Automobilfotos aus acht Jahrzehnten
Die Ausstellung „Backnang Automobil. Die Backnanger und ihre Fahrzeuge, Tankstellen und Werkstätten“ wird heute im Backnanger Helferhaus eröffnet. Sie stellt ein weiteres Beispiel der akribischen Archivarbeit von Fotodesigner Peter Wolf dar.
Von Carmen Warstat
Backnang. Klein, aber fein ist sie ausgefallen und dürfte ein neuer Besuchermagnet werden, zeigt die neue Ausstellung im Helferhaus „Backnang Automobil. Die Backnanger und ihre Fahrzeuge, Tankstellen und Werkstätten“ doch Abbildungen des gern als „heilig’s Blechle“ bezeichneten liebsten Gefährts manchen Bürgers. Bei der Werkschau kommen Autofreaks und Oldtimerfans auf ihre Kosten, alteingesessene Backnanger, die noch einmal einen Blick in die Vergangenheit ihrer Stadt werfen möchten, aber sicher auch junge Menschen, die sich dafür interessieren, wie es früher so war, und vielleicht nicht schlecht staunen werden, weil ganz nebenbei mit dem einen oder anderen Stereotyp aufgeräumt wird.
Der Fotodesigner Peter Wolf ist in den Archiven der Stadt und der Backnanger Kreiszeitung fündig geworden und hat so manches Foto von hilfsbereiten Bürgern bekommen. Oft sind die Originale nicht erhalten, sodass die „Reproduktion der Reproduktion“, wie der Fotograf und Sammler es ausdrückt, genügen muss. „Das geht zulasten der Qualität“, weiß er. Letztlich dreht es sich jedoch weniger um die Bildqualität als um die Präsentation historischer Zeugnisse, individuelle Erinnerungen und den Austausch darüber. So hat Wolf mit seiner attraktiven Ausstellung auch Hintergrundinformationen, Anekdoten und Legenden parat, die das Bildmaterial – wenngleich vieles für sich spricht – gewissermaßen zum Leben erwecken können.
Im Jahr 1903 wurde erstmals ein Backnanger zum Autobesitzer
„Hebet me, hebet me!“, so soll der Oberamtsbaumeister Christian Hämmerle 1903 gerufen haben. Er besaß das erste Auto in Backnang (in der Ausstellung das Foto Nummer eins), und dessen Lenkrad soll „respekteinflößend“ gewesen sein, die Bremse allerdings eher nicht. In seinem Buch „Christian Hämmerle. Ein Backnanger, der in seinen Bauten weiterlebt“ (1993) erzählt Bernd Lenzner davon und schildert, wie das Gefährt mittels einer als Triebel bezeichneten Kurbel unter „ziemlichem Kraftaufwand“ gestartet wurde. Die Bremse habe „lediglich aus einer Kette“ mit einem Ring zum Herausziehen und Einhängen bestanden, und wenn dieser Ring brach, sei „guter Rat teuer“ gewesen. Bei der Bürgerschaft habe sich also die Freude über dieses erste Auto in der Stadt in Grenzen gehalten, weil es geschehen konnte, dass es „zum Entsetzen der Marktweiber zwischen den Eierkörben und Butterfässern des Wochenmarktes hindurchrollte“ oder eben, dass Hämmerle höchstpersönlich den Leuten „Hebet me, hebet me!“ („Haltet mich“) zurief, weil „das Auto wie ein durchgehender Gaul Marktstraße und Totengasse hinunterschoss“.
Mehrfach zu bewundern sind der „Katzenbuckel“ von Ford-Taunus-Modellen sowie Mercedes-Benz- oder BMW-Typen und selbstverständlich auch die Käfer und Bullis von VW, die davon zeugen, dass nach dem Krieg durchaus nicht alle arm waren oder „nichts hatten“, wie Peter Wolf beim Rundgang anmerkt. Sogar ein Affe und ein Falschfahrer (beziehungsweise Fotografien davon) ergänzen die Ausstellung, die ebenso interessante Einblicke in das Backnanger Straßenbild vergangener Zeiten erlaubt. Die bis heute als „Spritnase“ bezeichnete Tankstelle erhielt ihren Namen vom Künstler Alois Oecker, erfährt man, und dass der Stau in der Stuttgarter Straße nicht nur ein Problem unserer Zeit ist, sondern vielmehr wahrscheinlich so alt wie das Automobil selbst. Schutzmänner, die den Straßenverkehr regelten, und Schülerlotsen, die Kindergruppen beaufsichtigten und geleiteten – man hat sie, sofern man einer der älteren Generationen angehört, fast vergessen. Die Jüngeren kennen sie nicht mehr – in der Ausstellung können sie für Momente wieder lebendig werden, wenn Betrachter der Fotos ihre Erinnerungen austauschen oder weitergeben. Ähnlich verhält es sich mit den einzelnen alten Tanksäulen, die sich an den Straßenrändern befanden und längst aus dem Stadtbild verschwunden sind.