Aspach hinkt bei Unterbringung hinterher
In einem Schreiben des Landratsamts ist die Gemeinde Aspach für ihre unzureichende Schaffung von Unterbringungsmöglichkeiten für Geflüchtete gerügt und zur Vorstellung eines entsprechenden Konzepts aufgefordert worden. Teile des Gemeinderats wollen das nicht mittragen.
Von Kai Wieland
Aspach. Niemand trifft gerne unliebsame Entscheidungen. Das gilt für Verwaltungen und Gemeinderäte ebenso wie für Privatpersonen. Kaum ein Thema wird im Aspacher Gemeinderat so zähneknirschend von Sitzung zu Sitzung getragen wie die Unterbringung von Geflüchteten. „Jeder einzelne Tag, der uns fehlt, wird uns noch einmal richtig wehtun, das kann ich nur betonen“, mahnte im vergangenen Oktober der Verwaltungsmitarbeiter Jerome Seiter, als sich der Gemeinderat dafür aussprach, die Entscheidung über den Umbau dreier Gebäude in Großaspach für die Unterbringung wohnungsloser Personen zu vertagen – vergebens. Erst zwei Wochen später wurden die Sanierungsarbeiten in der Strümpfelbacher Straße 22, Hauptstraße 22 und Hauptstraße 24 schließlich beschlossen, obwohl die dafür notwendigen Mittel im Haushalt bereits angesetzt waren. Immerhin hatte Bürgermeisterin Sabine Welte-Hauff schon im Dezember 2022 neue Unterbringungsmöglichkeiten für geflüchtete Personen zu einer der vordringlichsten Aufgaben erhoben.
Ein „scharfer Brief“ aus dem Landratsamt
Eine Aufgabe, der man jedoch nur unzureichend nachgekommen sei, wie das Landratsamt des Rems-Murr-Kreises nun bemängelt. „Auch wir sind eine der Kommunen, die einen scharfen Brief erhalten haben“, stellte Sabine Welte-Hauff in der jüngsten Sitzung des Aspacher Gemeinderats fest. In besagtem Brief, abgesendet von Dezernatsleiter Peter Zaar, heißt es unter anderem: „Die Gemeinde Aspach [...] hat inzwischen einen Rückstand aufgebaut, der dem Mehrfachen einer Jahresquote entspricht.“ Das lasse den Eindruck entstehen, dass man die Anschlussunterbringung von Geflüchteten als kommunale Pflichtaufgabe zuletzt „nicht ernsthaft genug“ vorangetrieben habe.
In Zahlen ausgedrückt: Im Laufes des Jahres ist die Gemeinde verpflichtet, 78 Personen unterzubringen, und zwar nicht erst geballt zum Jahresende, sondern kontinuierlich. Die Gemeinschaftsunterkunft des Kreises in der Marbacher Straße, welche der Gemeinde angerechnet wird, ist dabei bereits berücksichtigt. Auf die Frage, wie es zu diesem Verzug gekommen sei, verwies Sabine Welte-Hauff auf den Brandbrief, in dem die Bürgermeister vieler Kommunen auf die Probleme bei der Unterbringung hinwiesen und mehr Unterstützung bei der Aufgabe forderten. „Die Verwaltung und das Gremium haben abgewartet und gehofft, dass der Brandbrief etwas bringt“, sagte Welte-Hauff. Man sei sich jedoch darüber im Klaren, dass es sich um eine Pflichtaufgabe handle und wolle diese auch erfüllen.
Geht die Rechnung am Ende auf?
Die Gemeindeverwaltung ist nun dazu aufgefordert, bis 22. April ein Konzept mit konkreten Projekten einzureichen, wie sie die Aufnahmeverpflichtungen für das laufende Jahr zu erfüllen gedenkt. Dieses wurde in der jüngsten Gemeinderatssitzung vorgestellt und zum Beschluss vorgelegt.
Demnach sollen zwischen April und Mai 14 Personen in die umgebaute Unterkunft in der Strümpfelbacher Straße 22 einziehen können. Im Juli sind dem Konzept zufolge die Hauptstraße 22 und 24 für 18 Personen einzugsbereit. Im Oktober können gemäß den Planungen acht Personen in die Weinstraße 5 und fünf Personen in das Brunnengässle einziehen, zum Jahresende dann stehen für zehn Personen eine Unterkunft im Hangweg und für eine Person die Backnanger Straße 8 bereit. Sofort bezugsfertig ist für eine Person die Hardtwaldstraße 5. Zudem liegen der Gemeinde derzeit drei Angebote aus der Bürgerschaft für Anmietungen vor, hier rechnet Carolin Scholz, Sachgebietsleiterin im Amt für öffentliche Ordnung, mit Unterbringungsmöglichkeiten für mindestens zehn Personen.
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Wer diese Zahlen addiert, kommt auf 67 Plätze, wobei es sich dabei um Schätzungen handelt, wie Carolin Scholz anmerkte. „Wir werden die Gebäude voll belegen, aber natürlich im rechtlichen Rahmen.“ Wie viele Menschen letztlich in einer Räumlichkeit untergebracht werden könnten, hänge auch davon ab, in welcher Konstellation diese kämen. „Vielleicht gehen nur 16 rein, vielleicht auch 22. Aber tendenziell sind die Zahlen hoch gepokert.“ Selbst dann fehlen allerdings noch elf Plätze – hier hoffe man auf Auszüge aus den bestehenden Räumlichkeit, die im Laufe des Jahres noch Platz schafften, erklärte Scholz.
1,7 Millionen Euro sind im Investitionsprogramm für Unterbringungsmöglichkeiten vorgesehen
Dieses Konzept beinhaltet keine Projekte oder Kosten, die nicht bereits im Haushalt für das laufende Jahr berücksichtigt wären. „Im Investitionsprogramm sind 1,7 Millionen Euro für die Schaffung von Unterbringungsmöglichkeiten vorgesehen“, erklärte die Kämmerin Linda Hecht. Für die übrigen Unterkünfte fielen keine zusätzlichen Kosten an.
Dass Zaars Rüge im Aspacher Gemeinderat dennoch auf wenig Gegenliebe stieß, ist nicht überraschend, schließlich waren schon die bisherigen Maßnahmen eine schwere Geburt. „Ich lehne jede weitere Unterbringung kategorisch ab“, machte der fraktionslose Udo Wruck klar. „Unsere Kinder und Schulen sind mir wichtiger als die Migration. Das ist für mich eine sekundäre Pflichtaufgabe, wenn nicht eine tertiäre.“ Ähnlich äußerte sich Markus Kaumeyer von der Freien Wählervereinigung. „Es fehlt nicht am Willen, sondern an Möglichkeiten und am Geld.“
Dem Konzept der Verwaltung wurde vom Gemeinderat letztlich mehrheitlich zugestimmt. Neben Wruck und Kaumeyer, die bereits deutlich machten, weitere Einrichtungen zur Unterbringung Geflüchteter grundsätzlich nicht zu unterstützen, stimmten auch Johannes Schaaf (CDU/Bürgerliche Wählerliste), Andreas Renz und Benjamin Jung (beide FWA) dagegen.
Von Kai wieland
Seit mehr als zwei Jahren tobt der Krieg in der Ukraine. Ältere Krisenherde sind noch immer nicht gelöscht und neue im Begriff zu entstehen. Die globalen Migrationsströme nehmen eher zu als ab, und so war die Aspacher Gemeindeverwaltung gut beraten, sich auf die Unterbringung weiterer Asylsuchender mit größter Dringlichkeit vorzubereiten. Voran ging es dabei allerdings nur schleppend. Offenbar in der Hoffnung, der Kelch werde auf wundersame Weise an der Gemeinde vorübergehen, wurde ein entschlossenes Anpacken der Aufgabe hartnäckig vermieden.
Es fehle nicht am Willen, sagt Markus Kaumeyer zwar. Warum aber suchen Teile des Gemeinderats dann ein Konzept zu blockieren, welches lediglich bereits Bekanntes auflistet und der Gemeinde darüber hinaus wenig abverlangt? Ein Konzept, das vor allem von der vagen Hoffnung geleitet ist, das Bestehende werde irgendwie ausreichen?
Pflichtaufgaben sind niemals sekundär oder tertiär. Sie sind und bleiben Pflichtaufgaben und werden sich unerbittlich weiterhin stellen. Dem Gemeinderat ist zu wünschen, dass er sich dafür seine Handlungsfähigkeit bewahrt.
k.wieland@bkz.de