Außer Spesen nix gewesen

Klage einer Backnangerin gegen die Deutsche Bahn endet mit Vergleich – Hauptstreitpunkt waren die Schäden am Dach des Hauses

Im Streit zwischen der Inhaberin des Backnanger Tierpflegenestes und der Deutschen Bahn ist es zu einem Vergleich gekommen. Bei einem Gütetermin am Stuttgarter Landgericht einigten sich die Parteien darauf, dass die Frau von der Bahn weitere 7500 Euro Entschädigung erhält. Zuvor wurden ihr bereits 6000 Euro überwiesen. Die Frau hatte Bauarbeiten der Bahn für Schäden an ihrem Haus verantwortlich gemacht.

Eines der Fotodokumente, die Petra Conrad während der Bauarbeiten gemacht hat: Links im Bild ist die Felswand, die durch Betoneinspritzungen stabilisiert wurde; ganz rechts schemenhaft zu erkennen: Petra Conrads Haus. Foto: P. Conrad

Eines der Fotodokumente, die Petra Conrad während der Bauarbeiten gemacht hat: Links im Bild ist die Felswand, die durch Betoneinspritzungen stabilisiert wurde; ganz rechts schemenhaft zu erkennen: Petra Conrads Haus. Foto: P. Conrad

Von Hans-Christoph Werner

BACKNANG/STUTTGART.Es sind einige Zuhörer mitgekommen. Die Klappstühle an der Wand reichen nicht aus. Klägerin Petra Conrad hat ihre Rechtsanwältin zur Seite. Für die Gegenseite, die beklagte Deutsche Bahn (DB), erscheinen vier Herren, darunter zwei Rechtsanwälte. Im Lauf der Verhandlungen scheint es so, als haben sich die Herren trotz dieser Übermacht vornehme Zurückhaltung auferlegt.

Der Richter rekapituliert nochmals den Fall. Hangsicherungsarbeiten sollten in der Nähe des „Tierpflegenestes“ von Petra Conrad durchgeführt werden. Ein Stahlnetz sollte befestigt werden. Um dieses am Felsen zu sichern, wurden ein Meter tiefe Löcher gebohrt. Wo denn nun Spritzbeton zum Einsatz gekommen sei, will der Richter wissen. Ja nur dort, wo sich größere Hohlräume in der Felssubstanz ergaben. Ob denn auch im Beton gebohrt worden sei, fasst der Richter nach. Petra Conrad hat Aufnahmen von der Aktion gemacht. Diese sind allen Beteiligten bekannt. Aber der Projektleiter der Hangsicherungsarbeiten weiß nichts von Betonbohrungen.

Unzweifelhaft ist, dass durch die Bauarbeiten Wohnhaus und Grundstück verunreinigt wurden. Man versprach Abhilfe, wurde aber bei der Suche nach einer Reinigungsfirma nicht fündig. So half Petra Conrad bei der Suche mit. Als schließlich eine Firma gefunden war, wollte man auch das Dach des Wohnhauses reinigen. Als bei diesem Vorhaben die Dachziegel überraschenderweise zu bröseln begannen, unterließ man die vollständige Ausführung. Das heißt: Petra Conrad stoppte diese, wie der Rechtsanwalt der DB hervorhebt.

Die Sache mit der Dachreinigung und den bröselnden Dachziegeln ist der Hauptpunkt der Auseinandersetzung. Der Richter: „Damit steht’s und fällt’s.“ Er macht sich zum Sprachrohr der Klägerin: „Sie behaupten, vorher war das Dach in Ordnung.“ Aber wurde dieser Zustand dokumentiert? Freilich, wer kommt schon auf die Idee, das eigene Hausdach zu fotografieren, wenn nebenan Bauarbeiten durchgeführt werden. Der Richter bemüht sich. Wenn nur in Felsen gebohrt wurde, hat sich nur Felsstaub abgesetzt. Der richtet keinen Schaden an.

Beide Seiten haben

„eine Kröte zu schlucken“

Wenn denn Bohrungen im Beton erfolgt sein sollen, dann ist doch der Zement im Beton gebunden. Woher dann der Zementstaub? Die Rede kommt auf den 30. April 2015. An jenem Tag wurde, so die Klägerin, eine Spritzbetonleitung unsachgemäß geöffnet und eine Betonfontäne ergoss sich über die Umgebung. Auch davon gibt es Aufnahmen. Aber diese vermögen nicht zu belegen, dass der weiße Belag, der sichtbar ist, Zement gewesen sei. Insgeheim hatte die Klägerin wohl erwartet, die DB würde akzeptieren, dass durch die Baumaßnahme das Dach des Wohnhauses in Mitleidenschaft gezogen wurde, und folglich der Klägerin ein neues Dach finanzieren. Der Richter zitiert aus Grundsatzurteilen. Solcher Ersatz darf keine Bereicherung sein. Allenfalls anteilig wäre eine Beteiligung der DB an der Dacherneuerung denkbar. Dachziegel, so führt der Richter aus, halten 60 bis 70 Jahre. Wie alt denn die Ziegel auf dem Hausdach der Klägerin seien, will er wissen. Das Haus sei 1988/89 neu eingedeckt worden. Nun hat die Klägerin umfangreiche Gutachten in Auftrag gegeben. Und dafür schon mehr als 10000 Euro ausgegeben. Aber diese Gutachten halten sich mit einer abschließenden Beurteilung zurück. Der Richter hebt den Unterschied hervor. Laut Gutachten seien die Beschädigungen des Daches „wahrscheinlich“, aber nicht „sicher“. Das sei die Krux an der Sache. Die Rechtsanwältin spart nicht mit spitzen Bemerkungen Richtung DB, dass es doch jetzt darauf auch nicht mehr ankomme. Die glorreiche Baustelle „Stuttgart21“ ist gerade mal einen Kilometer Luftlinie entfernt. Der Rechtsanwalt der Bahn ist genervt. Der Richter ist bestrebt, die Auseinandersetzung zu einem von beiden Seiten tragbaren Abschluss zu bringen. Der Staubniederschlag auf Haus und Grundstück der Klägerin, Zement hin oder her, sei „nicht vom Himmel gefallen“. Weil der Zustand des Wohnhausdaches vor Beginn der Baumaßnahme nicht dokumentiert sei, habe sich für die Klägerin die Beweislast umgedreht. Sie müsse der Bahn nachweisen, dass der Schaden an ihrem Haus durch die Bauarbeiten verursacht sei. Dieser Beweis sei aber durch die Gutachten nicht zu erbringen. Deshalb schlägt der Richter der DB vor, der Klägerin nochmals 7500 Euro zu zahlen. 6000 Euro habe die Klägerin wegen der Lärmbelästigung zu nachtschlafender Zeit bereits erhalten. Die Gutachterkosten in Höhe von 10520 Euro mögen sich beide Seiten teilen. Sicherlich, so der Richter, könne man es zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung kommen lassen. Aber bei einem solchen Schritt würde sich an der Aussagekraft der Gutachten nichts ändern. Im Gegenteil: Verliere die Klägerin den Prozess, müsse sie auch noch die Anwaltskosten der Gegenseite tragen. Die Rechtsanwältin der Klägerin spricht von einer Kröte, die für ihre Mandantin durch diesen Vermittlungsvorschlag zu schlucken wäre. Nach einer Beratungspause nimmt der Richter diese Bemerkung auf. Solche Vergleiche seien die besten, bei denen jede Seite eine Kröte zu schlucken habe. Beide Seiten erbitten sich eine Widerspruchsfrist. Und für die Vertreter der Bahn ist es wichtig, dass mit diesem Vergleich die Sache für alle Zeiten erledigt ist. Auch das wird festgehalten.

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Erstellt:
14. Juli 2018, 06:00 Uhr

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