Wieland Backes liest aus „Unmöglich!“

Sozialkritische Themen als kurzweilige Geschichten: Der bekannte TV-Moderator Wieland Backes (SWR-Nachtcafé) liest in der Stadtbücherei Backnang aus seinem neuen Erzählband vor.

Wieland Backes (rechts) liest ausgewählte Kurzgeschichten vor. Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Wieland Backes (rechts) liest ausgewählte Kurzgeschichten vor. Foto: Alexander Becher

Von Christoph Zender

Backnang. „Der berühmte erste Satz – ein essenzielles Stilmittel gelungener kurzer literarischer Texte“: Was nach einer wohlgemeinten Anleitung von Deutschlehrern für Schülerinnen und Schüler höherer Klassen klingt, hat sich beim Literarischen Abend in der Backnanger Stadtbücherei am Montag als Wieland Backes’ Erfolgsrezept entpuppt.

Dass die Anziehungskraft des ehemaligen Gastgebers des SWR-Nachtcafés auch viele Jahre nach seinem Abschied vom TV-Bildschirm ungebrochen ist, hat Marion Busch, Leiterin der Stadtbücherei, schon vor dem Abend selbst festgestellt. Nur mit Mühe war es ihr und ihrem Team gelungen, die rund 100 Gäste im Lesesaal unterzubringen. Alle waren gespannt, zu hören, was der Könner des gesprochenen Wortes in seinem neuen Erzählband „Unmöglich! Erfundene Geschichten, die das Leben schrieb“ zu Papier gebracht hatte.

Der Auftaktsatz seiner ersten Geschichte „Arm und Reich“ hat es in der Tat in sich. „Wie wird man eigentlich arm?“, lässt der Debütautor von Kurzgeschichten den elfjährigen Bodo, Spross einer ebenso altehrwürdigen wie wohlbestellten Adelsfamilie, seine Eltern fragen. Da gemeinhin diese Frage auf die genau entgegengesetzte vermögensbildende Richtung abzielt, hat sich Backes die Aufmerksamkeit seiner Zuhörerinnen und Zuhörer gleich gesichert. Man möchte unbedingt erfahren, was den Jungen zu dieser Frage treibt und was er damit bei seiner höchst irritiert reagierenden Familie auslöst. Wieland Backes gelingt es, mit der ihm eigenen ruhigen, ausbalancierten Erzählweise auf ein heiß diskutiertes gesellschaftliches Thema aufmerksam zu machen: die ungleiche Verteilung von Vermögen in unserem Land.

Zehn Kurzgeschichten hat er ausgewählt

Weitere Themen

Auch wenn er sich selbst immer als leistungsorientierten Menschen gesehen hat und Leistung für ihn auch entsprechend honoriert werden sollte, spürt der Schriftsteller die Notwendigkeit einer „Umverteilung auf sanften Wegen“, wie er es formuliert. Letztlich trifft seinen jungen sozialkritischen Protagonisten Bodo am Ende der Geschichte aber eine andere ernüchternde Erkenntnis: „Von den reichen Leuten kannst du das Sparen lernen.“ In dieser Wendung der Geschichte blitzt eine weitere Eigenschaft des Schriftstellers auf, die bereits für seine unzähligen TV-Moderationen charakteristisch war: sein feiner, mit sanfter Ironie gepaarter Humor.

Um sozialkritische Themen kreisen auch die beiden anderen Geschichten, die er aus insgesamt zehn Kurzgeschichten für seine Lesung in Backnang ausgewählt hat. In „Flaneur“ kann man die wundersam anmutende Wandlung des in den Ruhestand gegangenen erfolgreichen Automobilmanagers Heiner Becker hin zu einem sozial engagierten Menschen erleben. Auf seinem Lebensweg bereits weiter fortgeschritten ist das Mitte 80-jährige Ehepaar Hans und Maria Berger. Ihr bisheriges Leben in zwei Überseekoffer verpackt, so verlassen sie ihr Eigenheim in Richtung der edlen Seniorenresidenz „Belle Époque“, zugleich Titel der Kurzgeschichte, um dort aber nicht anzukommen. Was zunächst wie ein Krimi anmutet, entwickelt sich zu einer stilvoll verpackten Kritik an unserem Pflegesystem.

Die Frage des Moderators der Veranstaltung, Martin Hoffmann, ob er eigentlich nach seiner TV-Karriere auch mal mit der Rolle eines Flaneurs geliebäugelt hätte, verneint Wieland Backes: „Gepflegtes Nichtstun reizt mich ganz und gar nicht.“ Das lässt auf weitere Werke des in Oberbrüden aufgewachsenen Schriftstellers hoffen. Ob es auch mal ein Roman wird, lässt Backes an diesem Abend noch offen. Seine, wie er selbst sagt, „schriftstellerischen Fingerübungen“ finden bei seinen Fans an diesem Abend auch so reißenden Absatz. Selbstverständlich lässt es sich der 77-jährige Autor nicht nehmen, seine Bücher persönlich zu signieren. Diese Freude am unmittelbaren Kontakt zu seinem Publikum schätzen auch Andrea und Manfred Schubert aus Backnang an Wieland Backes: „Wir waren zwar keine Dauergäste im Nachtcafé, auf die Kurzgeschichten freuen wir uns aber sehr als Gute-Nacht-Lektüre.“

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Erstellt:
24. April 2024, 06:00 Uhr

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