Backnanger Schulleiter sehen viele Gründe für Schwächen in der Bildung
In der neusten Pisa-Studie, die Lern- und Wissensbestände von Schülern aus verschiedenen Ländern vergleichen soll, schneiden die deutschen Jugendlichen schlecht ab. Die Rektoren in und um Backnang sehen diese Probleme bereits seit einiger Zeit, sind aber dennoch positiv gestimmt.
Von Carolin Aichholz
Rems-Murr. Nach der Veröffentlichung der Pisa-Studie am Montag sind Backnangs Schulleiterinnen und Schulleiter wenig überrascht vom Ergebnis. „Wir arbeiten jeden Tag mit unseren Schülern und haben das kommen sehen“, sagt Sonja Conrad, Schulleiterin am Max-Born-Gymnasium.
Bei der Pisa-Studie handelt es sich um die größte international vergleichende Schulleistungsanalyse, in der die Leistungen von 15-jährigen Jugendlichen beim Lesen, in der Mathematik und in den Naturwissenschaften erfasst werden. Seit dem Jahr 2000 wird die Studie alle drei Jahre durchgeführt, im vergangenen Jahr erfolgte der erste Test nach der Coronapandemie. Dabei standen die mathematischen Kompetenzen im Mittelpunkt. Die deutschen Schülerinnen und Schüler schnitten so schlecht ab wie nie zuvor.
Sie stehen damit immerhin nicht alleine da, auch international haben sich die Schüler deutlich verschlechtert. Sonja Conrad spricht das Problem klar an: „Es mangelt eben bereits an den Leitfächern wie Deutsch und an Grundkompetenzen wie Lesen oder Mathematik. Wenn diese Basis fehlt, kann in anderen Fächern erst gar kein Wissen aufgebaut werden.“
Am Max-Born-Gymnasium wurden die Lehrkräfte darum bereits zum Schuljahresbeginn dafür sensibilisiert, Aufgaben auch mal sinnerschließend vorzulesen und den Schülern den Raum zu geben, um Verständnisfragen zu stellen, wenn sie Worte nicht verstehen.
Pandemie, Lehrermangel und eine Verschiebung der Aufgaben
Denn gerade die Wortschatzbildung habe während der Pandemie sehr gelitten, sagt Sonja Conrad. „Den Kindern fehlen ohnehin mehr Wörter im Wortschatz als noch vor 15 Jahren, das hat sich durch die viele Zeit, die sie allein und meistens zu Hause verbracht haben, weiter verschlechtert.“
Ein weithin bekanntes Problem sei auch bei den Lehrern der Fachkräftemangel, denn die Klassen werden immer größer und bei Unterrichtsausfall kann oft kein geeigneter Vertretungslehrer einspringen. Zudem bräuchten Schüler, die keine Muttersprachler seien, eigentlich mehr Förderung, damit sie auf das Sprachniveau ihrer Mitschüler gelangen. „Doch auch dafür fehlt uns die personelle Unterstützung“, bedauert die Rektorin des Max-Born-Gymnasiums. „Der Beruf des Lehrers, der eigentlich der schönste Job der Welt ist, weil man Kindern etwas fürs Leben mitgeben kann, wird auch gesellschaftlich immer weniger anerkannt.“ Zudem hangle man sich momentan nur von Krise zu Krise, ohne sich weiter in seinem eigenen Beruf professionalisieren und ihn gestalten zu können.
Bürokratisierung erschwert den Alltag
Auch die fortschreitende Bürokratisierung der Aufgaben der Lehrkräfte hindere sie an der Ausübung ihrer eigentlichen Aufgabe, sagt die Rektorin der Schickhardt-Realschule, Maria-Teresa Vizziello. Sie wünscht sich dabei mehr Unterstützung, damit sich Lehrer aufs Unterrichten konzentrieren können. „Es ist wichtig, multiprofessionelle Teams an die Schulen zu holen. Auch die Schulleitungen sollten sich auf das Sicherstellen der Unterrichtsqualität und die Schulentwicklung konzentrieren können.“
Froh ist sie allerdings über die bereits geschehene Aufstockung der Schulsozialstunden in Backnang. Und bei der rasch fortschreitenden Digitalisierung der Schulen wurden wichtige Schritte bereits getan.
Mehr Zusammenarbeit wünscht sich der Rektor der Sulzbacher Gemeinschaftsschule, Andreas Schwarz, etwa mit den Eltern und Erziehungsberechtigten seiner Schüler. Er appelliert an sie, das Rechnen und Lesen auch zu Hause weiterzuverfolgen.
Die Ergebnisse kann man auch als Chance sehen und nutzen
Schwarz selbst würde die schlechten Ergebnisse vorerst nicht überbewerten. „Klar sind das elementare Grundbausteine des Lernens. Aber viele Faktoren werden in so einer schlichten Datenerfassung wiederum nicht berücksichtigt“, sagt der Rektor.
Sonja Conrad wünscht sich ebenfalls einen optimistischen Blick in die Zukunft. „All das Negative, das jetzt wieder bei den Schülern ankommt, lähmt sie oft und übt noch mal zusätzlich Druck aus.“
Dem schließt sich ihre Kollegin Maria-Teresa Vizziello an. „Die Studie muss als Chance gesehen werden, sich international vergleichen zu können, Schwierigkeiten zu erkennen und sich zu überlegen, was Bildung in Deutschland braucht.“
Beide Rektorinnen haben eine zusätzliche Deutschstunde für ihre Fünftklässler eingeführt, in der ein besonderer Fokus aufs Lesen gelegt wird, um das Problem möglichst früh an der Wurzel zu packen.
Im Max-Born-Gymnasium wurden bereits zu Beginn des Schuljahrs wieder Bücher- und Lesekisten eingeführt, die den Schülern frei zur Verfügung stehen, etwa falls Schulstunden unerwartet ausfallen. „Wir versuchen auch thematisch jeden Geschmack zu treffen, damit das Interesse der Schüler bereits der Antrieb ist“, betont Rektorin Sonja Conrad.
Bei der nächsten Erhebung der Pisa-Studie in drei Jahren tragen diese Bemühungen dann eventuell bereits Früchte.
Archivfoto: Jörg Fiedler