Ärger über ausgebliebene EM-Übertragung in Backnang

Die letzten Spieltage der EM-Gruppenphase konnten in der Backnanger Innenstadt teils nicht im Außenbereich angeschaut werden. Der Grund: die Lautstärke. Die K.o.-Spiele sollen nun wieder übertragen werden, zumindest wenn es das Baurecht gestattet und es mit der Stadt geklärt ist.

Im Biergarten von Sofis Plan B wird eigentlich jedes EM Spiel gezeigt, von den Gästen wird das sehr gut angenommen. Lediglich an den letzten zwei Tagen der Gruppenphase wurde die Übertragung von der Stadt nicht erlaubt – zum Unmut der Gäste. Foto: Tobias Sellmaier

© Tobias Sellmaier

Im Biergarten von Sofis Plan B wird eigentlich jedes EM Spiel gezeigt, von den Gästen wird das sehr gut angenommen. Lediglich an den letzten zwei Tagen der Gruppenphase wurde die Übertragung von der Stadt nicht erlaubt – zum Unmut der Gäste. Foto: Tobias Sellmaier

Von Kristin Doberer

Backnang. Wenn ein Tor für die eigene Mannschaft fällt, wird ausgelassen gejubelt und geklatscht, wenn die Gegner treffen, wird gestöhnt. Und wenn die eigene Mannschaft das Spiel sogar gewinnt, dann wird auch mal ein Megafon gezückt, eine Pfeife getrillert oder wiederholt die Autohupe betätigt. Kurz: Die EM-Spiele können ganz schön laut werden. Nicht nur in den Stadien, sondern überall dort, wo begeisterte Fans vor Bildschirmen mitfiebern. In der Backnanger Innenstadt hat dieser Lärm in den vergangenen Wochen für Ärger gesorgt. Denn die EM-Spiele werden nicht nur in verschlossenen Gasträumen, sondern auch im Außenbereich von Gaststätten gezeigt. So habe es bei der Stadt Backnang mehrere Beschwerden aufgrund des Lärms gegeben, berichtet Gisela Blumer, Leiterin des Rechts- und Ordnungsamts der Stadt.

Diese Beschwerden, aber auch die vier Tage Straßenfest, die für die Bewohnerinnen und Bewohner der Kernstadt einiges an Trubel und Lärm bedeuteten, waren Grund für die Entscheidung der Stadt, die Übertragung an den letzten beiden Tagen der Gruppenphase nur eingeschränkt oder gar nicht im Außenbereich zu erlauben. So einige Fußballfans waren nicht gerade begeistert über diese Entscheidung. Und auch bei den Betreibern der Gaststätten herrschte zum Teil Unmut. „An den beiden Spieltagen durften wir die Spiele übertragen, mussten aber den Ton ganz leise machen“, erzählt Joni Gomes, der das Base am Murrufer betreibt. Die Auflagen der Stadt: Der Ton musste so leise sein, dass er quasi in der Geräuschkulisse der Murr untergeht. Das, so Gomes, sei den Besucherinnen und Besucher wiederum zu leise gewesen. „Es waren viel weniger Leute da“, sagt er. Schließlich wollen diese die Kommentatoren beim Spiel verstehen. „Ich verstehe schon, was hinter der Entscheidung steckt“, sagt er. Allerdings ist er der Meinung, dass die Stadt das früher hätte kommunizieren können. Schließlich konnten in den Wochen vor dem Straßenfest alle Spiele laut übertragen werden. „Daran hatten sich die Leute gewöhnt.“

Ein seltenes und besonderes Ereignis

„Mit Rücksicht auf das vergangene Straßenfest und unter Berücksichtigung der Belange der örtlichen Anwohner wurde entschieden, bis zum Achtelfinale entweder auf eine Übertragung der EM-Spiele zu verzichten oder diese in einer leiseren Form durchzuführen“, das teilt die Stadt Backnang auf Nachfrage mit. Man stehe außerdem im konstruktiven Austausch mit den Gastronomen. Dabei werde immer der Einzelfall betrachtet, um den „unterschiedlichen Gegebenheiten gerecht zu werden“, heißt es weiter. Zum Beispiel bei Sofis Plan B scheinen die Gegebenheiten andere zu sein als an der Murr, denn hier durften die Spiele an den beiden Tagen gar nicht im Außenbereich gezeigt werden, nicht mal mit geringerer Lautstärke. „Die Gäste hatten dafür kein Verständnis“, sagt Michael Diminakis von Sofis Plan B. Da es kein großes Public Viewing in Backnang gibt, seien immer viele Fans zum Fußballschauen in den Biergarten gekommen. Das Schreiben der Stadt sei auch für die Betreiber der Gaststätte unerwartet gekommen, auch wenn der Lärmpegel bei so vielen Gästen natürlich etwas lauter ausfällt. „Aber so was ist ja nur alle zwei Jahre, im eigenen Land eher alle 20 Jahre.“

Weitere Themen

Eigentlich habe man in Backnang eine großzügige Regelung, wenn es um die Sperrzeiten der Außengastronomie geht, betont Gisela Blumer (siehe Infotext). „Während des Straßenfests haben wir das Public Viewing zugelassen, weil das in der allgemeinen Geräuschkulisse untergegangen ist“, sagt Gisela Blumer. Das Straßenfest selbst falle unter die Ausnahmeregelung, da es sich um ein seltenes und besonderes Ereignis handelt. Nach dem Fest habe die Behörde das Gespräch mit den Gastronomen gesucht, einige wollten an den beiden Spieltagen danach auch gar nicht mehr draußen übertragen, sagt Blumer.

In der K.o.-Phase dürfen die Spiele mit Genehmigung laut angeschaut werden

Nun in der K.o.-Phase soll eine Übertragung im Außenbereich aber wieder möglich sein. Allerdings nur, wenn eine Genehmigung der Stadt vorliegt. Denn obwohl Achtelfinale, Viertelfinale und Co. sicherlich unter den Aspekt selten und besonders fallen, gelten die baurechtlichen Vorgaben trotzdem. So müsse genau betrachtet werden, ob über oder neben den betroffenen Gaststätten Wohnungen sind. „Wir müssen hier sachlich abwägen zwischen dem berechtigten Interesse daran, Fußball zu schauen, und dem Interesse der Anwohner, die am nächsten Tag vielleicht früh raus müssen, Schicht arbeiten oder kleine Kinder haben“, erklärt Blumer. Im Gespräch mit den Gastronomen habe man außerdem dafür plädiert, ab 22 Uhr wenn möglich die Lautstärke herunterzufahren. Ab Mitternacht müssen die Gäste dann nach drinnen gehen.

Außerdem betont Blumer, dass es zwar Ausnahmen für genau solche besonderen Ereignisse gibt, diese aber wiederum nicht dauerhaft über einen Zeitraum von mehreren Wochen gelten können. Eines ist der Leiterin des Rechts- und Ordnungsamtes dabei noch besonders wichtig: „Welche Nation an welchen Tagen spielt, macht bei uns keinen Unterschied bei der Entscheidung.“ Es sei nicht so, dass die Übertragung im Freien nur für das Deutschlandspiel am vergangenen Samstag wieder zugelassen wurde, sondern eben allgemein für die wichtigeren Spiele der K.o.-Phase.

Kommentar
Besonderes Ereignis

Von Kristin Doberer

Dass dutzende Fußballfans voller Euphorie einem den Schlaf und die Nerven rauben können, wenn man morgens früh raus muss, ist nachvollziehbar. Aber ist das wirklich Grund genug, um Fans das gemeinsame Feiern einer nun wirklich nicht alltäglichen Heim-EM im Biergarten zu verbieten? Grund genug, um den Wirten mit Genehmigungsanträgen das Geschäft mal wieder zu bürokratisieren? Ob es den ganzen Ärger für gerade einmal zwei Spieltage Ruhe – an denen die Spiele ohnehin nicht länger als 23 Uhr gingen – tatsächlich wert war, ist zu bezweifeln. Besonders wenn man bedenkt, dass sich die fröhlichen Fans deutlich später mit dem Autokorso ohnehin lautstark bemerkbar machen. Die werden von der Polizei schließlich toleriert. Dass Anwohner das für ein so besonderes Ereignis nicht hinbekommen, ist schwer verständlich.

k.doberer@bkz.de

Sperrzeiten in der Außengastronomie

Sperrzeit In Backnang ist eine Außenbewirtung unter der Woche bis 23 Uhr und an den Wochenenden bis 24 Uhr zulässig. Nur Betriebe, die sich in unmittelbarer Nähe von Wohnhäusern befinden, müssen die Bewirtung draußen zum Teil schon um 22 Uhr beenden.

Ausnahmen Die Gaststätten können Ausnahmen erhalten. Im März beschloss das Bundeskabinett eine Verordnung über den Lärmschutz bei öffentlichen Übertragungen der Fußball-Europameisterschaft, demnach können die Übertragungen über die üblichen Ruhezeiten hinausgehen.

Abwägung Trotzdem müssen die Kommunen auch weiterhin im Einzelfall abwägen zwischen dem öffentlichen Interesse an den Fußballspielen und dem Schutz der Nachtruhe. Es müssen die Abstände zu Wohnhäusern und schutzbedürftigen Einrichtungen, die Sensibilität des Umfelds, Maßnahmen zur Lärmminderung sowie Umfang, Anzahl und Aufeinanderfolge der zugelassenen Ausnahmen berücksichtigt werden.

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Erstellt:
2. Juli 2024, 06:00 Uhr

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