Backnanger Amtsgericht verhängt zweijährige Haftstrafe nach Einbruch in Pflegeheim

Nur wenige Tage nach seiner Haftentlassung bricht ein 23-Jähriger nachts in ein Backnanger Pflegeheim ein und sucht nach Wertgegenständen.

Der Verteidiger räumt ein, dass der 23-Jährige für seine Taten bestraft werden muss. Symbolfoto: Okan Akdeniz/Stock-Adobe

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Der Verteidiger räumt ein, dass der 23-Jährige für seine Taten bestraft werden muss. Symbolfoto: Okan Akdeniz/Stock-Adobe

Von Kristin Doberer

Backnang. „Wir kennen uns ja schon“, begrüßt der Vorsitzende Richter am Backnanger Amtsgericht am Montagmorgen den Angeklagten. Denn der 23-Jährige, der im Januar in ein Pflegeheim in Waldrems eingebrochen sein und danach mehrere Polizisten beleidigt haben soll, sitzt bei Weitem nicht zum ersten Mal auf der Anklagebank, gegen ihn laufen auch aktuell mehrere Verfahren. Zuletzt wurde er im November 2022 vom Amtsgericht Backnang verurteilt. Die Motivation ist bei den zahlreichen Taten fast immer dieselbe: schnell an Geld kommen, um seinen Lebensunterhalt und seine Sucht zu finanzieren. Zum Teil mit Betrügereien, vor allem aber mit Einbrüchen und Diebstahl.

Nur vier Tage nach der Haftentlassung schon die nächste Straftat begangen

So auch am 15. Januar 2023. Gerade einmal vier Tage vorher war der 23-Jährige von einer sechsmonatigen Haftstrafe entlassen worden. Kontakt mit seiner Familie hat er keinen mehr, da die Angehörigen „ein Problem mit meinem Lebensstil haben“, wie der Angeklagte selbst sagt. Und so landete er am Vorabend der Tat bei Freunden in Unterweissach. Hier wurde getrunken – laut Aussage des 23-Jährigen drei Wodkaflaschen zu zweit –, aber auch Marihuana und Kokain wurden konsumiert. An seine spätere Tat könne er sich deswegen auch nicht ganz genau erinnern, auch nicht daran, wie er in der Nacht von Unterweissach nach Waldrems gekommen war. Hier nämlich stieg er gegen 4.30 Uhr in ein Alten- und Pflegeheim ein. Zunächst gelangte er in einen von außen offen zugänglichen Raum mit Mülltonnen. Hier fand er Werkzeug, mit dem er erst versuchte, eine Glastür in ein Pflegezimmer zu öffnen. Als dieses Vorhaben ohne Erfolg blieb, schlug er kurzerhand mit einem Hammer die Scheibe ein und verschaffte sich so Zugang zu dem Zimmer. Dieses und weitere sieben Zimmer durchsuchte er dann nach Wertgegenständen. Geldbeutel, Handys, ein Tablet, eine Schmuckschatulle, eine Kosmetiktasche, mehrere kleine Flaschen Jägermeister und weitere Kleinigkeiten im Wert von insgesamt etwa 1300 Euro steckte er ein mit der Absicht, sie zu verkaufen.

Eine Pflegerin bemerkte den alkoholisierten Mann sowie die eingeschlagene Scheibe und rief die Polizei, das sagt ein Polizeibeamter im Zeugenstand aus. Als er mit seinem Kollegen eintraf – zunächst gingen sie noch von reiner Sachbeschädigung aus –, hatte der Angeklagte das Heim schon wieder verlassen. Er saß aber noch auf einer Bank vor dem Nachbarhaus. Sobald er die Beamten bemerkte, floh er zunächst und versteckte sich hinter einem Busch. Dabei verlor er einen Teil seiner Beute. Den Beamten wurde klar, dass es sich um einen Einbruchdiebstahl handeln musste. Bei der Festnahme und später auf dem Polizeirevier wurde der Angeklagte außerdem noch ausfällig gegenüber den Beamten, weshalb er sich vor dem Amtsgericht Backnang auch wegen Beleidigung verantworten muss. Dass er nicht nüchtern war, habe man gerochen, meint der Polizist weiter. „Und seine Augen waren schon glasig. Aber er hatte eigentlich einen sicheren Gang.“ Auch das Video einer Bodycam zeigt: Der Angeklagte ist zwar angetrunken, aber er versteht die Situation und kann sich gegenüber den Polizisten deutlich ausdrücken.

Seit 2014 sitzt der Verurteilte mindestens einmal im Jahr auf der Anklagebank

Die Tat war lange nicht der erste Einbruchdiebstahl des Angeklagten, die Liste seiner Vorstrafen ist lang. Einen Beruf hat er nie gelernt, abgesehen von Hilfsjobs in einem Restaurant und einem Hotel verdiente er seinen Lebensunterhalt nur durch Straftaten. Das zeigt auch ein Blick auf die Vorstrafen des Angeklagten: Seit 2014 sitzt er mindestens einmal im Jahr auf der Anklagebank, meist wegen kleineren Diebstählen. Zum Beispiel hat er mehrmals Handys und Geldbeutel aus Taschen in Turnhallen entwendet, ist in Wohnhäuser eingestiegen, aber auch schon in ein Altenheim, auch Körperverletzung, Erpressung, Betrug und Fahren ohne Führerschein stehen auf der Liste. Der erst 23-Jährige hat bereits viereinhalb Jahre seines Lebens in Haft verbracht und selbst während der Haftstrafen blieb er nicht straffrei. So bedrohte und erpresste er einmal einen Mithäftling, wie der Staatsanwalt ausführt. Er fordert eine Haftstrafe von zwei Jahren für den Einbruchdiebstahl sowie von drei Monaten für die Beleidigung. „Er war geständig, das muss man positiv sehen, aber er wurde ja auch auf frischer Tat mit der Beute ertappt“, begründet der Staatsanwalt.

Der Verteidiger räumt ein, dass der 23-Jährige für seine Taten bestraft werden muss, merkt aber an, dass langfristig nur eine Therapie helfen könne. „Er gerät an Drogen und Alkohol und fällt dann wieder in alte Muster zurück“, so der Verteidiger. Besonders dass er nach einer Haftentlassung keinerlei familiäre Unterstützung erfahre und dass er keine einfache Kindheit gehabt habe, verschlimmere die Situation. So war der Angeklagte ab dem Alter von zehn Jahren in einem Kinderheim untergebracht, da sein Vater inhaftiert wurde. Schon im Alter von elf oder zwölf Jahren konsumierte er regelmäßig Alkohol und verschiedene Drogen. Zu seiner mittlerweile fünfjährigen Tochter, die bei der Mutter des Angeklagten aufwächst, hat er keinen Kontakt und mindestens 15000 Euro Schulden belasten ihn.

Der Angeklagte selbst

verspricht nun endlich Besserung

In Stammheim, wo er aktuell in Haft ist, habe er guten Kontakt zu einer Psychologin sowie zu einer Suchtberaterin. Er arbeite daran, sich eine Therapie zu organisieren und diese möglichst außerhalb der Region anzutreten. Der Richter ist skeptisch, schließlich hat der Angeklagte zwei Therapien für seine Sucht wieder abgebrochen, warum soll die dritte nun helfen? Der letzte Versuch liege schon mehrere Jahre zurück, damals sei er noch zu jung gewesen. „Jetzt will ich mir endlich ein Leben aufbauen“, beteuert der Angeklagte. Der Richter und die beiden Schöffen entscheiden sich letztendlich für eine Haftstrafe von insgesamt zwei Jahren für den Einbruchdiebstahl und die Beleidigungen – ohne Bewährung. „Ihr Leben ist jetzt an einem Scheideweg, “, betont der Richter. Es liege an ihm, eine Therapie anzugehen und zu beenden.

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Erstellt:
4. Juli 2023, 06:00 Uhr

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