch, wie solche Männer und Frauen arbeiten, deren Bilder und Berichte über die Ereignisse in der Ukraine informieren, aber mindestens genauso interessant ist die Frage, was sie antreibt. Weder Haiges noch Bauer machen den Eindruck, als seien sie „Danger-Freaks“, die die Gefahr suchen, im Gegenteil. Der freiberufliche Fotograf fährt bereits zum achten Mal in die Ukraine, plant die Reise jedoch, als wäre es das erste Mal, um die Risiken zu minimieren. Bauer war beim Überfall durch Russland im Februar 2022 bereits vor Ort: Sie hat in Kiew Slawistik studiert, sie spricht Ukrainisch und Russisch. Sager begleitet sie unter anderem nach Butscha; der Name des Kiewer Vororts steht wegen der Kriegsverbrechen, die die russischen Truppen hier begangen haben, stellvertretend für die Grausamkeit dieses Angriffskrieges.
Mit Haiges ist Sager, der zuletzt mit seinem sehenswerten Dokumentarfilm „Erfundene Wahrheit“ die erstaunliche Geschichte des „Spiegel“-Hochstaplers Claas Relotius rekonstruiert hat, in Richtung Osten in die Nähe der Front gefahren. Der Fotograf, dessen Bilder international gefragt sind, berichtet hier über die Arbeit eines Sanitätsbataillons, das verletzte Soldaten in eine Klink transportiert. Er will „das Grauen vorstellbar machen“. Fotografieren bedeutet für ihn, eine Situation zu „übersetzen“. Ein Bild ist für ihn gelungen, wenn es wiedergibt, was er selbst gefühlt hat: Wie riecht es, was hört man, welche Stimmung herrscht gerade?
Sachlich, aber nicht gefühllos
Auch für Bauer sind Gefühle ein wichtiges Motiv. Vor dem russischen Überfall galt ihr berufliches Interesse vor allem kulturellen Fragen. Womöglich unterscheidet sich ihre Arbeit gerade deshalb von der etablierten Auslandsberichterstattung. Sager wiederum hat auf jegliche Emotionalisierung verzichtet. Sein Kommentar kommt ohne jene plakativen Adjektive aus, die im Zusammenhang mit dem russischen Überfall gern verwendet werden: Der Tonfall seiner Reportage ist sachlich, aber nicht gefühllos.
37 Grad: Gefährlicher Einsatz: Dienstag, 22.15 Uhr, ZDF