Aspach bremst Schuldner aus

Ventilwächter als neues Druckmittel gegen säumige Schuldner – Bürgermeister Weinbrenner: „Nur in absoluten Extremfällen“

Wer nicht zahlt, der darf auch nicht mehr Auto fahren: Die Gemeinde Aspach setzt ab sofort beim Eintreiben der Schulden da an, wo es den Bürgern richtig wehtut – am Auto. Eingesetzt werden sogenannte Ventilwächter, eine Alternative zur Parkkralle. In der Region ist Aspach damit in einer Pionierrolle – keine andere Kommune benutzt die Wächter bislang.

Der Ventilwächter sorgt dafür, dass der Reifen nach ein paar Hundert Metern platt ist. Der gelbe Warnhinweis wird an der Frontscheibe des Autos angebracht und lässt sich auch nur schwer entfernen. So wird klargemacht, dass das Auto nicht mehr bewegt werden darf. Foto: A. Becher

© Pressefotografie Alexander Beche

Der Ventilwächter sorgt dafür, dass der Reifen nach ein paar Hundert Metern platt ist. Der gelbe Warnhinweis wird an der Frontscheibe des Autos angebracht und lässt sich auch nur schwer entfernen. So wird klargemacht, dass das Auto nicht mehr bewegt werden darf. Foto: A. Becher

Von Silke Latzel

ASPACH. Manch Aspacher Bürger dachte an einen sehr verspäteten Aprilscherz, als er die Mitteilung der Gemeinde las: „Wer seine Schulden nicht bezahlt, dem geht die Luft aus.“ Hintergrund ist, dass die Kommune ab sofort Ventilwächter als Vollstreckungsmittel gegen säumige Schuldner einsetzen will. Diese Ventile sind eine Alternative zur bereits bekannten Parkkralle. Fährt der Autobesitzer trotz Ventilwächter los, sorgt die Zentrifugalkraft dafür, dass sich das Ventil öffnet und die Luft aus den Reifen entweicht. Nach ein paar Hundert Metern ist der Reifen platt und das Auto kann nicht mehr weitergefahren werden.

So richtig nachvollziehen kann Aspachs Bürgermeister Hans-Jörg Weinbrenner die Aufregung nicht: „Es ist mitnichten ein Scherz, wir meinen das wirklich ernst. Und wir sind hier in der Region vielleicht die erste Gemeinde, die die Ventilwächter einsetzt, aber wir werden sicher nicht die Letzten sein.“ Mit den kleinen gelben Wächtern nimmt die Kommune erstmals den fahrbaren Untersatz der Schuldner ins Visier. „Das Auto ist nun mal das Liebste der Menschen,“ so Weinbrenner. „Und wie die Gemeinde die ausstehenden Zahlungen eintreibt, bleibt allein uns überlassen.“ Der Ventilwächter sei eine legale Möglichkeit und wird künftig als Alternative zur Pfändung von Sparvermögen oder Arbeitslohn eingesetzt.

Rund 250000 Euro, die von den Schuldnern aus der Bevölkerung nicht bezahlt werden, stehen bei der Gemeinde Aspach derzeit aus. Grund zur Aufregung oder gar Panik bestünde deshalb für die meisten Aspacher aber nicht, so Weinbrenner. „Den Großteil der Bürger wird das Thema Ventilwächter niemals betreffen. Wir greifen hier wirklich nur zum allerletzten Mittel, wenn sämtliche Mahnungen und andere Kommunikationsversuche mit dem Schuldner gescheitert sind.“ Weinbrenner ergänzt: „Es sind die absoluten Extremfälle, über die wir hier sprechen, und dann geht es auch immer um größere Beträge, nicht etwa darum, dass jemand seine Versäumnisgebühren in der Bücherei nicht bezahlt hat oder Ähnliches.“ Zudem zeige sich die Gemeinde bislang den meisten Schuldnern gegenüber recht kulant: „Wenn jemand zu uns kommt und sagt, dass er nicht zahlen kann, finden wir eigentlich immer einen Weg, etwa eine Ratenzahlung. Man muss einfach miteinander sprechen.“ Erfahrungen mit dem Ventilwächter habe die Gemeinde noch nicht gemacht, da er noch nicht benutzt wurde. Man habe bislang auch nur einen einzigen Fall im Auge, bei dem der Ventilwächter eventuell eingesetzt wird, so der Bürgermeister. „Es ist ja im Interesse aller Bürger, dass die ausstehenden Schulden eingetrieben werden. Denn es ist Geld, das der Gemeinschaft wieder zugutekommt“, sagt Weinbrenner.

Wer einen Wächter am Ventil hat und trotzdem losfährt oder versucht, ihn zu entfernen, begeht eine Straftat. „Es ist ja auch nicht so, dass wir den Ventilwächter anbringen und der Autobesitzer nichts davon mitbekommt“, sagt Weinbrenner. Eine Vollstreckungsanordnung landet im Briefkasten des Fahrzeughalters, ein Pfandsiegel wird ans Türschloss geklebt und ein auffälliger gelber Warnhinweis wird direkt im Sichtfeld an der Frontscheibe des Autos angebracht. Dieser lässt sich auch nicht übersehen. „Wer dann noch mit dem Auto losfährt, tut das wissentlich und mutwillig. Und wenn dann die Luft aus dem Reifen entweicht, ist der Fahrer selbst dafür verantwortlich, wenn dabei etwas passiert,“ sagt Weinbrenner. Werden die Schulden bezahlt, entfernt die Gemeinde den Ventilwächter wieder. Wenn der Schuldner seinen Zahlungen aber nicht nachkommt, wird das Auto verwertet und sein Erlös fließt in den Schuldentopf.

Die Gemeinde Aspach ist, was den Ventilwächter angeht, in den Kommunen rund um Backnang tatsächlich eine Art Pionier. Selbst die Stadt Backnang setzt keine Ventilwächter ein. Dafür aber seit vielen Jahren Parkkrallen – „wirkungsvoll“, wie Oberbürgermeister Frank Nopper betont. „Das ist eines der letzten Mittel gegen säumige Steuer- und Gebührenschuldner, das aber erst nach wiederholten Mahnungen zum Einsatz kommt.“ Bei der Stadt habe man die Erfahrung gemacht, dass schon allein die Drohung, die Kralle einzusetzen, Wunder bewirkt.

Markus Untermann, Kämmerer der Gemeinde Sulzbach, hat hingegen noch nie etwas von Ventilwächtern gehört: „Dieses Thema ist für mich komplett neu. Ich kenne bislang nur Parkkrallen.“

Auch Reinhold Sczuka, Bürgermeister in Althütte, ist verblüfft: „Davon habe ich noch nie etwas gehört. Wir haben keine Ventilwächter und auch nicht vor, welche einzusetzen, sondern bedienen uns da nach wie vor den klassischen Methoden wie etwa Kontopfändungen.“ Der Vorteil einer kleinen Gemeinde wie Althütte sei, so Sczuka, dass die Zahl der Schuldner relativ überschaubar sei. „Wir haben natürlich auch hier den ein oder anderen Spezialisten, mit dem wir immer wieder zu tun haben. Alles in allem haben wir aber wenig Fälle, bei denen wir tatsächlich tätig werden müssen.“

In Allmersbach im Tal sei das Thema „durchaus im Gespräch“ so der stellvertretende Hauptamtsleiter Jens Strobel. „So konkret wie in Aspach ist es bei uns noch nicht, aber wir denken immer mal wieder über neue Ideen zur Schuldeneintreibung nach.“

Corin Steinicke, Kämmerei Spiegelberg, sagt: „Ich habe davon schon gehört und weiß, dass diese Methode der Schuldeneintreibung wohl auch ziemlich erfolgreich ist, eben weil die Menschen sehr an ihren Autos hängen.“ In Spiegelberg seien Ventilwächter allerdings kein Thema.

„Wir haben zwar auch manchen säumigen Schuldner, aber so etwas ist bei uns aktuell gar nicht in Planung“, so Bernhard Bühler, Bürgermeister der Gemeinde Oppenweiler. „Wir setzen nach wie vor noch auf Mahnungen und Vollstreckungsanordnungen und in manchen Fällen dann auch tatsächlich auf einen persönlichen Besuch. Aber so schlimm, dass wir Ventilwächter einsetzen müssen, ist es bei uns noch nicht.“

Irmtraud Wiedersatz, Burgstettens Bürgermeisterin, hat vom Ventilwächter „noch nie etwas gehört. Solche Methoden wenden wir bei uns auch nicht an.“ Sie schließe die Möglichkeit für die Zukunft zwar nicht aus, „aber es gibt keine konkreten Pläne. Darüber muss ich mich dann auch vorher erst einmal informieren“, sagt sie.

Auch in Großerlach „beabsichtigen wir derzeit nicht, derartige oder vergleichbare Vollstreckungsdruckmittel einzuführe“, teilt Bürgermeister Christoph Jäger mit. „Zwar nehmen Vollstreckungsfälle tendenziell zu, aber aktuell kommen wir noch mit den bewährten Mitteln klar.“

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Erstellt:
27. Juni 2018, 06:00 Uhr

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