Das Kammerorchester in Murrhardt feiert sein 75-jähriges Bestehen

Alles begann mit einer jungen Violinlehrerin: Helene Steck gründete es drei Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs.

Das Kammerorchester Murrhardt bei der Probe fürs Jubiläumskonzert. Foto: Stefan Bossow

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Das Kammerorchester Murrhardt bei der Probe fürs Jubiläumskonzert. Foto: Stefan Bossow

Von Christine Schick

Murrhardt. Das Kammerorchester Murrhardt ist einerseits von Kontinuität geprägt, andererseits besteht die Aufgabe darin, immer wieder junge Menschen neu fürs Ensemble zu gewinnen. Diese Arbeit ist mittlerweile über die beachtliche Wegstrecke von 75 Jahren gelungen.

Rudolf Gerke ist nicht nur Orchestersprecher, er spielt auch bereits seit 40 Jahren im Ensemble mit (Bratsche und Geige). Wenn er an die Anfänge des Orchesters denkt, wird ihm immer wieder klar, dass die Walterichstadt letztlich von einem glücklichen Umstand in schwierigen Zeiten profitiert hat. „Die Gründerin Helene Steck, die damals als Geigenlehrerin in Stuttgart lebte, wurde 1944 ausgebombt und floh zu ihren Eltern nach Murrhardt. Ihr Vater war Forstamtsleiter“, erzählt Rudolf Gerke.

Konzerteintritt kostet 16 Pfennige

Die junge Frau hob nicht nur eine Violinschule, sondern 1948 auch das private Streichorchester aus der Taufe, das anfangs aus ihren Schülerinnen und Schülern bestand. Das erste Konzert fand 1949 im Saal der Sonne-Post statt. „Sie war eine echte Pionierin“, stellt Judith-Maria Matti, Leiterin der Musikschule Schwäbischer Wald/Limpurger Land, unter deren Dach das Ensemble heute firmiert, fest. Rudolf Gerke ergänzt, dass Helene Steck (selbst-)bewusst auf die Anrede „Fräulein“ bestanden und in Bezug auf das Kammerorchester nicht allein klassische gutbürgerliche Familien erreicht habe, sondern auch solche aus dem Handwerk.

Zu den Anfängen des rein privat geführten Ensembles gehört auch, dass beim Konzert ein Eintritt verlangt wurde. „Der kostete 16 Pfennige, das war ein stolzer Preis, entsprach in etwa einer Stunde Arbeitslohn“, so Gerke. Helene Steck leitete das Streichorchester rund 20 Jahre.

Ein gelungener Schachzug

1967 ergab sich eine neue Konstellation: Helene Steck wurde aufs Murrhardter Rathaus gebeten, wo sie Bürgermeister Helmut Götz und Volkshochschulleiter Wilhelm Seibold mit der Aussage „Das Orchester gehört jetzt zur Volkshochschule“ konfrontierten. Was zunächst irritierend und nicht unumstritten war, erwies sich als gelungener Schachzug, da mit der teils auch städtischen Trägerschaft eine gewisse finanzielle Sicherheit einherging. Entscheidend war später, dass das Kammerorchester den weiteren Weg mit der Musikschule ging, die 1990 kommunalisiert wurde und mit Uwe Matti einen engagierten Leiter fand.

Mittlerweile hat die Musikschule Schwäbischer/Wald Limpurger Land ein großes, kreisübergreifendes Einzugsgebiet und ist als Verein organisiert. „Unser jüngstes Orchestermitglied ist elf Jahre alt“, sagt Gerke, auch wenn die Erwachsenen ab etwa 40 Jahre die Mehrheit stellen. Die Altersspanne reicht aktuell bis 75 Jahre. Die rund 20 Mitglieder stammen aus unterschiedlichen Städten und Gemeinden, die größte Gruppe stellt Welzheim, weitere Mitglieder kommen aus Murrhardt und Backnang sowie verschiedenen Kommunen des Einzugsgebiets der Musikschule. Möglich sind ein bis zwei Konzerte im Jahr, rechnet man im Schnitt mit zehn bis 15 Proben.

Spektrum des Ensembles hat sich ausgeweitet

Zur Kontinuität der gemeinsamen Arbeit trägt auch ganz konkret das langjährige Engagement von Dirigent Matthias Baur bei, der das Ensemble seit 23 Jahren begleitet. Lag unter der Regie von Ferdinand Unsöld der musikalische Schwerpunkt in den 1970- und 1980er-Jahren noch stärker auf barocken Werken, so hat sich das Spektrum inzwischen bis zu Kompositionen des 20. Jahrhunderts ausgeweitet. Neben dem Dirigenten ist auch das Mitglied, das die erste Violine spielt, Profimusikerin oder Profimusiker. Der Hintergrund: Die erste Violine hat eine gewichtige Aufgabe, nämlich alle zentralen Anleitungen ins Orchester hinein zu kommunizieren. Dies leistet seit über 20 Jahren Konzertmeisterin Sandra Stock, die zudem an der Musikschule Violine und Viola unterrichtet.

Jubiläumskonzert in der Festhalle

Konzert Das Jubiläumskonzert des Kammerorchesters findet am Sonntag, 7. Mai, um 19 Uhr in der Murrhardter Festhalle statt. Auf dem Programm stehen Werke von Giuseppe Antonio Vincenzo Aldrovandini, Giovanni Battista Pergolesi, Edvard Grieg und Dmitri Schostakowitsch. Als Solisten wirken Julia Chekulaeva (Klavier), Jan-Peter Scheurer (Trompete) und Sandra Stock (Violine) mit. Die Leitung hat Matthias Baur. Der Eintritt ist frei, es wird um eine Spende für die musikalische Arbeit gebeten.

Leitung Dirigent der Gründungszeit war Georg Walter, auf ihn folgten Ferdinand Unsöld, Urs Läpple und Matthias Baur.

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Erstellt:
6. Mai 2023, 12:00 Uhr

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