Aktion am MBG: Wie funktioniert eigentlich ein Staat?
Junge Leute interessieren sich nicht für Politik? Von wegen: Bereits seit Monaten laufen die Vorbereitungen für das Projekt Schule als Staat am Backnanger Max-Born-Gymnasium. Alle Klassen waren aufgerufen, Parteien zu gründen.
Von Simone Schneider-Seebeck
Backnang. Bei den jüngsten Kommunalwahlen durften auch junge Menschen ab 16 Jahren an die Wahlurnen. Dabei gibt es durchaus den einen oder anderen Vorbehalt gegen das herabgesetzte Wahlalter. Gern wird den jungen Leuten unterstellt, sie hätten wenig Ahnung vom System einer Demokratie.
Doch weit gefehlt. Aktuell bereitet ein Team am Max-Born-Gymnasium in Backnang das Projekt „Schule als Staat“ vor. Die Vorbereitungen laufen schon seit Monaten. Initiatoren sind die Lehrkräfte Denis Ortlieb und Tanja Haag. Ortlieb, der Geschichte und Englisch unterrichtet, hatte als Schüler an seiner Schule selbst zweimal ein solches Projekt mitgemacht und war begeistert. Gemeinsam mit Kollegin Haag hatte er im vergangenen Jahr die Idee im Lehrerkollegium vorgetragen. Das Projekt selbst wird nun vom 15. bis 18. Juli stattfinden. Doch bevor die „United States of Max Born“ ausgerufen werden können, war so einiges auf den Weg zu bringen.
Alle Klassen wurden dazu aufgerufen, Parteien zu gründen
Zunächst einmal die Frage: Welche Staatsform soll es denn werden? Schlussendlich entschied man sich für eine parlamentarische Monarchie, wobei das Königspaar ebenfalls von den Schülern gewählt wurde. Die beiden Kandidaten (ja, es sind zwei Jungs geworden) mit den meisten Stimmen werden nun den Staat repräsentieren. Alle Klassen wurden dazu aufgerufen, Parteien zu gründen. Mindestens zehn Mitglieder waren dazu nötig, eine Altersbeschränkung gab es nicht. So besteht etwa eine Partei ausschließlich aus Fünftklässlern. Die einzige Voraussetzung neben der Mindestmitgliederzahl: Jede Partei muss sich demokratisch fundiert zeigen.
Insgesamt 18 Personen aus sechs Parteien schafften den Einzug in das Parlament, wobei keine die absolute Mehrheit erreichte, sodass schließlich eine Dreierkoalition gebildet wurde aus der Partei der Mitte,
der Kameradschaftlichen Partei der United States of Max Born sowie der Sozialdemokratischen Partei United States of Max Born. Der Opposition gehören somit die Demokratische Partei Max Born, die Junge Demokratische Partei sowie die Freie Demokratische Union an. Regierungschef ist ein Kanzler, des Weiteren wurden ein Vizekanzler sowie verschiedene Minister für die Ressorts Finanzen, Inneres und Justiz, Kultur, Wirtschaft und Arbeit, Umwelt und Gesundheit ernannt.
Die erste Parlamentssitzung fand am 14. März statt, die Regierung und die Abgeordneten haben seither schon einiges erarbeitet. So gibt es bereits eine Verfassung, die sich an das Grundgesetz der BRD sowie die schulische Hausordnung anlehnt, es wurden Zoll- und Einfuhrbestimmungen festgelegt, ebenso ein Mindestlohn und eine Glücksspielverordnung. Das Strafgesetzbuch ist momentan noch in Arbeit.
Lieselotte Rückert (J1), Lilly Siebel (J1), Florian Petri (Klasse 9) und Julian Ehret (J1) gehören mit zum Vorbereitungsteam. Worin sehen sie die Vorteile dieses Großprojekts? „Die Schüler lernen sehr viel über Demokratie“, sagt Lieselotte Rückert. „Und auch, wie Wirtschaft funktioniert.“ Denn selbstverständlich gehören zu einem Staat auch Wirtschaftsunternehmen dazu. Daher waren die Schüler ab Klasse 8 dazu aufgerufen, eigene Unternehmen zu gründen.
Diskutieren bringt viel
Insgesamt 58 Firmen wurden zugelassen, darunter Gastronomiebetriebe, Zeitungen, Fernseh- und Radiosender, Musik- und Sportbetriebe. Interessanterweise findet sich keine Religionsgemeinschaft darunter. Ein Lehrer habe sich zwar überlegt, ein Schweigekloster ins Leben zu rufen, sei dann aber doch wieder davon abgekommen.
Weitere Themen
„Man lernt zu organisieren“, findet Lilly Siebel, die sich als Richterin zur Verfügung gestellt hat. Und Julian Ehret, der zudem für die Partei der Mitte als Innen- und Justizminister in der Regierung sitzt, fügt hinzu: „Man merkt, dass der politische Entscheidungsprozess nicht so einfach ist.“ Lilly Siebel ergänzt: „Es ist nicht so einfach, auf einen Nenner zu kommen. Diskutieren bringt hier viel.“ Dabei funktioniere die Zusammenarbeit zwischen Opposition und Regierungsparteien im Parlament aber ziemlich gut. „Es wird gemeinsam nach Lösungen gesucht“, betont sie.
Seit Beginn der Planungen hat das Projekt einen großen Stellenwert im Schulalltag, etwa durch die vorbereitenden Veranstaltungen und die zahlreichen Informationen, die über das schuleigene Informationsportal kommuniziert werden. Die Parlamentswahlen haben schon ein recht realistisches „Wahlfeeling“ rübergebracht, man hatte gemeinsam in eigens aufgestellten Wahlkabinen gewählt. Lilly Siebel ist auch überzeugt davon, dass die Vorbereitungen und die intensive Beschäftigung mit den United States of Max Born das politische Bewusstsein der Schülerinnen und Schüler geprägt haben. „Wir sind ja Erstwähler.“
Doch nichts ist in Stein gemeißelt. Zu Beginn der Projektwoche stehen nochmals Parlamentswahlen an, wie im richtigen Leben können also auch hier die Wählerinnen und Wähler ihrer (Un-)Zufriedenheit mit der Regierung eine Stimme geben.
Zwei Parteien bilden die Regierungskoalition
Bereits im vergangenen Oktober hatte das Projekt Schule als Staat als „Schillerreich“ am Schiller-Gymnasium in Marbach stattgefunden. Anders als der Name vermuten lässt, hatte es hier jedoch keinen Monarchen gegeben, sondern nach bundesrepublikanischem Vorbild einen Kanzler sowie einen Präsidenten. Fast von Anfang an dabei bei Planung und Organisation war die Kirchbergerin Josephin Berger. Fast zweier Jahre an Vorbereitungszeit hatte es bedurft, bis das Schillerreich schließlich seine Pforten öffnete. Die Mitglieder des Basisteams, bestehend aus vier Schülern, drei Lehrkräften sowie dem Hausmeister, hatten sich jeweils um bestimmte Bereiche des Schulstaats gekümmert. „Ich habe unglaublich viel mitgenommen“, so die Oberstufenschülerin, „wie unser System funktioniert, wo man aber auch aufpassen muss, wo Tücken liegen und wie wichtig es ist, dass sich jeder engagiert.“ Nicht alle der elf Parteien hatten den Einzug ins Parlament geschafft, zwei Parteien bildeten die Regierungskoalition. In vielen Wirtschaftsbetrieben sowie beim Staat habe man mitarbeiten können.
Das Feedback der Schülerschaft nach dem Projekt sei unglaublich positiv gewesen. So betont Josephin Berger die positive Auswirkung auf die Schulgemeinschaft wie auch die Möglichkeit, eigene Stärken im Projektverlauf weiterzuentwickeln. Man habe auf verschiedenen Ebenen für das Leben gelernt. Und sehr positiv habe sie auch wahrgenommen, wie viele Schülerinnen und Schüler sich für Politik interessiert hätten.
Bereits dreimal hat Schule als Staat hier stattgefunden, ein weiteres Mal werde es sicher ebenfalls geben.
United States of Max Born Während der Projektwoche (15. bis 18. Juli) sind die United States of Max Born von Dienstag bis Donnerstag auch für Besucher zugänglich. Um den Staat betreten zu dürfen, ist jedoch ein Visum erforderlich.
Homepage Weitere Informationen gibts auf der Homepage www.schulealsstaatmbg.de/ news.html.