Backnang zahlt 100 Euro Zuschuss für ein Balkonkraftwerk
Der Ausschuss Technik und Umwelt der Stadt Backnang empfiehlt eine Förderung für maximal 100 Anlagen. Der Gemeinderat beschließt zudem eine Sozialkomponente, wonach Inhaber des Familien- und Kulturpasses sogar 200 Euro Zuschuss erhalten können.
Von Matthias Nothstein
Backnang. Balkonkraftwerke sind eine tolle Sache. Damit können alle Haushalte, auch Mieter, eigenen Strom produzieren und so einen Teil zum Klimaschutz beitragen. Zudem rechnen sich die Anlagen recht schnell, im Idealfall schon nach drei Jahren. Trotzdem ist der Run auf die Kleinkraftwerke überschaubar. Zumindest bislang. Falls die Anschaffungskosten ein Argument dagegen sein sollten, so möchte die Stadt Backnang dieses mit einem Zuschuss abschwächen. In der jüngsten Sitzung des Ausschusses für Umwelt und Technik empfahl eine Mehrheit des Ausschusses dem Gemeinderat ein Fördermodell, das auf einen Antrag der Grünen zurückgeht. Demnach stellt die Stadt insgesamt 10000 Euro Zuschuss zur Verfügung. Damit sollen 100 Anlagen mit je 100 Euro gefördert werden. Der Gemeinderat wiederum sattelte in seiner jüngsten Sitzung noch eins drauf. Da Ute Ulfert (CDU) den sozialen Aspekt zu wenig berücksichtigt fand, schlug Mustafa Gül (Grüne) vor, dass Inhaber des Familien- und Kulturpasses einen Zuschuss in Höhe von 200 Euro erhalten sollten. Diese Idee kam im Gemeinderat gut an, bei der Abstimmung gab es nur eine Gegenstimme. Die Gesamtförderung der Stadt in Höhe von 10000 Euro bleibt jedoch unverändert. Das heißt: Je mehr Haushalte von der Sozialkomponente Gebrauch machen, für umso weniger Förderungen reicht das Geld.
Zwei Paneele erzeugen bis zu 500 Kilowattstunden im Jahr
Die städtische Klimamanagerin Simone Lebherz hatte den Ausschuss über die Rahmenbedingungen informiert. Demnach beschränkt der Gesetzgeber die maximale Leistung der Anlagen. Sie machte folgende Rechnung auf: Wenn ein Bürger das Limit ausreizt und zwei Paneele mit je 300 Watt kauft, dann kann er 400 bis 500 Kilowattstunden pro Jahr generieren. Zum Vergleich: Ein Zweipersonenhaushalt verbraucht im Jahr zwischen 2000 und 3500 Kilowattstunden. In optimalen Fall kann solch ein Haushalt also 25 Prozent seines Verbrauchs mit solch einer Anlage abdecken. Nun zu den Kosten: Lebherz setzt bei einer Beispielrechnung den mittleren Verbrauch mit 450 Kilowattstunden an und multipliziert diesen mit einem Strompreis von 50 Cent pro Kilowattstunde. So kommt sie auf eine Einsparung von 225 Euro im Jahr. Bei den aktuellen Anlagekosten von 600 bis 1000 Euro wäre das Minikraftwerk also in drei bis fünf Jahren abbezahlt.
Die Menschen lassen sich von solch einem Engagement gerne anstecken
Aber warum soll eine solch rentable Sache dann noch gefördert werden? Lebherz zitierte dazu Leonie Wenz vom Potsdam-Institut für Klimaforschung. Diese sagt, der größte Nutzen entsteht dadurch, „dass man in seinem unmittelbaren Umfeld sieht, dass es da auch schon solche Anlagen gibt“. Wenz: „Das Säen von Solarmodulen, wo es nur wenige gibt, kann viel verändern.“ Und dabei erzielt diese Art von Modulen am Balkon oder auf Gartenhäuschen einen größeren Effekt als die klassischen Fotovoltaikanlagen auf den Dächern, da sie besser gesehen werden. Deshalb sei die Wahrscheinlichkeit, dass sich Menschen von diesem Engagement anstecken lassen, groß.
In der Regel werden keine Handwerker benötigt
Das Förderprogramm macht laut Lebherz besonders jetzt sehr viel Sinn. Sie listete dazu mehrere Punkte auf. Investoren müssen zum Beispiel 2023 keine Umsatzsteuer bezahlen. Zudem sind die Paneele im Gegensatz zu den großen Dachfotovoltaikanlagen derzeit gut verfügbar. In der Regel werde auch nicht „das andere knappe Gut“ benötigt, nämlich Handwerker, schließlich könne jeder eine solche Anlage montieren.
Dass ein Zuschuss den Ausschlag für eine Kaufentscheidung geben kann, ist für Lebherz keine Frage. Sie verriet, dass es eine der häufigsten Fragen sei, die ihr gestellt werden, „wann kommt ein Förderprogramm für Balkonanlagen?“ Lebherz: „Die Menschen warten darauf.“ Zudem seien diese Anlagen für Mieter geeignet. Diese könnten damit „ihrem Bedürfnis gerecht werden, auch etwas fürs Klima machen zu können“.
Da die schnelle Amortisation der Anlagen die Investition richtig lukrativ macht, würden viele diese Minikraftwerke auch ohne Zuschuss kaufen. „Mitnahmeeffekte sind realistisch“, so die Einschätzung von Lebherz. Trotzdem warb sie für den Zuschuss: „Für die Stadt ist es wichtig, sagen zu können: Wir kurbeln das jetzt an.“ Mit Blick auf einige Nachbarkommunen schlug sie einen Zuschuss von 200 Euro pro Anlage vor. Ihr Argument: „Das ist ein kaufentscheidender Beitrag. Das kann dazu führen, dass einer sagt, Ja, jetzt kann ich es mir leisten.“
Hettich sieht vor allem Eigentümer unter den Interessenten
Das sah Rolf Hettich (CDU) völlig anders. Die Anlagen sind seiner Ansicht nach für viele einfach bezahlbar, „die kosten nur ein paar Hundert Euro und werden stets günstiger, da es immer mehr Anbieter gibt“. Weil Mieter nochmals spezielle Schwierigkeiten damit hätten, vermutet Hettich, dass die Kraftwerke in erster Linie von Eigentümern gekauft werden. „Aber speziell diese Gruppe ist finanziell in der Lage, ohne finanzielle Förderung diese Anlagen zu kaufen.“ Im Ausschuss hatte Hettich darauf hingewiesen, dass manche Kommunen Geringverdienern die doppelte Förderung geben. „Menschen, die finanziell ohnehin nicht schlecht dastehen, die stecken die Förderung ein. Wer es sich nicht leisten kann, der kauft trotz Zuschuss keine Anlage.“
Stadt sollte anstelle dieser Symbolpolitik besser ein paar Bäume in der City setzen
Auch Gerhard Ketterer (CDU) bezeichnete die Minikraftwerke als Selbstläufer. „Bei dem schnellen Invest sehe ich es nicht ein, dass man zusätzlich noch einen Zuschuss geben muss. Aber wir reden von 10000 Euro, das ist ein Klacks im Stadthaushalt. Das ist Symbolpolitik. Ich frage mich, wäre es da fürs Klima nicht besser, wir würden ein paar Bäume in der Stadt pflanzen?“
Armin Dobler (SPD) plädierte dafür, den Zuschuss zu begrenzen, auch zeitlich auf ein Jahr. „Ich glaube, dass die Leute diese Anlagen auch ohne Förderung kaufen.“ Willy Härtner (Grüne) lobte die Förderung: „Das ist jetzt einmal eine konkrete Maßnahme, die draußen bei der Bevölkerung ankommt, Ich halte es wichtig, ein Zeichen zu setzen: Hört her, ihr Backnanger, ihr kriegt noch was dazu.“
Von Matthias Nothstein
Die kritischen Stimmen, wonach eine Förderung bei solch geringen Investitionskosten unnötig sind, haben in gewisser Weise recht. Aber genauso richtig ist, dass der finanzielle Aufwand für die Stadt dermaßen überschaubar ist, dass er im Haushalt überhaupt nicht ins Gewicht fällt. 10000 Euro – das wurde an vielen anderen Stellen schon für schlechtere Anlässe ausgegeben.
Deshalb lohnt sich nochmals ein Blick auf die Vorteile der Förderung. Ja, es stimmt, bei manch einem gibt selbst ein solch kleiner Betrag den letzten Ausschlag für seine Kaufentscheidung. Und es stimmt, dass solche Anlagen Multiplikatoren sind. Wenn sie immer häufiger in der Öffentlichkeit sichtbar werden, dann möchten sie umso mehr haben. Dieser Effekt konnte schon bei vielen anderen Produkten beobachtet werden. Wichtig ist nur, dass der Papierkram kleingehalten wird, sowohl für den Zuschussgeber als auch für den Interessenten. Und das scheint in Backnang gelungen zu sein. Der Zuschuss ist eine gute Sache.
m.nothstein@bkz.de
Aktuell Laut den Angaben der Stadtwerke Backnang gibt es derzeit 62 Balkonkraftwerke im Stadtgebiet. Davon wurden 25 Anlagen in diesem Jahr in Betrieb genommen. Lebherz erscheint diese Zahl relativ wenig „für eine Stadt in der Größe Backnangs“.
Vorgaben Die Förderung wird auf 10000 Euro gedeckelt, pro Anlage und pro Backnanger Haushalt gibt es 100 Euro, für Inhaber des Familien- und Kulturpasses 200 Euro Zuschuss. Die Anlage muss in Backnang installiert werden und eine Mindestleistung von 250 Watt haben.
Umsetzung Die Bürger sollen die Förderung einfach erhalten. Der Förderantrag umfasst deshalb nur zwei Seiten, auf einen Vor-Ort-Termin wird verzichtet und die erforderlichen Unterlagen sind sehr übersichtlich. Verlangt werden nur eine Kopie des Ausweises, der Rechnung und der Anmeldung bei der Bundesnetzagentur sowie ein Foto der Anlage. Nerviger Briefverkehr hin und her soll vermieden werden. Erster Bürgermeister Stefan Setzer: „Für 200 Euro Zuschuss kann ich nicht fünfmal Frau Lebherz rausschicken, um Formalien prüfen zu lassen.“