370 neue Wohnungen in der Oberen Walke

Ausschuss segnet Rahmenplan bei einer Gegenstimme ab – Dibag verändert die Planung und schafft Retentionsersatz im Gebiet

Lange Zeit hat sich im Areal Obere Walke nichts getan, aber jetzt möchte die Dibag Industriebau durchstarten. Der Investor hat einen Plan vorgelegt, wonach in dem fünf Hektar großen Gebiet am Rande der Backnanger Innenstadt 370 Wohnungen entstehen sollen. Um die Forderungen des Hochwasserschutzes zu erfüllen, wurden die Pläne verändert und die Bauzone von der Murr wegverlagert. Der Ausschuss Technik und Umwelt des Gemeinderats hat den Entwurf bei einer Gegenstimme grundsätzlich gutgeheißen.

Östlich der Backnanger Innenstadt soll ein neues Wohnquartier entstehen. Die Anforderungen aus dem Hochwasserschutz bremsen den Investor nicht mehr aus. Visualisierung: Wick und Partner, Stuttgart

Östlich der Backnanger Innenstadt soll ein neues Wohnquartier entstehen. Die Anforderungen aus dem Hochwasserschutz bremsen den Investor nicht mehr aus. Visualisierung: Wick und Partner, Stuttgart

Von Matthias Nothstein

BACKNANG. Die Historie der Neubebauung der Oberen Walke ist lang. Baudezernent Stefan Setzer sprach am Donnerstagabend gar von einem „wohlvertrauten Thema“ und erinnerte daran, dass in der Vergangenheit verschiedene Ideen entwickelt und in schöner Regelmäßigkeit wieder verworfen worden sind. Nun aber präsentierte Michael Schröder vom Stuttgarter Stadtplanungsbüro Wick und Partner einen Rahmenplan, der große Chancen zur Realisierung habe, weil er Antworten auf die Anforderungen des Hochwasserschutzes gebe.

Entstehen soll ein gemischt genutztes Quartier mit dem Schwerpunkt Wohnungsbau. Aber auch Büro-/Gewerbeflächen und ein Altenheim oder Gastronomie sollen im Bereich zur Innenstadt hin möglich sein. In der Gartenstraße könnten zu Beginn und zum Ende der Bebauung jeweils achtgeschossige Hochbauten errichtet werden. Die übrigen Gebäude sind viergeschossig geplant. Laut der aktuellen Planung könnten so bis zu 370 neue Wohnungen entstehen. Das Quartier wird „autofrei“ konzipiert, alle Autos sollen in Tiefgaragen geparkt werden.

Es ist vorgesehen, die Fläche in drei Abschnitte zu unterteilen und diese nacheinander zu bebauen. Für alle Flächen wurde das wegfallende Überschwemmungsvolumen neu berechnet. Zudem wurde der Entwurf so optimiert, dass es möglich ist, den gesetzlich vorgeschriebenen Retentionsausgleich innerhalb des Plangebiets herzustellen. Hierzu wurde die südliche Kante der Baufelder gegenüber früheren Planungen so weit nach Norden (in Richtung Gartenstraße) verschoben, dass zwischen dem Uferweg der Murrpromenade und den Häusern ein neuer Überschwemmungsbereich entstehen kann. Es handelt sich dabei um naturnah gestaltete große Mulden.

Zu Verzögerungen bei der Bebauung wegen der Hochwasserproblematik scheint es daher nicht zu kommen. Schröder zeigte auf, dass der westliche Abschnitt, der erste aus Richtung Stadtmitte, fast vollständig außerhalb der Überschwemmungsfläche liegt. Und der mittlere Teilbereich kann durch den geplanten Retentionsraum voraussichtlich im Plangebiet ausgeglichen werden. Anders verhält es sich mit dem dritten Abschnitt. Er kann voraussichtlich erst dann realisiert werden, wenn das Gebiet dank der Hochwasserrückhaltebecken von Oppenweiler, Sulzbach an der Murr und Murrhardt nicht mehr überschwemmt wird.

Willy Härtner (Grüne) stimmte als Einziger gegen den Rahmenplan und die erneute Aufstellung des Bebauungsplans. Er monierte das Fehlen eines Ideenwettbewerbs, obwohl hier ein ganzes Stadtquartier neu entstehen soll. Zudem gefiel ihm nicht, dass alle Gebäude Flachdächer erhalten sollen, Backnang werde immer mehr zu „Flachdachhausen“. Und es fehlte ihm ein energetisches Konzept, das in Richtung Klimaneutralität ziele.

Mehrere Stadträte vermissen Ideenwettbewerb

Das Fehlen des Ideenwettbewerbs begründete Setzer damit, dass es in diesem Gebiet schon viele Jahre Überlegungen in allen Variationen gegeben habe. „Der jetzige Entwurf ist auch nicht in Stein gemeißelt.“ Alleine für den Entwurf aus dem Jahr 2016 habe es mindestens vier Varianten gegeben. Aber auch Ute Ulfert und Gerhard Ketterer (beide CDU) erinnerten daran, dass in der Vergangenheit eine engere Beteiligung des Gemeinderats versprochen war. Setzer sicherte zu, dass die Räte im Gestaltungsbeirat mit Sicherheit noch ihre Ideen einbringen können.

Bezahlbarer Wohnraum – das heikle Thema wurde nicht ausgeklammert. Setzer forderte einen vernünftigen und vertretbaren Anteil an solchen Wohnungen. Dibag-Prokurist Sebastian Kuhlen deutete hier Verständnis an. „Mit dieser Forderung steht Backnang nicht allein da.“ Er kündigte an, die Wohnungen nicht zu verkaufen, vielmehr werden sie im Besitz der Dibag bleiben. Kuhlen: „Wir haben derzeit 20000 Wohnungen im Bestand und bauen aktuell in Berlin, Potsdam, München und Augsburg etwa 3000 neue Wohnungen.“ Heinz Franke (SPD) würdigte, „dass die Dibag soziale Verantwortung übernimmt und auf Geschosswohnungsbau setzt und die Wohnungen selbst verwaltet“. Er nannte den neuen Vorstoß spannend und zeigte sich im Grundsatz erfreut, dass sich wieder etwas tut. Auch das, was Kuhlen als „Strategiewechsel“ bezeichnet hatte, nämlich die Abkehr vom „eher individuellen, parzellenbezogenen Einfamilienwohnhaus“, lobte Franke. Sorge bereitete ihm, dass die Bebauung entlang der Gartenstraße erneut Straßenschlucht-Charakter annehmen könnte. In der Weissacher Straße sei dies passiert, so Franke. „Das war ein Fehler.“ Schröder und Setzer versuchten, diese Bedenken auszuräumen. Fast 20 Meter Straßenbreite und deutlich geringere Gebäudehöhen seien eine deutliche Verbesserung zur früheren Bebauung.

Noch sind viele Fragen offen. Wenn in dem Gebiet einmal 800 bis 1000 Neubürger wohnen, wie sieht es dann mit Kitas aus, wollte etwa Franke wissen. Oder: Warum ist die Bebauung (mit Tiefgaragen) jetzt möglich, obwohl es doch immer hieß, es seien Altlasten im Boden? Und was passiert mit den Tiefgaragen, wenn es ein 100-jährliches Hochwasser gibt? Und Pia Täpsi-Kleinpeter (SPD) hakte nach: Werden wirklich so viele Bäume gepflanzt, wie der Entwurf suggeriert? Oder heißt es später, auf Tiefgaragen dürfen keine Bäume stehen? All die Punkte seien entweder kein Problem oder würden im Laufe des Verfahrens geklärt. Und so blieb Ute Ulfert das Schlusswort: „Die Obere Walke ist ein sehr gutes Quartier, das lange unterschätzt wurde. Es hat eine Traumlage an der Murr, und von dort geht es eben in die Innenstadt. Der Entwurf ist gut, damit kann man sehr gut weiterarbeiten.“

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Erstellt:
23. Februar 2019, 06:00 Uhr

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