Backnang klagt gegen Schließung der Notfallpraxis

Gemeinsam mit zwölf weiteren Städten zieht Backnang gegen die Kassenärztliche Vereinigung vor das Sozialgericht in Stuttgart.

Die Notfallpraxis in Backnang steht ebenfalls auf der Streichliste der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg. Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Die Notfallpraxis in Backnang steht ebenfalls auf der Streichliste der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg. Foto: Alexander Becher

Backnang. Gegen die Ankündigung der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg, an zahlreichen Standorten Notfallpraxen zu schließen, regt sich viel Widerstand, auch in Backnang (wir berichteten). Nun haben sich 13 betroffene Städte zusammengeschlossen und Klage beim Sozialgericht in Stuttgart eingereicht. „Mit nur noch einer verbleibenden Notfallpraxis für den gesamten Landkreis wäre die Versorgungslage im Rems-Murr-Kreis landesweit am schlechtesten und auch im regionalen Vergleich innerhalb der Region Stuttgart ein absolutes Negativbeispiel als bevölkerungsreicher und großer Landkreis“, begründet Backnangs Oberbürgermeister Maximilian Friedrich die Unterstützung der Klage. „Dies wiegt umso schwerer, da im Zuge der schmerzhaften Klinikschließung die klare Zusage zum dauerhaften Erhalt der Notfallpraxis am Standort Backnang gegeben wurde.“

Ausgangspunkt der Schließung von Notfallpraxen in Baden-Württemberg war eine Entscheidung des Bundessozialgerichts zum Beschäftigtenstatuts sogenannter Poolärzte, die in der Vergangenheit zu einem großen Teil den Notdienst, den eigentlich die Vertragsärzte zu leisten hätten, übernommen haben. Nach Auffassung der Stadt Backnang und der weiteren betroffenen Städte wirkt sich das Urteil allerdings nicht nachteilig auf den Betrieb der Notfallpraxen aus. Dies wurde von den 13 Kommunen in einer gemeinsamen Pressemitteilung klargestellt.

Die KVBW hatte in Reaktion auf jene Entscheidung des Bundessozialgerichts mit einer als „Notbremse“ bezeichneten Maßnahme schon im Oktober 2023 vorläufig acht Notfallpraxen geschlossen und angekündigt, ein neues Notdienstkonzept zu erarbeiten. Ab März vergangenen Jahres zeichnete sich dann ab, dass auch die Backnanger Notfallpraxis geschlossen werden soll. Am 21. Oktober schließlich bestätigte sich das im Rahmen einer Pressekonferenz der KVBW, in welcher diese ihre Planungen zur Reform des ärztlichen Bereitschaftsdiensts unter der Überschrift „Zukunftskonzept 2024+“ präsentierte. Laut der Pressemitteilung der betroffenen Gemeinden wurden diese weniger als zwei Stunden vor Beginn der Pressekonferenz über die geplanten Schließungen informiert. Neben Backnang betroffen sind unter anderem Müllheim im Markgräflerland, Ettlingen, Nagold, Bad Saulgau, Oberndorf am Neckar, Neuenbürg, Münsingen, Herrenberg, Kirchheim unter Teck, Brackenheim, Schwetzingen und Tettnang.

Gegen die schrittweise Schließung ab dem 1. April hat sich jedoch heftiger Protest und Widerstand formiert. Zehntausende Unterschriften wurden gesammelt und zwei Protestkundgebungen abgehalten. Abgeordnete aller Landtagsfraktionen äußerten Bedenken gegen die Schließungen, darunter auch der für den ländlichen Raum zuständige Minister Peter Hauk. Die Bürgermeister aller 18 damals betroffenen Städte richteten ein Schreiben an Sozialminister Manfred Lucha, der in seiner Rechtsaufsichtsfunktion die Pläne der KVBW unterstützt.

Den Standortkommunen wurde dann im Rahmen einer Veranstaltung im Neuen Schloss in Stuttgart im Dezember verkündet, welche Notfallpraxen zu welchen Zeitpunkten geschlossen werden sollen. „Durch die Ankündigungen am 21. Oktober und am 19. Dezember des vergangenen Jahres wurden die Städte vor vollendete Tatsachen gestellt“, so Ettlingens Oberbürgermeister Johannes Arnold. Eine Kooperation oder Informationsaustauch sei mit den Städten nicht erfolgt, heißt es in der Pressemitteilung: weder in Form einer Abstimmung der Planungen noch in Form einer Bedarfsermittlung in den Gemeinden oder bei ergebnisoffenen Gesprächen über mögliche Alternativlösungen während des Planungsprozesses. Der Informationsfluss zu den genauen Kriterien und Gründen bezeichnen die betroffenen Städte als „bis heute unzureichend“.

Dabei stellen sich die betroffenen Städte eigenen Aussagen zufolge weder generell gegen eine Neustrukturierung des ärztlichen Bereitschaftsdienstes in Baden-Württemberg noch kategorisch gegen eine Schließung von Notfallpraxen im Rahmen eines landesweiten Standortkonzepts. Im Gegenteil werde der Bedarf für Reformen, um den ärztlichen Bereitschaftsdienst in Baden-Württemberg nachhaltig und zukunftstauglich aufzustellen, durchaus anerkannt. „Die Klage richtet sich nicht grundsätzlich gegen eine Reform des ärztlichen Bereitschaftsdienstes, sondern gegen die intransparente Vorgehensweise und gegen die Schließung der Notfallpraxis, die wir aufgrund des großen örtlichen Bedarfs entschieden ablehnen“, betont auch Maximilian Friedrich. „Die Pläne sind in der derzeit vorliegenden Form völlig inakzeptabel und müssen gestoppt werden. Was es jetzt braucht ist ein Moratorium, um den Planungsprozess komplett neu aufzurollen und Betroffene zu Beteiligten zu machen, um über mögliche Alternativlösungen ins Gespräch zu kommen.“

Am 1. April sollen die ersten drei Standorte der Notfallpraxen in Bad Saulgau, Kirchheim unter Teck und Neuenbürg geschlossen werden. Für diese drei Standorte wird zusätzlich der Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt, um eine kurzfristige Schließung der örtlichen Notfallpraxen und damit letztlich die Schaffung vollendeter Tatsachen durch die KVBW vorerst zu verhindern. pm

Zum Artikel

Erstellt:
28. Februar 2025, 16:51 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen