Neues Tanzstück von Katja Erdmann-Rajski
Was Primzahlen mit dem Leben zu tun haben
Die Stuttgarter Choreografin Katja Erdmann-Rajski ist von einem Mathe-Genie zu einem Tanzstück inspiriert worden. In „Ich bin nur anders“ geht es aber nicht allein um Primzahlen.
Von Andrea Kachelrieß
Nach Pippi Langstrumpf gilt das Interesse Katja Erdmann-Rajskis erneut einer Außenseiterfigur. Ihre diesem Thema gewidmete Reihe „Out of Order“ setzt sie mit dem Tanzstück „Ich bin nur anders oder Primzahlen sind wie das Leben“ fort, in dessen Zentrum der autistische Held aus dem Roman „Supergute Tage“ steht.
Frau Erdmann-Rajski, Ihr neues Tanzstück hat das Wort Primzahlen im Titel. Ist das nicht eher abschreckend?
Für mich war Mathe auch kein Lieblingsfach. Aber andere reagieren durchaus positiv auf den Titel, wie eine Umfrage unter Schülerinnen und Schülern gezeigt hat. Inspiriert hat mich zu meinem Stück der Protagonist aus Mark Haddons Roman „Supergute Tage“. Dieser Christopher ist ein Mathegenie. Er sagt, dass Primzahlen wie das Leben seien.
Wie kommt er denn darauf?
An einer Stelle vergleicht er Primzahlen mit dem Leben und sagt: „Sie sind zwar sehr logisch, aber man kommt nie hinter die Regeln, selbst wenn man die ganze Zeit über sie nachdenkt“.
Muss man den Roman kennen, um Ihrem Stück folgen zu können?
Nein, überhaupt nicht. Textpassagen, die mir wichtig sind, werden eingesprochen. „Supergute Tage“ ist eigentlich ein Krimi. Es geht um die Lösung eines Mordfalls, und wie bei einem Sonntagskrimi gibt es ein Happy End. Eingebettet habe ich Christophers Welt in Musik von Britten und Bach.
Wie passt ein Mathegenie in Ihre Reihe „Out of Order“?
Christopher ist jemand, der sich außerhalb von Normen bewegt und ganz anders lebt. „Supergute Tage“ erzählt über einen Kriminalfall von den besonderen Verhaltensweisen des 15-Jährigen, ohne dass der Begriff Autismus fällt. Das hat mich fasziniert, wie auch die Frage, wie wir mit diesem Anderssein umgehen. Wie können wir das aushalten, welche Emotionen entstehen da? Da sind auch persönliche Erfahrungen meines Teams eingeflossen.
Könnte eine Gesellschaft, die sich gerade mit Konsens schwertut, von Christopher lernen?
Ja, denn er schaut vorurteilsfrei auf die Welt und beschreibt, wie jemand ist, bewertet das aber nicht. Darüber stellt sich die Frage, wie viel Toleranz es braucht, damit ich auch mit anderen Meinungen klarkomme.
Tanz, der ja oft das Gemeinsame in Bewegungen abbildet, und Autismus: Passt das überhaupt zusammen?
Gute Frage. Es gibt einige solistische Parts, um Individualität und persönliches Empfinden darzustellen. Aber es gibt auch Momente, die das Anderssein auf eine Gruppe übertragen, in der jeder dieselbe Bewegung individuell interpretiert und so zu den anderen in Beziehung tritt. Das ist wie ein Satz, den jeder in seiner eigenen Sprachmelodie sagt. Auf der Bühne repräsentieren alle einen Teil von Christopher, bringen aber auch eigene Erfahrungen mit dem Anderssein ein.
Info
PremiereErstmals gibt es „Ich bin nur anders oder Primzahlen sind wie das Leben“ am 6. September um 20 Uhr im Treffpunkt Rotebühlplatz zu sehen. Weitere Vorstellungen am 7. und 8. September sowie im November und Januar. Karten unter 0711-1873-800
KünstlerinKatja Erdmann-Rajski, geboren in Aschaffenburg, befasst sich als Choreografin seit ihrer Ausbildung in Musikerziehung mit der Erweiterung der musikalischen Erfahrung durch den tanzenden Körper. 1999 promovierte sie über Gret Palucca, seit 2003 ist sie Professorin für Kulturpädagogik und Kulturelle Bildung an der EH Darmstadt.