TV: Das Dschungelcamp und vieles andere startet

Warum ist Reality-TV so beliebt?

Die nächste Dschungelshow startet an diesem Freitag – und viele andere Reality-Sendungen stehen in den Startlöchern: Vom Rentner-Dating über die „Bachelorette“ bis zum Alltag in der Schönheitsklinik. Warum sind diese Shows trotz aller Kritik auf dem Vormarsch?

Die Gastgeber der Dschungelshow: Sonja Zietlow und Jan Köppen

© RTL / Pascal Bünning

Die Gastgeber der Dschungelshow: Sonja Zietlow und Jan Köppen

Von Cornelia Wystrichowski

In der Rentner-Datingshow „Golden Bachelor“ lässt RTL bald einen Senior goldene Rosen an Singledamen über 60 verteilen, der Streamingdienst Joyn will in „Dr. Rick und Dr. Nick“ zwei Beauty-Docs beim Alltag in der Schönheitsklinik zuschauen, und im Jubiläumsspecial von „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!“ gehen Ex-Dschungelkandidaten wie Sarah Knappik oder Thorsten Legat noch einmal in den Busch. Kurzum: Eine ganze Welle neuer Realitysendungen kommt in nächster Zeit aufs Publikum zu. Das triviale Genre boomt mehr denn je – ungeachtet aller Kritik an den prinzipiell seichten, oft sogar höchst fragwürdigen Formaten.

RTLs Ekelshow feiert 20-Jahr-Jubiläum

RTL2 etwa plant für den Herbst eine Star-Variante seiner Kuppelshow „Love Island“, deren Teilnehmer auch schon mal Sex vor laufender Kamera haben, und RTL setzt in Kürze wieder auf sein „Sommerhaus der Stars“, in dem halbwegs bekannte Paare in ein schäbiges Bauernhaus bei Bocholt ziehen. Zusätzlich ist ein Spin-off des auf Krawall gebürsteten Formats in Vorbereitung, das schon oft mit Mobbing, Spuckattacken und Handgreiflichkeiten für Wirbel gesorgt hat – diesmal mit nicht-prominenten Teilnehmern. Und mit „Ich bin ein Star – Showdown der Dschungellegenden“ nimmt RTL das Jubiläum der vor 20 Jahren gestarteten, damals hochumstrittenen Ekelshow als willkommenen Anlass, im Sommer eine zusätzliche Staffel des Quotengaranten ins Programm zu hieven: Ab diesem Freitag können Zuschauer dabei sein, wenn 13 Teilnehmer aus früheren Staffeln noch mal ins karge Freiluftcamp ziehen, darunter DDR-Schauspielurgestein Winfried Glatzeder („Die Legende von Paul und Paula“): Dem Vernehmen nach locken die Dschungelmacher bei der Jubiläumsstaffel mit derart hohen Gagen, dass viele einfach nicht nein sagen konnten – Kakerlaken hin, Kakerlaken her. Anders als die reguläre Ausgabe kommt die Spezialausgabe aus Südafrika, nicht aus Australien, und die 17 Folgen wurden im Vorfeld aufgezeichnet.

Es soll so etwas wie den „Oscar“ für Selbstdarsteller geben

All die genannten Spektakel sind indes nur die Spitze des Eisbergs. RTL+ zeigt 2024 insgesamt 19 Reality-Formate, darunter eine neue Staffel von „Die Bachelorette“, und will im Dezember in der live übertragenen Galashow „Reality Awards“ an besonders herausragende Selbstdarsteller und Selbstdarstellerinnen sogar so etwas wie den „Oscar“ des Genres verleihen. Der Programmchef von Joyn, Thomas Münzner, sagte dem Branchendienst DWDL zudem kürzlich: „Es wird sehr, sehr viel mehr Reality bei Joyn geben. Insgesamt haben wir gleich acht neue Staffeln und Formate beauftragt, die alle noch in diesem Jahr bei uns zu sehen sein werden.“

Aber woher kommt der neue Hype um die Realityshows? Immerhin ist die Kritik an dem voyeuristischen Mix aus Personalisierung, Emotionalisierung und Konfliktpotenzial so alt wie das Genre selbst, das im Frühjahr 2000 mit der Schlüssellochshow „Big Brother“ das deutsche Fernsehen eroberte. Medienkritiker Oliver Kalkofe sieht den Trend skeptisch: „Wenn in solchen Sendungen vor allem lautes und asoziales Verhalten belohnt wird, dann kommt beim Zuschauer irgendwann die Erkenntnis an: Aha, so sind die Leute da draußen jetzt also. Und damit ändert sich auch die wirkliche Realität.“ Doch die Macher setzen ungebremst auf die Formate. Für RTL etwa ist die quotenstarke Dschungelshow ein wichtiges Zugpferd, die jüngste Staffel Anfang des Jahres mit Sängerin Lucy Diakovska als Siegerin erzielte bis zu 47 Prozent Marktanteil bei den 14- bis 49-Jährigen. Der Boom hat aber vor allem die Streamingdienste erfasst, schließlich ist die junge Zielgruppe der Realityshows eher auf Bezahlplattformen als im klassischen Fernsehen unterwegs. Selbst der Streaming-Gigant Netflix setzt nicht mehr nur auf Filme und Serien, sondern auf Flirten und Fummeln. Der deutsche Ableger des US-Formats „Too Hot to Handle” landete 2023 auf Platz eins der deutschen Netflix-Charts, und Amazon konnte mit der Show „The 50“ reüssieren, bei der 50 Realitysternchen in einem französischen Château gegeneinander antraten. Fortsetzungen beider Shows sind in Planung.

Eine Frage der guten Gagen

Die gefragtesten Gesichter des Genres kassieren gutes Geld – Realitystar Matthias Mangiapane etwa plauderte kürzlich öffentlich aus, dass er 2023 durchschnittlich 18 333 Euro brutto im Monat verdient habe, und ergänzte: „Ich würde den Beruf Realitystar definitiv nicht machen, wenn ich nicht so viel verdienen würde, wie ich verdiene.” Eine Win-win-Situation für Mitwirkende und Sender: Die massentauglichen Formate sind meist relativ billig in der Herstellung – für Netflix und Co., die ihre zahlenden Kunden mit immer neuer Ware bei der Stange halten müssen, lohnen sich Realityshows deshalb auf der ganzen Linie.

Aber was macht die Gattung so unwiderstehlich für ihre vielen Fans? Ganz einfach, glaubt Joan Bleicher vom Institut für Medien und Kommunikation in Hamburg: „Generell gilt beim Reality-TV das grundlegende menschliche Interesse am Leben der Anderen.“ Und der Psychologe Peter Walschburger von der Freien Universität Berlin erklärt am Beispiel der Show „Promi Big Brother“, die bald bei Sat 1 in eine neue Runde geht: „Die Sendung spricht in gewisser Weise unsere uralte soziale Natur an.“ Weil der Mensch selber Millionen von Jahren in kleinen Sozialverbänden gelebt habe, sei es spannend zu sehen, wie sich die Showkandidaten in einer Gemeinschaftssituation verhalten.

Für den Fernsehmacher Rainer Laux schließlich, der vor 24 Jahren „Big Brother“ nach Deutschland holte und zuletzt „The 50“ produzierte, liegt das Erfolgsrezept in einer ganz einfachen Mischung: „Drama, Spaß, Eskapismus und viel Spannung.“

Ich bin ein Star – Showdown der Dschungellegenden. Freitag, 16.8., 20.15 Uhr, RTL

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Erstellt:
15. August 2024, 17:52 Uhr

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