86 Milliarden Euro: Bund und Bahn klotzen bei Gleissanierung

dpa Berlin. An vielen Stellen im Schienennetz gibt es großen Investitionsbedarf. Eine neue Vereinbarung zwischen Bund und Bahn sieht gewaltige Summen für den Konzern vor. Die Gewerkschaft sagt: Das reicht nicht.

Ein ICE-Sprinter vor einer Testfahrt auf der Neubaustrecke Erfurt-Bamberg: Die Schnellfahrstrecke zwischen Berlin und München war für die Bahn ein Erfolg. Foto: Martin Schutt

Ein ICE-Sprinter vor einer Testfahrt auf der Neubaustrecke Erfurt-Bamberg: Die Schnellfahrstrecke zwischen Berlin und München war für die Bahn ein Erfolg. Foto: Martin Schutt

Viele Gleise, Weichen und Brücken sind marode - die Deutsche Bahn muss zum Erhalt des Schienennetzes in Deutschland einen immensen Sanierungsstau abarbeiten. Der Bund und der Konzern wollen dies nun stärker als bisher angehen.

Eine neue Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung zwischen dem Bund und der Bahn sieht für die kommenden zehn Jahre ein Gesamtvolumen von rund 86 Milliarden Euro vor, wie Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) mitteilte. Das ist erheblich mehr Geld als bisher.

„Wir haben mit der Deutschen Bahn das größte Modernisierungsprogramm für die Schiene vereinbart, das es je in Deutschland gab“, sagte Scheuer. Ziel sei ein leistungsfähiges, hochwertiges Schienennetz als Grundlage für „aktiven Klimaschutz“ im Verkehr. Bahn-Infrastrukturvorstand Ronald Pofalla sprach von einem „großen Erfolg“ für die Bahn-Kunden. Der Konzern habe einen enormen Kraftakt vor sich.

An vielen Stellen im 33.000 Kilometer langen Schienennetz gibt es großen Investitionsbedarf wegen teils maroder Brücken und Anlagen. Auch viele Schienenstrecken sind in die Jahre gekommen. Dies ist auch ein Grund für Verspätungen bei der Bahn sowie anderer Störungen. In den ersten sechs Monaten kam gut jeder fünfte Fernverkehrszug der Deutschen Bahn zu spät - die Pünktlichkeit hat sich unterm Strich im Vergleich zum ersten Halbjahr 2018 leicht verschlechtert.

Bund und Bahn verständigten sich nun auf wesentliche Regelungen für die neue Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV). Diese regelt die Investitionen in die Modernisierung und den Erhalt des deutschen Schienennetzes und soll ab Beginn des kommenden Jahres bis zum Jahr 2029 gelten.

Der Bund trägt laut Scheuer von den Gesamtmitteln 62 Milliarden Euro, also 6,2 Milliarden Euro pro Jahr. Dies sei eine Steigerung gegenüber der bisherigen Vereinbarung um 59 Prozent. Hinzu kämen Eigenmittel der Deutschen Bahn in Höhe von 24,2 Milliarden Euro. Der Vertragsentwurf werde nun fertig gestellt. Der Bundestag muss der Vereinbarung dann zustimmen.

Die auslaufende Vereinbarung für die Jahre 2015 bis 2019 sah im Jahresschnitt rund 5,6 Milliarden Euro für den Erhalt des Schienennetzes vor. Die Beträge sollen nun stark steigen, und zwar schrittweise. Von 2020 bis 2024 sind nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur jährlich im Durchschnitt 7,9 Milliarden Euro vorgesehen, von 2025 bis 2029 dann im Schnitt 9,2 Milliarden. Für das Jahr 2029 ist der höchste Betrag von 9,6 Milliarden vorgesehen.

Im Entwurf für den Bundeshaushalt 2020 sind für die geplante neue Finanzvereinbarung mit der Bahn bis 2029 als „Infrastrukturbeitrag“ insgesamt 51,4 Milliarden Euro eingestellt worden. Der Rest kommt dem Vernehmen nach aus anderen Töpfen.

In der neuen Vereinbarung soll dem Vernehmen nach erneut ein Passus eingefügt werden, dass die Dividendenzahlungen des bundeseigenen Konzerns an den Bund für den Erhalt des Netzes eingesetzt werden.

Bahn und Bund hatten lange über eine neu Vereinbarung verhandelt, nun wurde eine Einigung erzielt. Den „Sack zugemacht“ hätten Pofalla, Verkehrs-Staatssekretär Michael Güntner und Finanz-Staatssekretär Werner Gatzer, hieß es.

Bei der Vereinbarung muss die Bahn als Eigentümerin des Netzes m Gegenzug zu staatlichen Zuschüssen Berichte über den Zustand und die Leistungsfähigkeit abgeben.

Zur der Abmachung gehört, dass die Bahn in den nächsten zehn Jahren rund 2000 Brücken erneuert. In der noch gültigen Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung war die Sanierung von 875 Brücken bis 2019 festgelegt worden.

Die Vereinbarung bezieht sich auf das bestehende Netz, der Bau neuer Strecken ist nicht erfasst. Neben der Bahn nutzen andere Anbieter die Trassen und zahlen dafür Gebühren an den Konzern.

Kritik kam von der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG): „Die genannten 86 Milliarden klingen gigantisch, aber damit wird versucht, die wahre Situation zu verschleiern“, sagte der EVG-Vorsitzende Alexander Kirchner. Die Schiene sei über Jahrzehnte vernachlässigt und auf Verschleiß gefahren worden. „Das rächt sich heute in einem gewaltigen Investitionsrückstau, der gegenwärtig auf 60 Milliarden Euro zuläuft.“ Mit den nun vorliegenden Zahlen werde in 10 Jahren das Durchschnittsalter bei der Bestandsinfrastruktur noch älter als heute und der Rückstau damit noch höher sein.

Auch der Geschäftsführer des Verbandes Allianz pro Schiene, Dirk Flege, sprach von einem riesigen Investitionsstau. „Die Baupreise steigen und der Bund kalkuliert mit einem großen Eigenbeitrag der Deutschen Bahn.“ Dies werde nicht reichen, um die Netzqualität spürbar zu verbessern

SPD-Fraktionsvize Sören Bartol sagte: „Wer mehr Verkehr auf der Schiene will, muss verhindern, dass uns die Schieneninfrastruktur wegrostet.“ Daher werde nun ein Milliardenprogramm auf den Weg gebracht. Die schwarz-rote Koalition hat sich zum Ziel gesetzt, die Bahn deutlich zu stärken. Bis 2030 soll die Zahl der Fahrgäste verdoppelt werden.

Die Stärkung der Schiene ist auch ein wesentlicher Teil von Vorschlägen im Klimakabinett der Bundesregierung. Am 20. September soll es eine Grundsatzentscheidung geben über ein Maßnahmenpaket für mehr Klimaschutz.

Ein Abbruchspezialist arbeitet in Hamburg an der Erneuerung einer Brücke, über die der gesamte Zugverkehr vom Hauptbahnhof der Hansestadt in Richtung Süden rollt. Foto: Sebastian Widmann

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Der ICE 595 passiert auf dem Weg von Berlin nach München den Flughafen Leipzig und eine Gleisbaustelle. Foto: Jan Woitas

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Ein Bautrupp der Bahn repariert das Gleisbett. Foto: Roland Weihrauch

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Arbeiten an der Tunnel-Baustelle in Rastatt Niederbühl, an der sich im August 2017 Bahngleise abgesenkt hatten. Foto: Uli Deck

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Erstellt:
26. Juli 2019, 21:18 Uhr

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