Auf Bioenergie-Tour in Großaspach

Wie kann klimafreundlich Strom und Wärme produziert werden? Rund 40 Teilnehmer begaben sich auf die Bioenergie-Tour in Großaspach. Von der Biogasanlage des Putenmästers Micha Baumgärtner ging’s zur Heizzentrale der Süwag und weiter zur Juliana-Kirche. Reichlich Informationen gab’s dabei übers Fernwärmenetz, das rund 300 Wohnungen mit Warmwasser versorgt.

Projektleiter Jürgen Hagenlocher mit einem Stück eines Fernwärmerohres, wie sie im Süwag-Netz in Großaspach verteilt liegen. An so einem Rohr hängen etwa noch zehn Häuser dran, die Rohre, die direkt von der Heizzentrale abgehen, sind größer dimensioniert. Die Vorlauftemperatur in so einem ummantelten Stahlrohr beträgt etwa 80 bis 87 Grad Celsius, die Rücklauftemperatur 50 bis 55 Grad. Foto: J. Fiedler

© Jörg Fiedler

Projektleiter Jürgen Hagenlocher mit einem Stück eines Fernwärmerohres, wie sie im Süwag-Netz in Großaspach verteilt liegen. An so einem Rohr hängen etwa noch zehn Häuser dran, die Rohre, die direkt von der Heizzentrale abgehen, sind größer dimensioniert. Die Vorlauftemperatur in so einem ummantelten Stahlrohr beträgt etwa 80 bis 87 Grad Celsius, die Rücklauftemperatur 50 bis 55 Grad. Foto: J. Fiedler

Von Florian Muhl

ASPACH. Beim Thema Energiewende denken die meisten zuerst an die nachhaltige Versorgung mit Strom. Weniger bekannt ist die klimafreundliche Versorgung mit Wärme. Im Rahmen des Energiewendetags Baden-Württemberg zeigte die Süwag in Großaspach – bei einer von insgesamt 265 Veranstaltungen im Ländle –, wie sich nicht nur elektrischer Strom, sondern auch Wärme ökologisch sinnvoll und wirtschaftlich erzeugen und auch nutzen lässt.

„Die CO2-Problematik ist einfach da, die kann man nicht wegleugnen, die spüren wir jedes Jahr mehr. Und weil viele das Bewusstsein haben, dass etwas getan werden muss, wollen wir Interessenten heute hier in Großaspach das Projekt Nahwärmenetz bei einer Bioenergie-Tour vorstellen“, sagte Andreas Föll bei der Begrüßung an der Gemeindehalle. Dank sagte der Leiter Betrieb und Erzeugung der Süwag Grüne Energien und Wasser GmbH (SGEW) ausdrücklich der lokalen Umweltgruppe „Aspach hat Energie“, ohne deren Kundengespräche und Konzeptentwicklung das Projekt wohl nicht zustande gekommen wäre. Erste Gespräche habe es im Januar vor vier Jahren gegeben, in Betrieb gegangen ist das Wärmenetz vor genau zwei Jahren. „Allein durch die 78 Hausanschlüsse haben wir jetzt schon eine CO2-Einsparung von 1000 Tonnen jährlich“, sagte Föll. Das entspreche der Menge, die von einem Auto mit einer Laufleistung von fünf Millionen Kilometern erzeugt werden würde oder auch 336 Autos bei einer jährlichen Fahrleistung von 15000 Kilometern. Aus diesem Grund will die Süwag ihr Wärmenetz auch noch weiter ausbauen.

„Das Thema Nachhaltigkeit wird uns heute den ganzen Tag begleiten“, kündigte dann auch Jürgen Hagenlocher an. „Wo kommen unsere Rohstoffe her? Wie entstehen sie hier? Und wie wird daraus Energie? Um das zu erfahren, geht’s jetzt zum Schöntaler Hof von Landwirt Baumgärtner“, sagte der Süwag-Projektleiter. Dort werde Strom erzeugt und auch Wärme, die mehr oder weniger zwangsläufig bei der Stromerzeugung anfällt. Wie das genau passiert, erklärte Micha Baumgärtner vor Ort selbst. Sein Opa war ursprünglich in Oberschöntal ausgesiedelt mit Milchvieh und Schweinemast, sein Vater hatte 1986 angefangen mit der Putenmast und er habe die Landwirtschaft schließlich 2006 pachtweise vom Vater übernommen. Damals habe er wegen der Vorschriften, wie viel Putenmist maximal auf die Felder darf, die Hälfte des angefallenen Mists abgeben müssen, weil er nicht genügend Felder hatte. 2004 sei die Idee mit Biogasanlagen aufgekommen, 2008 zusätzlich der Güllebonus; die Landwirte, die zusätzlich Gülle vergären, erhalten für den erzeugten Strom einen Cent mehr. So hat Baumgärtner 2010 eine Biogasanlage gebaut, zunächst mit einem Blockheizkraftwerk (Motor). „Die Abwärme haben wir genutzt, um die Ställe und die Häuser zu heizen, davor haben wir mit Gas geheizt. Der Mist geht in die Biogasanlage rein, wird gemischt mit Rindergülle, Maissilage, alles, was halt draußen so wächst.“ Eine Tonne Mais ergebe genau so viel Gas wie eine Tonne Putenmist.

Für eine Tonne Mais gibt es

eine halbe Tonne Dünger zurück

„Das Endprodukt kann man wieder rausbringen auf die Felder als Dünger. Ich hab rund 25 Bauern hier im Umland an der Hand, die liefern mir Mais. Für eine Tonne erhalten sie dann eine halbe Tonne Gärrest zurück.“ Der Vorteil dieses Düngers: Er sei viel verträglicher für die Felder und stinke längst nicht so wie der ursprüngliche Putenmist. Etliche aus der Besuchergruppe konnten Letzteres aus eigenen Erfahrungen bestätigen. „Eigentlich hat’s fast nur Vorteile“, sagte der Landwirt. „Ein Nachteil ist halt, dass wir jetzt etwas mehr Verkehr haben auf den Straßen und Feldwegen. Und dass Lebensmittel vergoren werden.“

Für die Putenmast stehen Baumgärtner drei Ställe zur Verfügung. In den einen kommen die Küken, 12000 Stück, die er einen Tag nach dem Schlüpfen aus Norddeutschland erhält, bereits sortiert nach Männchen und Weibchen. „Bei 36 Grad werden die aufgezogen, jeden Tag geht man dann um ein Grad runter, bis 18 Grad rum. Die bleiben vier Wochen drin, dann kommen die männlichen Puten in den vorderen Stall, die weiblichen werden nach zwei weiteren Wochen auf zwei Ställe aufgeteilt.“ Nach insgesamt 16 Wochen verkauft der Landwirt die weiblichen Puten mit einem Gewicht von elf, zwölf Kilogramm an einen Schlachter. „Die männlichen werden dann mit 20, 21 Wochen ausgestallt und haben dann auch 20, 21 Kilo.“ Dann beginnt der Kreislauf von vorn, Mist hat Baumgärtner immer genügend zur Verfügung.

In seinen beiden Motoren, die von dem Methangas gespeist werden, erzeugt Baumgärtner Strom; aber nur so viel, wie gebraucht wird. Und das gibt die Süwag dem Landwirt vor. Der Vorteil der Biogasanlagen: Anders als Wind- und Solarkraftwerke können diese bedarfsorientiert betrieben werden. Eines seiner beiden BHKW schaltet der Putenmäster in den Zeiten ab, zu denen zu erwarten ist, dass genügend Strom im Netz vorhanden ist. Ein Betriebsfahrplan wird jährlich neu festgelegt, kann aber auch – bei Bedarf – kurzfristig angepasst werden. Neben dem Strom wird auch die Abwärme der beiden Motoren genutzt. Sie erwärmen Wasser auf 90 Grad Celsius. Baumgärtner verfügt über einen Pufferspeicher mit einem Volumen von 50000 Litern.

Das erwärmte Wasser läuft dann direkt zur Süwag-Heizzentrale in der Backnanger Straße und wird von dort an die angeschlossenen Haushalte mit einer Temperatur von 80 bis 87 Grad weiterverteilt. Von dort geht das kalte beziehungsweise abgekühlte Wasser (50 bis 55 Grad) wieder zurück. „Das Ganze ist ein geschlossener Kreislauf“, sagt Jürgen Hagenlocher. „In den Häusern drin ist aber ein Wärmetauscher. Das, was durch die Heizkörper durchfließt, ist wieder ein zweiter Kreislauf“, erläutert der Projektleiter. Zu 90 Prozent hat die Biogasanlage für die benötigte Wärme gesorgt, zu rund 10 Prozent der Erdgaskessel in der Heizzentrale. Der Ölkessel wird nur dann eingesetzt, wenn Not am Mann ist.

Letzte Station der Bioenergie-Tour war die 1780 erbaute Juliana-Kirche. Sie ist das älteste Gebäude, das ans Fernwärmenetz angeschlossen ist, erläuterte Kirchengemeinderat und Kirchenmusiker Wolfgang Klenk. Mit einem Rundgang inklusive Glockengeläut endete die Info-Tour in Großaspach.

Vom Putenmist zur Heizungswärme in Wohnungen – Mit der Süwag zu Gast bei Biogasanlagenbetreiber Micha Baumgärtner Fernwärmenetz und Wärmeverbrauch in Zahlen Info Fernwärmenetz: Los1: Wärmenetz von der Heizzentrale Backnanger Straße zu den Verbrauchern (Bauherr: Süwag Grüne Energien und Wasser GmbH): Trassenlänge Hauptleitungen: ca. 2450 m Trassenlänge Hausanschlüsse: ca. 1250 m Durchmesser Rohrleitungen: bis 150 mm Los 2: Wärmeleitung von der Biogasanlage zur Heizzentrale Backnanger Straße (Bauherr: Bioenergie Baumgärtner): Trassenlänge: rund 500 m Durchpressung (Schutzrohr) unter L1115: Länge 40 m, Durchmesser 600 mm Durchmesser Rohrleitungen: bis 125 mm Summe Trassenlänge:4,2 km Projektkosten/Herstellungskosten (Heizzentrale, Wärmenetz Los1): 2 Millionen Euro Kunden/Wärmeverbrauch/Energiebilanz: Hausanschlüsse: 78, davon 70 genutzt Wärmeversorgte Wohnungen: 300 Wärmebilanz Kunden: ca. 3000 MWh (90%) Eingespartes Heizöl: 350000 l Wärme von der Biogasanlage: 3150 MWh (90%) Wärme vom Spitzenlastkessel: 315 MWh (10%) Eingesparte CO2-Menge: ca. 1000 t/a Biogasanlage: Blockheizkraftwerk 1: 400 kWel/455 kWth Blockheizkraftwerk 2: 370 kWel/426 kWth Pufferspeicher: ca. 50000 l Jährliche Wärmeerzeugung: ca. 4500 MWh

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Erstellt:
18. September 2018, 06:00 Uhr

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