Backnang lädt 210 Bürger zum Klimaforum ein

14 zufällig aus dem Backnanger Melderegister ausgeloste Einwohner sollen an Workshops teilnehmen und die „Backnanger Klima-Empfehlung“ erarbeiten. Mitarbeiter der Stadtverwaltung und Vertreter verschiedener Interessengruppen werden das Forum komplettieren.

Ein Thema des Workshops soll auch die Mobilität sein. Auf dem Foto ist ein Lastenradtest im Biegel zu sehen. (Archivbild: Tobias Sellmaier)

© Tobias Sellmaier

Ein Thema des Workshops soll auch die Mobilität sein. Auf dem Foto ist ein Lastenradtest im Biegel zu sehen. (Archivbild: Tobias Sellmaier)

Von Matthias Nothstein

Backnang. Die Stadt Backnang hat sich ambitionierte Klimaziele auf die Fahnen geschrieben. Damit diese erreicht werden können, soll eine „Backnanger Klima-Empfehlung“ erarbeitet werden, die im optimalen Fall von einer breiten Mehrheit mitgetragen wird. Zuständig für diese Empfehlung soll ein neues Gremium sein. In seiner jüngsten Sitzung hat der Gemeinderat beschlossen, wie sich diese Arbeitsgemeinschaft zusammensetzen soll. Klimamanagerin Simone Lebherz beschrieb die Intention, die für die gewählte Zusammensetzung spricht: Um die unterschiedlichen Perspektiven und Bedürfnisse innerhalb der Stadtgesellschaft Backnangs „möglichst realistisch und umfassend abzubilden“, werden Einwohner ausgelost und zur Mitarbeit eingeladen. Konkret werden 210 Einwohner aus dem Melderegister angeschrieben. Die ersten sieben Frauen und sieben Männer, die sich melden, werden ausgewählt. Weitere Kriterien sind: Jeweils drei Einwohner pro Geschlecht müssen zwischen 16 und 30 Jahre alt sein, jeweils zwei zwischen 31 und 64 Jahre und jeweils zwei über 65 Jahre.

Zehn Vertreter relevanter Akteursgruppen werden ebenfalls dem Klimaforum angehören. Das sind Vertreter des Klimaentscheids Backnang, des ADFC, des ÖPNV, des Innenstadteinzelhandels, der Stadtwerke, der Kirchen, der Schulen oder des Handwerks. Zudem runden sechs Vertreter der Stadtverwaltung das Gremium ab. Die Arbeit dieses Klimaforums soll durch einen externen Moderator unterstützt werden. Ziel ist eine Klimaempfehlung, die dem Gemeinderat dann konkrete und terminierte Maßnahmen vorschlägt.

Themen sind Mobilität, Strom/Wärme, nachhaltiges Leben und Klimafolgen

Klimamanagerin Lebherz erläuterte den Stadträten, dass vier Workshops geplant sind. Ihre Themen sind Mobilität, Strom und Wärme, nachhaltiges Leben sowie Klimafolgenanpassung. Der Zeitplan sieht vor, dass ab sofort bis Januar die Einwohner angeschrieben werden und die Rückmeldungen erfolgen. Danach kann das Arbeitsgremium bis Juli tagen und die Empfehlung erarbeiten. Diese soll am 26. September dem Gemeinderat vorgestellt werden.

Die meisten Stadträte begrüßten das Vorgehen. So etwa Volker Dyken von den Backnanger Demokraten. Er vertrat die Ansicht, „so nehmen wir die Bürger mit im Entscheidungsprozess“. Und er hegte die Hoffnung, dass auf diese Weise eine neue Kultur der Demokratie entstehen könne. Ute Ulfert (CDU) sagte: „Wir gehen diesen Weg gerne mit.“ Leichte Kritik äußerte Willy Härtner (Grüne). Zwar nicht am Verfahren, sondern am Tempo: „Es hat lange gedauert, dass wir in eine breite Diskussion kommen und jetzt Dinge systematisch angehen mit jenen 90 Prozent, die für das Klima verantwortlich sind, nämlich mit den Mitbürgern.“

Klimaforum als Chance und Risiko zugleich

Heinz Franke (SPD) bezeichnete eine Bürgerbeteiligung als guten und spannenden neuen Weg. Er erkannte in dem Klimaforum eine Chance, aber auch ein großes Risiko. Risiko deshalb, weil es Interessengruppen gibt, die logischerweise ganz spezielle Absichten verfolgen. Deshalb sei es wichtig, dass die Treffen moderiert werden. „Es wird spannend werden, wie die verschiedenen Akteure der Interessengruppen zusammenarbeiten.“ Letztendlich soll das Gremium jedoch eine gute Grundlage erarbeiten und dem Gemeinderat liefern, „damit wir die richtigen Entscheidungen treffen können“.

Dem stimmte Lebherz zu: „Nichts wäre schlimmer, als wenn es am Ende heißen würde, rausgekommen ist nix, aber die Brezeln waren gut.“ Erster Bürgermeister Stefan Setzer zeigte sich aufgeschlossen für einen Vorschlag von Ute Ulfert, die Workshops auch für Stadträte zu öffnen. Er schränkte jedoch ein: „In einer passiven Form, also dass sie zuhören und Stimmungen aufnehmen können.“ Laut Setzer sollen jedoch all die Bürger, die keine Gremienerfahrung haben und nicht wissen, wie die Prozesse funktionieren, die Möglichkeit erhalten, in einem geschützten Umfeld frei zu sprechen. Bei Rolf Hettich (CDU) wurde die Kritik deutlicher: „Ich habe Zweifel, ob die sieben Frauen und sieben Männer die Stadtgesellschaft realistisch und umfassend abbilden. Ich befürchte, dass hier die Klimabefürworter deutlich überwiegen.“ Hettich plädierte für eine andere Form des Workshops, bei dem mehr Bürger hätten teilnehmen können.

Charlotte Klinghoffer (BfB) kritisierte das Auswahlprozedere: „Sie schreiben 210 Bürger an und rechnen mit einer Rückmeldung von sieben Prozent. Das entspricht dem Blick durch die rosarote Brille. Das wird nie funktionieren, sie kriegen das nicht hin.“ Die BfB-Rätin rechnete vor, dass selbst bei Online-Umfragen maximal zehn Prozent teilnehmen, „und sie wollen für eine Präsenzveranstaltung sieben Prozent Rückmeldung“. Zudem kritisierte sie, „dass wir es dann mit unerfahrenen Leuten zu tun haben“. Ute Ulfert widersprach: „Es könnte durchaus auch sein, dass sich die angeschriebenen Bürger auch freuen, dass sie einmal gefragt werden.“

Am Ende stimmten die Räte mit einer relativ überzeugenden Mehrheit für das Prozedere. Nur vier Räte stimmten dagegen, einer enthielt sich seiner Stimme.

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Erstellt:
15. November 2023, 06:00 Uhr

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