Abiturprüfungen schon voll im Gange
Seit Montag finden in Baden-Württemberg die Abiturprüfungen statt. Aufgrund der erschwerten Lernbedingungen in den vergangenen zwei Pandemiejahren gibt es auch in diesem Jahr einige Anpassungen für die Schülerinnen und Schüler.

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Gestern fand das Abitur im Fach Deutsch statt. Die Schülerinnen und Schüler vom Max-Born-Gymnasium legten die Prüfung in der Backnanger Stadthalle ab. Foto: A. Becher
Von Kristin Doberer
Backnang. „Yeah, we did it“, jubelt eine Gruppe von Abiturientinnen, als sie gestern Nachmittag um kurz vor 15 Uhr aus der Backnanger Stadthalle treten. Nach fast sechs Stunden haben die Schülerinnen und Schüler des Max-Born-Gymnasiums ihre Abiturprüfung im Fach Deutsch abgelegt. Die Abiturprüfungen starteten bereits am Montag, 25. April, mit den Fächern Italienisch, Portugiesisch und Spanisch. Insgesamt rund 47400 Schülerinnen und Schüler nehmen an der diesjährigen Abiturprüfung teil, davon etwa 31600 im allgemeinbildenden Bereich und rund 15800 an den beruflichen Gymnasien. Dazu gehören auch Anja, Paul und Lorena, die aufs Max-Born-Gymnasium gehen. Sie haben die Zeit voll ausgenutzt und bis zum Schluss geschrieben. Mit ihrer Leistung sind jedenfalls ganz zufrieden. „Es lief gut, glaube ich“, meint Paul. Er hat die Aufgabe 3 gewählt und einen Kommentar zum Thema Sprache und Höflichkeit verfasst. „Ich fand das Thema eigentlich ganz gut, da konnte man gut argumentieren.“ Auch Anja hat sich dafür entschieden. „Das konnte man wirklich gut umsetzen, ich habe ein gutes Gefühl“, meint die Schülerin.
Nicht ganz so gut lief es bei einem anderen Schüler. Er hat sich für die Interpretation eines Gedichts entschieden (siehe Infokasten). In der Vorbereitung und im Unterricht habe man sich schon viel mit Gedichtinterpretation beschäftigt, vorbereitet hat er sich auf die Deutschprüfung vor allem mit dem Lernen von Stilmittel, deshalb hat er sich für die Aufgabe 2 entschieden. „Ich hatte gehofft, dass ein gutes Gedicht drankommt“, meint er. „Aber das war leider gar nicht der Fall.“ Noch dazu sei die Zeit viel schneller vergangen, als er gedacht hatte. „Ich glaube, ich habe erst nach zwei Stunden überhaupt angefangen zu schreiben“, erzählt er.
Anpassungen der Rahmenbedingungen in Prüfungen aufgrund der Pandemie
Dabei gab es in diesem Schuljahr erneut etwas zusätzliche Zeit. Wie auch im vergangenen Jahr gibt es aufgrund der durch die Pandemiesituation entstandenen besonderen Herausforderungen eine Verlängerung der Arbeitszeit um 30 Minuten. Den Lehrkräften werden zudem zusätzliche Aufgaben zur Vorauswahl zur Verfügung gestellt, um eine bestmögliche Übereinstimmung zwischen Unterricht und Prüfung zu erreichen. Die Lehrkräfte konnten im Rahmen der vorgeschalteten erweiterten Lehrerauswahl im Fach Deutsch daher am gestrigen Mittwoch ab 6 Uhr aus verschiedenen Aufgaben auswählen. Das Ergebnis der Vorauswahl wurde dann den Schülerinnen und Schülern vorgelegt. In den Fächern, in denen wie im Fach Deutsch eine Schülerwahl von Aufgaben vorgesehen ist, bleibt diese Schülerwahl aber trotzdem in vollem Umfang erhalten. Ab 9 Uhr wählten die Schülerinnen und Schüler eine der ihnen vorgelegten Aufgaben aus und bearbeiteten diese. Bis 14.45 Uhr saßen sie an ihren Aufgaben. Für die Bearbeitung standen somit in diesem Jahr, einschließlich Einlesezeit und unter Berücksichtigung der 30-minütigen Arbeitszeitverlängerung, 345 Minuten zur Verfügung.
Von Corona sei bei der Vorbereitung des Abiturjahrgangs in den vergangenen Wochen aber nur noch wenig zu spüren gewesen, erzählen die Abiturientinnen und Abiturienten des Max-Born-Gymnasiums. Seit März sei die Coronalage an ihrer Schule recht ruhig. Trotzdem haben sie immer wieder die Befürchtung gehabt, sich kurz vor dem Abitur anzustecken, erzählt Anja. „Wenn man sich kurz vor den Prüfungen ansteckt und dann weniger Vorbereitung hat oder sogar nachschreiben muss, wäre das schon schwierig gewesen.“ Wie auch in den Schulen galt bei der Prüfung selbst – anders als noch im Jahr 2021 – keine Maskenpflicht mehr, lediglich auf den Gängen haben die Schülerinnen und Schüler freiwillig Masken tragen können. Und obwohl auch die beiden vergangenen Schuljahre noch sehr von der Pandemie und immer wieder dem Wechsel von Home- und Präsenzunterricht bestimmt war, sehen sie sich auf die Abiturprüfungen ganz gut vorbereitet. Zwar komme es auch immer auf den jeweiligen Lehrer an, meint eine Schülerin, „aber wenn man in den vergangenen zwei Jahren gut mitgemacht hat, behält man schon sehr viel“. In diesem Jahr findet die Abiturprüfung an den allgemeinbildenden Gymnasien zum zweiten Mal nach der neuen Abiturverordnung (AGVO) statt: Alle Schülerinnen und Schüler legen in ihren drei gewählten Leistungsfächern jeweils eine schriftliche Prüfung ab. Hinzu kommen verpflichtend mündliche Prüfungen in zwei weiteren Fächern. Der Prüfungszeitraum endet mit der Prüfung im Fach Geschichte bilingual Französisch am 10. Mai. Die Abiturienten, die gestern ihre Deutschprüfung abgelegt haben, können also noch nicht feiern. Für manche steht heute schon Biologie auf dem Plan, für andere geht es am morgigen Freitag mit Englisch weiter. Nach der Deutschprüfung ging es aber trotzdem nicht direkt zurück an den Schreibtisch. Nach den fast sechs Stunden Anstrengung wollen die Prüflinge vor allem eins: „Schlafen“, tönt es einstimmig aus der Gruppe.
Aufgabe 1 (Erörterung) Zur „Gretchentragödie“ in Johann Wolfgang Goethes „Faust“ war ein Interpretationsansatz des Literaturwissenschaftlers Michael Jaeger zu erörtern. Alternativ konnte folgende Aufgabe von den Lehrkräften ausgewählt werden: In einer vergleichenden Betrachtung von E.T.A. Hoffmanns (1776 bis 1822) „Der goldne Topf“ und Hermann Hesses (1877 bis 1962) „Der Steppenwolf“ war anhand eines Zitats von Rüdiger Safranski zu erörtern, ob die dort gemachte Aussage auf die beiden Figuren Anselmus und Harry Haller zutrifft.
Aufgabe 2 (Kurzprosa) Interpretation des Kurzprosatexts „Ihr Gesicht“ (2004) von Brigitte Kronauer. Alternativ konnte von den Lehrkräften eine Interpretation des Gedichts „Die Welt ist weit“ von Ingeborg Bachmann aus dem Jahr 1952 gewählt werden.
Aufgabe 3 (Kommentar) Zum Thema „Sprache und Höflichkeit“ war von den Schülerinnen und Schülern auf der Grundlage der vorgelegten Materialien ein Kommentar für die Reihe „Höflichkeit im Wandel – Der Verlust des guten Tons?“ in einer überregionalen Tageszeitung zu verfassen. Alternativ konnte von den Lehrkräften die Analyse und Erörterung eines pragmatischen Texts ausgewählt werden. Anhand eines Texts von Roberto Simanowski aus dem Jahr 2017 sollten die Folgen audiovisueller Kommunikation für Sprache und menschliches Selbstverständnis erörtert werden. Dazu gab es einen Textauszug aus Roberto Simanowski: Abfall. Das alternative ABC der neuen Medien.
Berufliche Gymnasien An den beruflichen Gymnasien konnten die Schülerinnen und Schüler sogar aus fünf verschiedenen Aufgaben auswählen. Darunter die Interpretation zu literarischen Werken im Kontext, die Interpretation eines Gedichts, die Interpretation eines Kurzprosatexts, ein Essay zu einem vorgegebenen Dossier oder die Analyse und Erörterung eines pragmatischen Texts.