Allein unter Frauen

Marcel Schwarz leistet sechsmonatiges Praktikum im Frauen-Rathaus in der Gemeinde Burgstetten ab – 27-jähriger Student ist positiv beeindruckt

Es sind 13 Frauen, die die Geschicke derGemeinde Burgstetten in der Verwaltung lenken. Für ein halbes Jahr hatte sich ein Mann unter sie gemischt. Marcel Schwarz aus Nellmersbach hat die Zeit im Rathaus genossen und viel gelernt. Und auch die Damen sind voll des Lobs über ihren Praktikanten.

„Hahn im Korb“ und „Mädchen für alles“ – ein Gruppenbild mit Herr im Rathaus in Burgstall (von links): Jutta Korn, Gudrun Kirschner, Steffi Lämmle, Irmtraud Wiedersatz, Marcel Schwarz, Corinna Hofmann, Ursula Maierhöfer und Ute Walter. Foto: T. Sellmaier

© Tobias Sellmaier

„Hahn im Korb“ und „Mädchen für alles“ – ein Gruppenbild mit Herr im Rathaus in Burgstall (von links): Jutta Korn, Gudrun Kirschner, Steffi Lämmle, Irmtraud Wiedersatz, Marcel Schwarz, Corinna Hofmann, Ursula Maierhöfer und Ute Walter. Foto: T. Sellmaier

Von Achim Zehnder

BURGSTETTEN. Marcel Schwarz studiert Public Management an der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen in Ludwigsburg im vierten Semester. Im Rahmen dieses Studiums sind Praktikumsphasen erforderlich. Ein Praktikum muss dabei in einer Gemeinde mit weniger als 10000 Einwohnern absolviert werden. Mit ein Grund dafür, dass sich der 27-Jährige im Rathaus Burgstetten beworben und die Stelle dann auch bekommen hat.

Wie ein typischer Verwaltungsbeamter sieht der Nellmersbacher allerdings nicht aus. Mit seinen langen Haaren würde er wohl eher in eine Werbeagentur oder zu einem Konzertveranstalter passen. Tatsächlich sind die Studierenden des Studiengangs Public Management – oder Innenverwaltung, wie es früher hieß – vom ersten Tag ihres Studiums an sogenannte Beamte auf Widerruf. Und dafür gibt es schon während des Studiums ein Gehalt. Oder um im Beamtendeutsch zu bleiben: Bezüge.

Vier Monate lang lernte Schwarz nahezu alle Stellen der Gemeindeverwaltung kennen und hat seine Entscheidung nicht bereut. „Ich durfte hier überall, mit Ausnahme der Kämmerei, arbeiten“, sagt er im Rückblick. Die meiste Zeit aber war er im Hauptamt bei Steffi Lämmle tätig. Auch im Bauamt wirkte der junge Mann bei Ursula Maierhöfer mit. „Ich war so etwas wie das Mädchen für alles“, bemerkt er nicht ganz ohne Ironie.

Und Steffi Lämmle stellt ihm ein hervorragendes Zeugnis aus. „Herr Schwarz war sehr interessiert, engagiert und hat uns sehr viel Arbeit abgenommen“, sagt die Hauptamtsleiterin. Als sehr selbstständig hat sie ihn wahrgenommen und „er hat sich sehr gut in unser Team eingefügt“. Die Blumen gibt Marcel Schwarz umgehend zurück: „Ich kam am ersten Tag und es war sofort ein sehr nettes und warmes Gefühl. Es war wie in einer Familie. Das hatte ich zuvor so noch nie erlebt.“ Die Arbeitsabläufe bezeichnet er als reibungslos und alle arbeiten nach seinen Worten Hand in Hand. „Allerdings wurde ich ab und zu von den Bürgern angesprochen, wie es denn sei, als einziger Mann mit 13 Frauen zusammenzuarbeiten.“ Damit hatte er überhaupt keine Probleme, wie er sagt. „Es gab weder Repressalien noch Diskriminierungen, aber auch keine Vorzugsbehandlung als Hahn im Korb“, ergänzt Schwarz lächelnd. Die Bürgernähe ist ebenfalls etwas, was er so noch nie erlebt hat. „Mehr geht eigentlich nicht.“ Und auch die Ortskenntnis der Verwaltung fand er beeindruckend: „Wenn irgendein Bürger mit einem Problem in einer bestimmten Straße angerufen hat, wusste Frau Lämmle sofort, wo das ist und ob das stimmen kann, was berichtet wurde.“

„Die Geschlechterfrage stellt sich bei uns nicht“

Warum sich die Gemeinde für einen Mann entschieden hat? Steffi Lämmle sagt dazu Folgendes: „Er hat beim Bewerbungsgespräch einen sehr offenen und sympathischen Eindruck hinterlassen und seine Zeugnisse waren gut.“ Sie ergänzt: „Die Geschlechterfrage stellt sich bei uns nicht. Es kommt auf die Qualifikation an.“ Auch Marcel Schwarz hat sich nicht davon beeindrucken lassen, dass im Rathaus ausschließlich Frauen arbeiten.

Seine Zukunft sieht der junge Mann im Hauptamt oder im Ordnungsamt einer kleinen Gemeinde von der Größe, die mit der von Burgstetten vergleichbar ist. Auch das Bauamt als Tätigkeitsbereich wäre für den Studierenden eine Option. „Eine Stadt mit mehr als 10000 Einwohnern als Arbeitgeber kann ich mir im Moment nicht vorstellen. Da wird es dann eher unpersönlich“, meint der 27-Jährige. Und einen kleinen Traum hat er auch noch und verrät diesen: Irgendwann in ferner Zukunft möchte er vielleicht Bürgermeister werden. Denn politisch interessiert und engagiert ist er auf alle Fälle. Zum Abschied hat er sich – nicht ganz ernst gemeint – dann als Nachfolger von Bürgermeisterin Irmtraud Wiedersatz ins Gespräch gebracht: „Vielleicht sehen wir uns in acht Jahren hier wieder.“

Nach seiner Burgstettener Zeit ging es gleich mit dem nächsten Praktikum weiter. Zurzeit ist Marcel Schwarz beim Ordnungsamt in Marbach am Neckar tätig. Und dort nicht mehr allein unter Frauen. Einen Nachfolger beziehungsweise eine Nachfolgerin gibt es inzwischen auch im Rathaus Burgstetten wieder. Es ist eine Praktikantin. Steffi Lämmle dazu: „Es hat sich eine Frau beworben, aber eventuell ist es das nächste Mal schon wieder ein Mann“, sagt sie ganz pragmatisch.

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Erstellt:
3. Januar 2020, 11:30 Uhr

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