Acht Bäume müssen gefällt werden
Hochwasserschutz in der Backnanger Talstraße zwingt Verwaltung zu unpopulärer Maßnahme – Im Februar wird die Säge angeworfen
In der Talstraße müssen insgesamt acht Bäume gefällt werden. Grund der unpopulären Maßnahme: Die Arbeiten zum Hochwasserschutz auf beiden Seiten der Straße und die Umgestaltung des Biegelwehrs zu einer sogenannten rauen Rampe. Auf der Seite zur Murr hin muss eine Baustellenzufahrt gebaut werden, auf der anderen Straßenseite wird ein unterirdisches Pumpwerk errichtet.

© Alexander Becher
Die Farbe signalisiert es eigentlich eindeutig: Die Tage dieses Baums sind gezählt. Doch speziell im Fall dieses Prachtexemplars prüft die Stadtverwaltung, ob es nicht Alternativen zur Fällung gibt. Eine endgültige Entscheidung steht also noch aus. Foto: A. Becher
Von Matthias Nothstein
BACKNANG. Die Murr hat (bislang) in ihrem Verlauf in der Stadt nur wenige idyllischste Abschnitte. Der Bereich entlang der Bleichwiese wurde zuletzt aufgehübscht, derzeit auch die Passage entlang der Oberen Walke. Aber den schönsten Baumbestand entlang des Gewässers gibt es bisher auf der linken Uferseite im Bereich der Grabenstraße. Zwar rauscht auf der viel befahrenen Talstraße der Verkehr nahezu Tag und Nacht. Aber die Bäume entlang des Gewässers verleihen der Straße fast so etwas wie einen Alleencharakter. Mächtige Bäume zieren den Straßenrand, die Altvorderen haben an einigen Stellen sogar das Geländer zwischen Fußweg und Murrufer um die wuchtigen Bäume herumgebogen, als deren Stämme im Lauf der Jahre immer dicker wurden.
Vier dieser prächtigen Bäume werden demnächst weichen müssen. Genau genommen handelt es sich um drei Linden und eine Kastanie. Und auf der anderen Straßenseite im Bereich einer Grünfläche zwischen der Straße und dem Mühlkanal müssen zusätzlich drei Linden und ein Trompetenbaum umgesägt werden. Der Grund für den Eingriff ist der Hochwasserschutz. So wird das bisherige Biegelwehr im Sommer zu einer rauen Rampe umgestaltet. Das heißt: Die Murr erhält eine Art Stromschnelle, bei der sie auf etwa 50 Meter Länge so viel Höhe verliert wie bislang am Wehr innerhalb weniger Meter. Zur Erinnerung: Beim früheren Adolff-Wehr erfolgte dieser Umbau schon vor vielen Jahren. Hintergrund der Umgestaltung ist, dass Wehre generell ein Hindernis für alle Fische und sonstigen Flusslebewesen bei deren Wanderung sind. Künftig soll der Fluss wieder von der Quelle bis zur Mündung durchlässig werden.
Die vier Exemplare am Murrufer sind zwischen 70 und 80 Jahre alt
Was künftig dem Wohl der Natur dient, stellt zuerst einmal einen harten Eingriff in selbige dar. Schließlich sind die Kastanie und die drei Linden am Murrufer zwischen 70 und 80 Jahre alt, die drei Linden und der Trompetenbaum ungefähr 30 Jahre alt.
In der jüngsten Sitzung des Gemeinderats wurden die Stadträte vonseiten der Verwaltung darauf vorbereitet, dass sie vermutlich sehr intensiv von der Bevölkerung angesprochen werden, wenn die Säge erst einmal ihr Werk verrichtet haben wird. Und weil es auch aus der Mitte des Gremiums schon die ersten Rückfragen gab, ob es nicht Alternativen zur Fällung geben würde, erklärte Backnangs Baudezernent Stefan Setzer nochmals die Gründe, weshalb die Maßnahme zwingend sei: „Aufgrund der Hochwasserschutzmaßnahmen muss das Hochwasserpumpwerk mit Mauern und Dämmen gesichert werden. Durch die Fundamentarbeiten wird sehr stark in den direkten Wurzelraum der Bäume eingegriffen, sodass die Verkehrssicherheit der Bäume nicht mehr gegeben ist. Deshalb ist auch nach intensiver Prüfung ein Rückschnitt der Bäume nicht möglich.“
Inzwischen gibt es jedoch Hoffnung, dass zumindest der mächtigste Baum direkt am Wehr gerettet werden kann. Setzer erklärte am Mittwoch, es würden Maßnahmen geprüft, ob der Hochwasserschutz an dieser Stelle nicht doch auch mittels mobiler Dammbalken gewährleistet werden könnte.
Die Fällarbeiten sollen im Verlauf des nächsten Monats erledigt werden. Die Fällungen und die Abfuhr des Holzes übernimmt ein Unternehmer. Das Holz wird laut Setzer in der Regel zu Hackschnitzeln verarbeitet.
Im direkten Bereich des künftigen Hochwasserpumpwerks können keine neuen Bäume nachgepflanzt werden. Allerdings gibt Setzer zu bedenken, dass nach Fertigstellung des Pumpwerks und der Hochwasserschutzmaßnahmen die Grünfläche zwischen Talstraße und Mühlkanal neu gestaltet werden soll. Setzer: „In diesem Zuge wird geprüft, ob und wenn ja an welcher Stelle und in welchem Umfang Neupflanzungen von Bäumen sinnvoll sind.“
Doch nicht nur in der Talstraße müssen Bäume gefällt werden, auch entlang der Straße nach Sachsenweiler werden demnächst Kettensägen zu hören sein. In diesem Fall handelt es sich hauptsächlich um Eschen, die an der Böschung in Richtung der Weißach stehen. Die Eschen sind Opfer eines Pilzes, der die Triebe absterben lässt. Wegen des sogenannten Eschentriebsterbens wird diese Baumart vermutlich ganz aus Deutschland verschwinden. Die Verantwortlichen haben an dem Hang 69 Bäume gezählt, die bereits abgestorben oder stark geschädigt sind. 37 Bäume haben einen Stammdurchmesser von 10 bis 25 Zentimeter, 31 Stämme sind 25 bis 50 Zentimeter dick und ein Baum liegt sogar noch darüber.
Aber auch auf der anderen Straßenseite müssen die Experten eingreifen. Dort müssen eine schräg hängende Robinie, die drei Stämme ausgebildet hat, und eine morsche Weide gefällt werden.
Die Fällungen sind laut Stadtverwaltung nötig, weil abgestorbene Äste oder auch ganze Bäume auf die Straße oder den Geh- und Radweg fallen und somit den öffentlichen Verkehr gefährden können. Deshalb ist es auch ganz klar, dass die nicht geschädigten Bäume stehen bleiben. Des Weiteren werden in diesem Gebiet auch keine Bäume nachgepflanzt, weil die Natur das schon selbst erledigt.
In der Vergangenheit wurden im Stadtgebiet mehrere Bäume gefällt und nicht beziehungsweise nicht sofort wieder nachgepflanzt. So an der Aspacher Brücke, in der Wassergasse oder im Bereich Obstmarkt. Die Begründung der Verwaltung lautet:
Die Kugelrobinien an der Wassergasse wurden gefällt, weil sie durch Fäule im Stammkopf teilweise abgestorben waren. Weil dort mittelfristig eine Umgestaltung vorgesehen ist, wurden die Bäume aktuell nicht ersetzt. Vor der Aspacher Brücke mussten die Baumhaseln wegen der Baumaßnahmen entfernt werden, sie wurden aber jetzt durch neue Bäume ersetzt. Vor dem Eine-Welt-Laden in der Schillerstraße/Am Obstmarkt musste der Baumstandort wegen der Marktstände und der Feuerwehrzufahrt entfallen.
Grundsätzlich gilt: Wo möglich und sinnvoll werden gefällte Bäume am gleichen Standort ersetzt oder an anderen Standorten Ersatzbäume gepflanzt. Diesen Herbst und Winter werden zum Beispiel 30 neue Bäume im gesamten Stadtgebiet neu gepflanzt.
Auch bei künftigen Neugestaltungen von Straßen wird laut Verwaltung darauf geachtet, dass überall neue Bäume gepflanzt werden, wo dies möglich und sinnvoll ist. So etwa bei der anstehenden Neugestaltung der Eduard-Breuninger-Straße und der Dilleniusstraße im Zuge der Kronenhöfe.
Baudezernent Stefan Setzer betont, dass die Stadtverwaltung im Vorfeld von Baumaßnahmen immer sehr intensiv prüft, wie vorhandene (gesunde) Bäume erhalten werden können. Gleichzeitig wird auch geprüft, wie im Zuge der jeweiligen Baumaßnahmen auch die Standortbedingungen für die Bäume verbessert werden können, die teilweise erheblichem Stress durch die Umweltbedingungen ausgesetzt sind. Setzer: „Fällungen sind immer Ultima Ratio.“
In der Röntgenstraße war ursprünglich geplant, fast alle Bäume zu fällen. Nach Protesten und einigen Umplanungen ist nun vorgesehen, alle Bäume zu erhalten. Und dies, obwohl im Straßenraum umfangreiche Sanierungs- und Neubaumaßnahmen anstehen. Gleiches gilt für die anstehende Neugestaltung der Gerberstraße.
Zudem weist die Verwaltung auch auf die Idee von Oberbürgermeister Frank Nopper, wonach für jeden in Backnang geborenen Erdenbürger künftig ein Baum gepflanzt werden soll (sofern die Eltern dies wünschen). Auf der Grundlage der Geburtenzahlen aus dem Jahr 2018 geht die Verwaltung von rund 60 Bäumen pro Jahr aus, die so zusätzlich gepflanzt werden könnten. Geeignete Standorte werden derzeit gesucht.