Abraham sagt dem Straßenfestbüro in Backnang Servus

Der 40-jährige Eventmanager wagt nach zwei Jahren Festanstellung bei der Stadt Backnang wieder den Sprung in die Selbstständigkeit. Nach der Coronapandemie wird seine Agentur Riksha wieder von sehr interessanten und lukrativen Nachfragen geflutet.

Auch wenn die Gründe nachvollziehbar sind, so ist der Abgang von Sanoj Abraham doch ein großer Verlust für Backnang. Foto: Janine Kyofsky

© Janine Kyofsky

Auch wenn die Gründe nachvollziehbar sind, so ist der Abgang von Sanoj Abraham doch ein großer Verlust für Backnang. Foto: Janine Kyofsky

Von Matthias Nothstein

Backnang. Wer je Sanoj Abraham erlebt hat, wie er vor und während des 50. Backnanger Straßenfests als Kopf des Organisationsteams für das Jubiläumsfest gebrannt hat, der zuckt bei der Nachricht kurz auf: Der 40-Jährige beendet sein Engagement bei der Stadtverwaltung und kniet sich wieder voll in die Arbeit für seine Eventagentur Riksha rein. Doch schon auf dem zweiten Blick relativiert sich die Irritation. Denn Abraham hatte schon immer betont, dass er seine Agentur nur wegen der Coronapandemie und des daraus resultierenden Auftragsausfalls zurückgestellt hat. Im Herzen aber habe er immer getrauert, dass er seiner Leidenschaft, selbst Musik machen und auf der Bühne stehen zu können, nicht mehr nachkommen konnte.

Jetzt hat sich die Lage geändert. Die Nachfrage an Eventmanagern steigt gewaltig. Auch Abrahams Agentur liegen wieder lukrative Angebote vor, weshalb er sich entscheiden musste. Denn eines war für ihn glasklar: Beides – das Straßenfest-Büro und die Eventagentur – kann er nicht parallel stemmen. Die Entscheidung fiel zugunsten der Selbstständigkeit aus. Kein Wunder, war der quirlige Geschäftsmann vor der Pandemie doch schon 15 bis 20 Jahre lang sein eigener Herr und zu Stuttgarter Zeiten sogar Chef von drei Mitarbeitern.

Künftig bietet er Unternehmen und sonstigen Interessenten wieder ein Komplettangebot für Veranstaltungen an. Nicht nur dass er mit seiner Galionsfigur, der Nightliveband, selbst auf der Bühne steht und Musik macht, sondern er kümmert sich auch um das gesamte Technikpaket und andere Künstler. Als Praxisbeispiel nennt er den Auftrag eines großen Versicherungsunternehmens, das sich die Leistungen seiner Agentur gesichert hat. Im Raum steht eine zwölftägige Tour durch ganz Deutschland mit einem sechsstelligen Auftragsvolumen. Derzeit ist geplant, dass Abraham die gesamte Arbeit noch alleine stemmt, aber der Konzertveranstalter ist einem „gesunden Wachstum“ nicht abgeneigt.

Die Selbstständigkeit steckt Sanoj Abraham in den Genen

Als der Lockdown seine Agentur vor drei Jahren unbarmherzig in die Knie zwang, hielt Abraham seine Mitarbeiter noch ein halbes Jahr an Bord. Dann ging es nicht mehr. Jetzt sagt der zweifache Vater mit Blick auf die Zukunft: „Ich beginne zuerst einmal als One-Man-Show, aber ich werde Augen und Ohren aufhalten und fähige Mitarbeiter einstellen, sobald ich welche brauche.“ Abrahams Begründung für den Neuanfang geht noch weiter: „Die Selbstständigkeit bekommt man nicht aus einem heraus, die steckt einem in den Genen. Ich war vor meiner Zeit bei der Backnanger Stadtverwaltung nie angestellt. Jetzt juckt es mich wieder in den Fingern.“

Dessen ungeachtet ist er im Rückblick mit seiner kreativen Arbeit im Straßenfest-Büro sehr zufrieden. Als Beispiele der Kreativität zählt er das Redesign des Straßenfest-Plakats oder das Programm der Straßenmusiktage auf. Eigentlich will Abraham gar nichts besonders hervorheben. Vielmehr sagt er im Rückblick: „Die gesamte Tätigkeit war so erfüllend und spannend, dass es jederzeit viel Spaß gemacht hat. Besonders in dem Team und wegen der großartigen Zusammenarbeit im Kulturamt und mit den Ämtern untereinander.“ Der 40-Jährige lässt keinen Raum für Kritik an der Verwaltung. Im Gegenteil: „Ich hatte viele Freiheiten und war bei meiner Arbeit nicht eingeschränkt, es gab kein Korsett.“

Diese Einschätzung dürfte vermutlich vor allem die Verantwortlichen der Stadt freuen, da somit auch von Abrahams Seite offiziell widerlegt ist, es könnten Unzufriedenheit oder Probleme innerhalb des Amts der Auslöser für die Kündigung gewesen sein. Immerhin zeigte ein Insider großes Verständnis für Abrahams Abgang, indem er im Hinblick auf den Gestaltungsspielraum neckisch bemerkte, „es heißt ja auch Stadtverwaltung und nicht Stadtgestaltung“. Zudem hatte unlängst irritiert, dass zum Beispiel der neue Leiter der Stabsstelle Stadtmarketing und Wirtschaftsförderung, Matthias Friedrich, noch während der Probezeit der Stadt nach nur sechs Wochen wieder den Rücken gekehrt hat. Und auch der Sportmanager Manuel Schöpf, der Ende des vergangenen Jahres das Sport- und Kulturamt verstärken sollte, sagte bereits Mitte dieses Jahres wieder Servus.

Stadtverwaltung hat ein gutes und modernes Bild abgegeben

Doch Abraham will von all dem nichts wissen. Er erklärt, die Stadtverwaltung habe ein gutes und modernes Bild abgegeben: „Das Bild von einer verstaubten Stadtverwaltung, die heute noch mit dem Faxgerät arbeitet, all das trifft auf Backnang nicht zu.“ Und wie zum Beweis für das gute Verhältnis berichtet Abraham, er hoffe, dass seine Stelle, die er noch bis Ende September ausfüllt und die bereits offiziell ausgeschrieben ist, zeitnah wiederbesetzt werden kann. Dem Nachfolger sicherte er eine gute Übergabe zu, „selbst wenn ich schon weg bin“, und dass er sich auch künftig so gut es geht einbringen möchte. Er würde sogar sein privates Netzwerk bemühen, damit sichergestellt ist, „dass nächstes Jahr auch das 52. Backnanger Straßenfest ein großer Erfolg wird“. Diese Zusage wiegt umso mehr, weil mit Violeta Zobel aktuell auch die zweite Säule des Straßenfest-Teams ausfällt. Sie ist Mitte des Jahres in Elternzeit gegangen.

Der scheidende Straßenfest-Chef kündigt an, er werde in Backnang wohnen bleiben. Auch werde der Sitz seiner Agentur in Backnang angesiedelt sein. Sein Versprechen: „Ich bin nicht aus der Welt, ich bleibe in Backnang und werde im Bürgerhaus die eine oder andere Veranstaltungen organisieren und nicht nur damit meine Verbundenheit mit der alten Heimat demonstrieren.“

Auf Nachfrage schickt die Pressestelle der Stadtverwaltung folgende Stellungnahme: „Für die Stadt Backnang ist der Weggang von Sanoj Abraham ein großer Verlust und sehr bedauerlich. Gleichwohl sind seine Beweggründe gut nachvollziehbar. Er hat in den vergangenen zwei Jahren sehr gute Arbeit geleistet, das neu gegründete Festivalbüro auf Kurs gebracht und zahlreiche Events organisiert – allen voran das Jubiläumsstraßenfest wie auch das diesjährige Straßenfest. Dabei haben wir sehr von seiner Erfahrungen im Eventbereich profitieren können. Für seine weitere berufliche Zukunft wünschen wir ihm alles Gute.“

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Erstellt:
22. August 2023, 11:30 Uhr

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