Als Quereinsteiger zum Waldorflehrer werden
Wie an anderen Schulen werden auch an den freien Waldorfschulen Lehrer gesucht. In Backnang beginnt im September eine Weiterbildung, die es auch Quereinsteigern ermöglicht, sich zum Waldorflehrer zu qualifizieren.

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Waldorfpädagoge Reinhard Steidl aus Ludwigsburg (Mitte) referiert beim Lehrerseminar in der Waldorfschule Backnang. Foto: Alexander Becher
Von Simone Schneider-Seebeck
Backnang. Waldorfschulen sind in manchen Bereichen anders strukturiert als andere Schulen. So gibt es etwa das Klassenlehrerkonzept – hierbei übernimmt der Klassenlehrer die jungen Schülerinnen und Schüler ab der ersten Klasse und behält sie bis zum Abschluss der achten Klasse. „Ich kann das eigentlich nur empfehlen“, sagt Ulrich Kling, Dozent am Emil-Molt-Seminar und erfahrener Klassenlehrer. Dem Lehrer oder der Lehrerin ist so die Möglichkeit gegeben, Kinder und auch ihre Eltern über einen längeren Zeitraum zu begleiten, die Entwicklung zu beobachten, eine gute Verbindung aufzubauen und Begegnung auf vielerlei Weise zu ermöglichen, denn: „Wir versuchen, eine Gemeinschaft zu bilden.“
Das Prinzip Waldorfschule soll erlebbar gemacht werden
Daher ist die Ausbildung zum Klassenlehrer auch der Schwerpunkt des berufsbegleitenden Seminars „Waldorflehrer/Waldorflehrerin“, das am 15. September in den Oberstufenräumen der Freien Waldorfschule Backnang beginnt.
Um das Konzept des Seminars vorzustellen, hatte bereits im April eine gut besuchte Informationsveranstaltung stattgefunden, nun konnte man sich ein weiteres Mal informieren. Reine Informationsvermittlung stand hierbei aber nicht im Mittelpunkt, im Gegenteil – ebenso wichtig war es den Dozenten, das Prinzip Waldorfschule auch erlebbar zu machen.
Etwa durch Bewegung: zunächst einfach nur aufstehen und wieder hinsetzen, auf den Atem achten. Hüpfen, beobachten, wie sich der Atem ändert. Schließlich im Kreis gehen, in einem bestimmten Rhythmus. Dazu wird geklatscht, dann kommt noch das Summen des gewählten Liedes dazu. Die Aufgabe wird immer komplexer. Im Takt klatschen und dabei im Rhythmus des Liedes zu stampfen? Eine große Herausforderung. „Es braucht viel Bewusstheit, wenn man das umdrehen möchte“, so Dozent Reinhard Steidl aus Ludwigsburg. Denn unwillkürlich will man im Takt stampfen.
Dem guten Dutzend Interessenten und auch den anwesenden Dozenten und Organisatoren der Infoveranstaltung macht die praktische Übung sichtlich Spaß. Als nächstes geht es ans Sehen ohne Augen. Einige der Teilnehmer dürfen in verdeckten Tüten Dinge erspüren und sollen mit Eigenschaftsworten beschreiben, was sie fühlen. Immer genauer und detaillierter wird das. Das Ziel? Durch das Beschreiben soll auch das Sehen geschärft und geschult werden. Nicht einfach nur schauen, sondern genau in sich aufnehmen, was man denn überhaupt erspäht.
Schwerpunkt der Weiterbildung ist die Ausbildung zum Klassenlehrer
Einen Überblick über das Emil-Molt-Seminar, das bisher seinen Sitz in Stuttgart hat, gibt Siegfried Häußer, ebenso auch über den geplanten Ablauf der dreijährigen Ausbildung zum Waldorflehrer. Schwerpunkt ist demnach die Ausbildung zum Klassenlehrer, denn „er ist derjenige, der die Beziehung zu den verschiedenen Aspekten der Welt herstellen soll“, wie Wolfgang Aretz, der das Emil-Molt-Seminar seit dem Jahr 2006 geführt hat, erläutert. Der Klassenlehrer sollte dabei helfen, mit sich und der Welt in Beziehung zu treten. Kurz und bündig: „Der Lehrer ist ein Beziehungscoach.“ Zudem sei der Unterricht nicht Selbstzweck, sondern diene dazu, die Entwicklung der Kinder zu fördern.
Und nicht nur der Kinder. „Wenn man sich auf den Weg macht, Lehrer zu werden, dann entdeckt man sich auch selbst“, so Aretz. Man habe die Gelegenheit, durch die Anforderungen der Kinder Potenzial in sich zu entdecken und zu wecken, mit dem man vielleicht auch gar nicht gerechnet habe: „Was in uns alles schlummert, das weiß man nicht, aber man kann sich auf den Weg machen, es herauszufinden.“
Nach der Vorstellung des Teams folgt noch eine praktische Demonstration, indem Sprache von Bewegung begleitet wird. Wie anders es klingt, wenn man die Hände dazu reden lässt!
Eine kurzweilige Informationsveranstaltung, die neue Wege aufzeigt, viele Fragen beantwortet hat – und allen Teilnehmern ein Lächeln auf die Lippen gezaubert hat.
Eckdaten Das dreijährige Seminar beginnt am 15. September. Veranstaltungsort ist die Freie Waldorfschule Backnang. Das Seminar ist kostenpflichtig, das Studienjahr kostet 1800 Euro. Da die Kurse freitags von 16 bis 21.30 Uhr und samstags von 8 bis 13 Uhr stattfinden, werden auch Übernachtungsmöglichkeiten angeboten.
Praxis Es soll nicht nur Theorie, sondern auch Praxis vermittelt werden. Mindestens acht Wochen Praktikum werden verlangt.
Vorbildung Folgende Bedingungen sollten Interessenten erfüllen: eine Berufsausbildung und zweijährige Praxis auf der Grundlage von Realschulabschluss, Fachhochschulreife oder Abitur oder einem Meisterbrief in einem unterrichtsrelevanten Fach oder einem Fachstudium oder Lehramtsstudium (muss nicht abgeschlossen sein).
Kontakt ausbildung@emil-molt-seminar.de