100-Jährige Editha Humburg: „Ich erwarte immer noch was Neues!“

An diesem Sonntag begeht die Künstlerin Editha Humburg in Allmersbach im Tal ihren 100. Geburtstag. Gefeiert wird der runde Geburtstag im Gasthaus Löwen in Cottenweiler nach ganz speziellen Regeln der Jubilarin, die ihrer Persönlichkeit und ihren nachlassenden Kräften entsprechen.

Ihren Sinn für Schönheit hat sich Editha Humburg auch im Alter bewahrt. Am Sonntag feiert sie ihren besonderen Geburtstag. Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Ihren Sinn für Schönheit hat sich Editha Humburg auch im Alter bewahrt. Am Sonntag feiert sie ihren besonderen Geburtstag. Foto: Alexander Becher

Von Uta Rohrmann

Allmersbach im Tal. Sie ist ein Original, menschenfreundlich, zugewandt, kreativ und immer noch vielseitig interessiert. Editha Humburg hat ihrer Lebensfreude anlässlich ihres 100. Geburtstags in einem Vierzeiler Ausdruck verliehen:

„Mit hundert fängt das Leben an,

mit hundert wird’s erst schön.

Mit hundert ist’s noch viel zu früh

am Glück vorbeizugehn!“

Ihren Sinn für Schönheit erahnt man, wenn man ihr Zimmer im Alexander-Stift Allmersbach im Tal betritt. Ein dekorativer Blumenkorb steht auf dem Tisch, daneben das aufgeschlagene Gästebuch mit eigener Zeichnung und einem kleinen Gedicht, in dem sie sich bei Besucherinnen und Besuchern bedankt, die mit ihr das Tor ins neue Lebensjahrhundert durchschreiten. Dass sie sich gerne schön kleidet, hat auch mit ihrer uradeligen Herkunft zu tun – ihre Mutter stammte aus der berühmten Familie von Thüngen. In der 1000 Jahre alten Burg- und Schlossanlage in dem Ort nördlich von Würzburg, der nach der Familie benannt ist, hat Editha mit bis zu 45 Vettern und Cousinen manche Ferien verbracht. Das Kleid, das sie heute trägt, aus edlem Stoff, vornehm und doch schlicht, hat die Dame schon zu ihrem 90. Geburtstag ausgewählt. Ergänzt hat sie es durch ein großes Kreuz, das ihr nicht nur als Schmuck dient, sondern auch als Ausdruck ihrer innersten Überzeugung. Die Erfahrung, dass Gott Ja zu ihr sage, habe ihr geholfen, als Original zu leben und ihre Gaben zu entfalten, erzählt die Künstlerin.

Eines Morgens verkündete die Mutter: „Du bist jetzt verlobt“

Das war nicht immer so. „Zuhause wurde mehr von Verdammnis gesprochen als von Erlösung“, erzählt die 1923 geborene Pfarrerstochter. „Unbewusst habe ich die Vorstellung entwickelt, Gott sei grausam und verlange immer das Schwerste von mir.“ Dies führte sie in eine unglückliche Ehe. Werner Humburg, ehrbar, ein ausgezeichneter Ingenieur und ebenfalls Pfarrerssohn, schien aus Sicht ihrer Eltern ein idealer Ehemann für Editha, geborene Knappe, zu sein. „Du bist jetzt verlobt“, erklärte die Mutter der 20-Jährigen eines Morgens. Sie sagte nichts dagegen. „Ich wollte nicht heiraten, schon gar nicht diesen Mann. Ich wollte keine Hausfrau und Mutter sein, sondern Künstlerin. Ich hatte das Gefühl, meine Gaben ins Grab werfen zu müssen“, erzählt die Frau, die bereits als Siebenjährige Schillers „Wilhelm Tell“ als Puppentheater nachspielte.

Gelebter Glaube war ein Schlüsselerlebnis

Als junge Ehefrau habe sie eine schwere Depression entwickelt. Neben kompetenter Unterstützung durch einen Psychotherapeuten waren es zwei Zitate des Kirchenvater Augustinus, die sie gedanklich aus der Sackgasse befreiten: „Gott ist Liebe und ist es in allem. Diese Wahrheit, ganz geglaubt, vermag mein Leben zu verwandeln“ und: „Danke Gott für alles, auch für das, was du dir nicht gewünscht hast.“ Diesen Rat umzusetzen sei ein Schlüsselerlebnis gewesen: „Ich habe angefangen, Gott für meine Kinder zu danken und für meinen Mann, den ich am liebsten auf den Mond geschossen hätte. Das hat Kräfte freigesetzt, die mir geholfen haben, den Haushalt zu bewältigen und kreativ zu sein.“ Theaterstücke entstanden, aus Alltagsreflexionen geboren, wie dies: „Seenot. Eine Geschichte für untergehende Hausfrauen und ähnlich gebeutelte Leute“, die zunächst in ihrer damaligen Stuttgarter Kirchengemeinde zur Aufführung kamen. Die ausgebildete Gärtnerin schrieb Hörspiele, führte Puppenspiele in Schulklassen und auf Festveranstaltungen auf, schrieb Geschichten, in denen sich ihre Glaubenserfahrungen widerspiegeln, zeichnete Postkarten mit witzigen und tiefgehenden Botschaften. Als leidenschaftliche Eis- und Ausdruckstänzerin bildete sie sich fort und bot Kurse und Seminare an.

Erinnerungen an die letzten Wochen mit ihrem Mann

Das Schönste, das sie erlebt hat? Der letzte Abend des gemeinsamen Urlaubs mit ihrem Mann im Sommer 1987 bei Füssen. Sie hatte im Restaurant getanzt. Da sagte er etwas, was er zuvor noch nie gesagt hatte: „Warum hörst du auf? Tanz bitte weiter – es ist so schön, wie du tanzt!“ „Das war wie Balsam auf meine Seele. Ich dachte: Jetzt merkt er, wer ich bin“, erinnert sich Editha Humburg. Sie fühlte eine nie gekannte Übereinstimmung. „Zum ersten Mal konnten wir gemeinsam beten und auch Differenzen zur Sprache bringen.“ Vier Wochen später starb er an Lungenentzündung.

Mit ihrer Enkelin Silke Kriese, einst Mitglied in Humburgs Kindertanzgruppe „Die Federn“, hat sie 2005 die Editha-Geschichten GbR gegründet. In dem ehemaligen Gasthaus Löwen in Cottenweiler hat das Ehepaar Kriese auch Raum für Theateraufführungen, Lesungen und andere Veranstaltungen geschaffen.

Ausgewählte Gäste dürfen zum späten Frühstück kommen

Hier feiert Editha Humburg auch ihren besonderen Geburtstag, den Silke Kriese managt. Die alte Dame hat dazu einige Regelungen getroffen, die ihrer Persönlichkeit und ihren nachlassenden Kräften entsprechen. Zu einem späten Frühstück kommen ausgewählte Gäste. „Da redet immer nur einer und alle hören zu. Es geht nicht, dass alle durcheinanderquatschen.“ Zum Mittagessen hat sie sich Hawaii-Toast gewünscht – keinen Braten, zum Kaffee Erdbeerkuchen. Mit der Großfamilie – drei Kinder, zehn Enkel und sechs Urenkel – sowie Freunden möchte sie auch singen, ihre Lieblingsinstrumente Harfe und Violine werden gespielt. Doch sie wird sich auch in einen gesonderten Raum zurückziehen. „Die können rauschen für sich und ich gebe Audienz“, meint sie.

„Für mich war das Leben immer aufregend und reich“, resümiert Editha Humburg. „Und ich erwarte immer noch was Neues!“

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Erstellt:
17. Juni 2023, 16:00 Uhr

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