Auch das digitale Erbe sollte geregelt sein

Interview Wer seinen Nachlass regelt, denkt oft nicht darüber nach, was nach dem Tod mit seinen Daten im Internet passiert. Oliver Buttler von der Verbraucherzentrale rät, dies in einem „digitalen Testament“ zu bestimmen. Am Dienstag spricht er darüber im Backnanger Seniorenbüro.

Eine Liste mit den Zugangsdaten und Passwörtern macht es den Erben später einfacher. Symbolfoto: Adobe Stock/agenturfotografin

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Eine Liste mit den Zugangsdaten und Passwörtern macht es den Erben später einfacher. Symbolfoto: Adobe Stock/agenturfotografin

Die meisten Menschen sind heutzutage im Internet bei zahlreichen Plattformen und Diensten registriert, vom Onlinebanking über Streamingportale bis hin zu Messenger- und Social-Media-Plattformen wie Whatsapp oder Facebook. Was passiert damit, wenn ich plötzlich sterbe und keine besonderen Vorkehrungen getroffen habe?

Dann gilt das klassische Erbrecht. Die Erben treten in die kompletten Rechte und Pflichten des Erblassers ein. Lange Zeit war es strittig, ob auch Online-Daten vererbbar sind, das hat der Bundesgerichtshof aber mittlerweile so entschieden. Man erbt in diesem Fall zwar nicht die Kundenbeziehung zu Facebook, aber man muss Zugang zu den Daten des Verstorbenen bekommen.

Aber wie bekomme ich diesen Zugang, wenn ich die Log-in-Daten und Passwörter nicht kenne?

Wenn ich mit einem Erbschein nachweisen kann, dass ich dazu berechtigt bin, müssen mir die Plattformen den Zugang gewähren. Aber das ist natürlich sehr aufwendig, denn die meisten Leute haben ja unheimlich viele Online-Accounts. Ich würde deshalb raten, pragmatisch vorzugehen und zu versuchen, als Erstes Zugang zum E-Mail-Postfach des Verstorbenen zu bekommen. Dann kann man die Passwörter bei den verschiedenen Diensten zurücksetzen lassen und bekommt die neuen Zugangsdaten an die E-Mail-Adresse geschickt.

Viele Online-Dienstleister haben ihren Sitz im Ausland, oft gibt es auch keine persönlichen Ansprechpartner. Habe ich in diesen Fällen als Erbe überhaupt eine Chance, mit meinem Erbschein Zugang zu den Daten des Verstorbenen zu bekommen?

Das ist relativ schwierig. Wenn der Anbieter zum Beispiel in China sitzt, müsste ich den Erbschein ja erst einmal übersetzen lassen und eine beglaubigte Kopie mitschicken. Das ist ein hoher Aufwand und man muss damit rechnen, dass manche Anbieter im Ausland sich trotzdem nicht darum kümmern. Oft ist der Service da ja schon zu Lebzeiten miserabel.

Wie kann ich in solchen Fällen verhindern, dass zahlungspflichtige Verträge weiterlaufen?

Eigentlich muss jeder Vertrag, der online geschlossen werden kann, auch online kündbar sein. Funktioniert das nicht, muss ich die Kündigung per Brief oder E-Mail schicken und der Anbieter muss dann reagieren. Tut er es nicht, kann ich juristisch gegen ihn vorgehen.

Sie raten Sie dazu, ein digitales Testament zu erstellen. Was hat man sich darunter vorzustellen?

Das ist eigentlich kein Testament im klassischen Sinne, sondern eine Liste, die man zu Lebzeiten führt und aus der hervorgeht, zu welchen Accounts man wie Zugang hat. Das erleichtert den Erben später den Zugang. Man kann natürlich auch verschiedene Listen führen und im Testament verfügen, wer zu welcher Liste Zugang bekommt. Vielleicht möchte man ja nicht, dass die Ehefrau den alten Singlebörsen-Account durchforstet. Dann kann man damit einen guten Freund betrauen. Wichtig ist außerdem zu verfügen, was mit bestimmten Profilen passieren soll: Wenn jemand zum Beispiel im öffentlichen Leben stand, möchte er ja vielleicht, dass sein Wikipedia-Eintrag oder seine Homepage auch über seinen Tod hinaus bestehen bleiben.

Sind die Verfügungen, die ich dazu treffe, so rechtsverbindlich wie andere testamentarische Regelungen?

Wenn man solche Regelungen in sein Testament aufnimmt, sind sie rechtsverbindlich, solange jemand die Erbschaft antritt. Ich glaube aber, dass es am einfachsten ist, wenn man solche Dinge schon zu Lebzeiten mit seinen Erben bespricht. Voraussetzung ist natürlich, dass man selbst einen Überblick über seine Online-Daten hat.

Welche Accounts eines Verstorbenen sollten die Hinterbliebenen auf jeden Fall löschen und bei welchen kann man darauf verzichten?

Bei kostenfreien Diensten und Apps ist das vielleicht nicht unbedingt nötig. Ich würde als Erbe zunächst einmal das Haupt-
E-Mail-Postfach des Verstorbenen durchschauen, denn da bekommt man ja meistens Benachrichtigungen zu laufenden Abo-Verträgen. So kann man sich einen Überblick verschaffen, welche Verträge es gibt. Viele Verträge erlöschen mit dem Tod nämlich nicht automatisch. Eine Mitgliedschaft in einem Verein oder einem Fitnessstudio ist an die Person gebunden und endet mit dem Tod. Andere Verträge wie ein Zeitschriftenabo oder ein Mobilfunkvertrag gehen zunächst einmal auf die Erben über. Viele Anbieter gestatten hier aber ein Sonderkündigungsrecht.

Was passiert mit meinen Social-Media-Profilen, wenn sich meine Erben nicht darum kümmern? Lebe ich dann im Internet ewig weiter?

Zunächst einmal weiß der Anbieter ja nicht, dass ich tot bin. Je nach Plattform kann es aber sein, dass Profile, auf denen sich ein Jahr oder länger niemand mehr angemeldet hat, irgendwann gelöscht werden. Denn diese Profile kosten die Unternehmen ja Speicherplatz und damit auch Geld.

Mittlerweile gibt es auch professionelle Anbieter, die sich um den digitalen Nachlass kümmern. In welchen Fällen ist es sinnvoll, solche Dienstleister in Anspruch zu nehmen?

Eigentlich in gar keinen Fällen, denn digitale Nachlassverwalter sind teuer und können letztendlich auch nur tätig werden, wenn sie die Zugangsdaten haben. Manche bieten noch eine Art Online-Detektivtätigkeit an, indem sie versuchen, Accounts aufzuspüren. Aber als Erbe ist kaum nachzuvollziehen, ob das überhaupt stimmt. Ich wäre da sehr vorsichtig, zumal man nicht weiß, was diese Firmen mit den Daten machen.

Das Gespräch führte Kornelius Fritz.

Oliver Buttler Foto: Verbraucherzentrale BW

Oliver Buttler Foto: Verbraucherzentrale BW

Online erben leicht gemacht

Vortrag Das Backnanger Seniorenbüro, Im Biegel 13, lädt am Dienstag, 4. Juli, um 10 Uhr zu einem Vortrag mit Oliver Buttler zum Thema „Digitaler Nachlass: Online erben leicht gemacht“ ein. Die Teilnahme ist kostenfrei. Anmeldung unter 07191/894-319.

Zur Person Oliver Buttler ist Abteilungsleiter für Telekommunikation, Internet und Verbraucherrecht bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Der 45-jährige Jurist war zuvor viele Jahre in der Medienbranche tätig.

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Erstellt:
1. Juli 2023, 06:00 Uhr

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